169.

[347] Salzb: den 9t febr: 1778.


Mein liebes Weib!


Itzt wird man wohl von den umständen des Bayerlandes in Manheim genug wissen, nachdem die öfter: Manifeste bereits in den zeitungen sind. Nun sollte der Wolfg: in München seyn, so hätte er mit demBaron Zehmen sprechen können. Dieser war, und ist vielleicht noch als abgesandter von Sachsen alda, es würde zu lange seyn die ganze Sache umständlich zu schreiben, überhaupts betrift seine gesandtschaft ein Anforderung von 11 millionen, oder wieviel es seyn mag, und dann eine Anforderung auf alles Haus-geschmuck – mobilien und allodialgütter, welches alles die verwittibte Churfürstin von Sachsen, die schwester des seel: Churf: anspricht, und solche Anforderung dem Churfürsten von Sachsen überlassen, und für ihre Person den schutz des Königs in Preussen angerufen hat. Es ist an deme, daß, da noch Bayern vertheilt war, durch einen der Bayerischen Herzoge, welcher das Straubingische in besitz hatte, dieses an einen Herzog von öfter: gekommen, aber auch nach der Hand wegen einer anforderung von 11, oder was weis ich von wie viel millionen, und wegen dem Herzog von österreich geleisteten Beystand und aufgewandten Kriegsunkosten, an die Herzoge von Bayern auf ewig wieder überlassen worden, so zwar, daß nachdem hinnach bey sich ereigneter gelegenheit, daß Hauß österreich abermahl solches an sich zu bringen (nur mit der feder NB) bemühet war, solches ihm vom Reichsgericht für allzeit abgesprochen worden. Da es nun aber itzt mit bewafneter Hand in Besitz genommen wird, so macht die schwester des verstorbenen Churf: die Ansprüche auf die besagten millionen und auf die allodialien und anderen Hausmobilien, davon sie sich als [347] Erbin erkläret. Ich habe eine vermuthung die vielleicht einen grund haben kann. Es fällt mir nicht geschwind bey, wie iener Herzog von Wirtemberg hieß, welcher aus dem Lande fliehen muste, in die Reichsacht erkläret wurde, und auch nicht mehr zur Regierung kahm. sein Land erhielt der Nachfolger aus den Händen des Kaysers, dem es heimgefallen war, mit dem Vorbehalt daß nach dem Aussterben des Würtemberg: Hauses, das Herzogsthum an östereich zurückfalle. Wie wäre es nun wenn öfter: und Preussen schon lange mit einander verstanden wären? – – öfter: hat nun den grösten theil; und NB den einträglichsten und wegen der Donau für österreich den nützlichsten theil Bayerns in Besitz genommen. könnten diese 2 Mächte nicht mit einander verstanden seyn, daß nach dem ableben ohne Erbe des Churf: von der Pfalz, das Hauß oster: ganz Bayern nehme, und dem König in Preussen, nach absterben des Würtemb: Hauses, das Herzogthum Würtemberg überlasse, und dann auch nicht entgegen seyn wollte, wenn Preussen auch Jülich und Berge zu sich nehmen wollte, wo den die Herzoge von zweybrücken sich mit der Pfalz allein begnügen müsten. – Es sind freilich nichts als leere vermuthungen, die, ob sie (gott gebe es daß ich es nicht errathe) ob sie leer sind, das Betragen des Preussischen Hofes bey den itzigen Umständen zeigen muß. Mir schwindelt so etwas, weil es bereits über ein Monat ist, daß der Churf: gestorben, und was höret man denn von Preusischen Bewegungen? – – Der ist sonst nicht der letzte! Unterdessen ist auch sicher, daß der Kayser die Lehngüter, die er unterdessen in obsorg genommen, und da und dort auch in Bayern zerstreuet liegen, gegen andere wird zu vertauschen und auf andere gütter das Lehenrecht wird zu übertragen suchen. alles dieses will seine lange zeit, und die Regierung in Bayern ist so beschaffen, daß, solche Einzurichten, eine geraume zeit die gegenwart des Churf: wird nötig seyn. Es ist unterdessen richtig, daß nicht nur das Rentamt Straubing, sondern auch scharding, Ried, x: und viele andre orte in Bayern mit öfter: truppen besetzt und alda die Kayserin als Landsfrau erkennt ist. Das war doch in bayern ganz erstaunlich der Churf: hat 30 generalen, 38 obersten. 25 oberstlieuten: und 20 Majors, [348] folglich 113 Stabsofficier zu etwa 4000 Mann in München gefunden. ist das nicht erstaunlich lächerlich! genug hiervon.

Bis anhero habe noch nichts von Deinen Reiseanstalten gehört. vielleicht sagt mir Dein künftiger Brief etwas. hier ist noch ein blath an den Wolfgang, ich hoffe es wird ibn noch antreffen: sollte er aber schon weg seyn, so magst Du das blath bey Dir behalten, bis Du weist wo man die Briefe in Paris an ihn addreßieren muß. Vielleicht weis es die Mdme: Wendling. Dann kannst Du einen Brief dazu schreiben. Ich hoffe aber er wird noch bey dem Empfang dieses nicht schon fort seyn. Empfehle dem h: Wendlich nochmahls unsern Sohn aufs beste; gott seye sein schutz! ich gedachte gewiß etwas durch deinen letzten Brief zu hören, allein da er Dir eben von Worms schrieb, so konntest Du mir freilich auch nichts anders berichten. gestern war die 2te Redoute, und 100 Personen darauf. heut ist die schiedenhof: Hochzeit, die Cronach Nannerl ist 8 täg vorhero nach Hause geschickt worden. Der Wolfg: hätte doch nicht übel gethan, wenn er eine gelegenheit gesucht hätte, sich durch iemand beym Churfürsten im angedenken zu erhalt: doch, dazu ist es noch zeit genug. Lebts wohl wir küssen euch beyde millionmahl und bin der alte

Mzt1


Salzb: den 9ten febr: 1778.


Mein lieber Sohn!


Die kleinen Sparten, die ich sehr nett besorgt habe, und dann mein schreiben mit dem Verzeichniß unserer Pariser Bekanntschaften wirst Du richtig erhalten haben. Die Hauptpersonen sind immer Mr Grim, Madme La Duchesse de Bourbon, die ehemalige Mademoiselle d'orleans, wo Paisible bey ihr war als wir sie 2 mahl im Kloster sahen; und die Dir ein kleines Clavierstückl, so sie Componirt hatte, Dir dediciert hat. Ihr Herr ist der Sohn des Prinz Condé, er ist erst 22 Jahr, sie aber 28 Jahr alt. ofl fot nfcut olur vlrgnhgt: ich glaube oft elbln gmr nfcu2 beysamm. Der Duc de Chartres ihr Bruder ein Herr von 31 Jahren. er ist derjenige, [349] welcher gemacht hat daß wir vom Mr: de Sartine dem damahligen Lieutenant de la Police die Erlaubniß erhielten, die 2 so einträglichen Concerte zu machen. Madme La Comtesse de Teßé, der Du die Sonaten dediciert, eine grosse Beschützerin der Wissenschaften x: die Dich sehr liebte und Dir die kleine uhr, Deiner schwester das goldene zahnstiererbüchsel gab. Ich hoffe sie wird nun in Paris zurück angelangt seyn, Sie und ihr Herr waren letzthin in Italien, sie haben grosse Reisen gemacht und glaube sie waren auch gar in Sicilien. NB vor allem must Du eyferig Dich erkundigen, ob derDuca di Braganza nicht etwa noch in Paris ist? – Er hat vergangenen Herbst Wieñ verlassen, um bey dieser, nach dem Tod des seel: Königs von Portugal, ihm nun günstigern Regierung in sein Vatterland nach Lisabon zurück zu kehren. Er hielt sich in Paris auf, das weis ich, es kommt nun darauf an, ob er schon weg ist? – Dieser wäre ein guter Mann für Dich. Die Madme d'Epinay eine sehr vertraute Freundin des Mr: Grimm, von welcher die Mamma das schöne Waderl hat. NB. Die Comtesse de Teßé würde Dir sonder zweifl durch ihren vatter dem Duc d'Ayas, der uns nach Versailles gebracht, gelegenheit verschaffen daß Du der Madme Victoire vorgestellt wurdest, die Dich nun nicht ungerne sehen würde, da sie Dir als einem Kinde, so gnädig und freundlich begegnete. Die Madme La Duchesse d' Enville. – La Duchesse œguillon. La Duchesse de Mazarin. La Comtesse de Lillebonne. Mdme de St: Julien. Mdme La Princesse de Robeck. Mdme La Comtesse de Wall. Kurz! alle die Personen, die Du auf dem verzeichnisse hast, sind Personen vom Stande, die sich Deiner erinnern werden, und denen Du Dich zeigen und ihnen ohne scheue aufwarten darfst, und sie mit einer edlen freyheit und Anstand um ihren schutz bitten darfst. Es ist, ich versichere Dich keine kleine arbeit, dann man kommt nicht allzeit vor, um mit diesen Personen sprechen zu können: allein es ist alles daran gelegen, diese Politeße nimmt die franzosen erstaunlich ein, und macht Dir auf einmahl alle diese grossen Personen und alle ihre Bekannte zu freunde. NB Dieß muß aber itzt gleich gescheben: und Du must [350] Dich von nichts abhalten lassen, denn Du kommst späth nach Paris, und zu späth; im Sommer geht alles aufs Land. Ist Mr: Grimm da, so wird er mir recht, und Dir alle Anleitung geben, Du kannst ihm alles sagen, was ich Dir geschrieben habe. Ist er nicht da, so wird Dir die Mdme D'Epinay in allem Beystehen, oder Dich an einen ihrer Freunde anweisen, wenn Du nur diese ausfindig machst und bald zu sehen bekommst. unterdessen wird Dir auch hl:Baron Bach vermuthlich ein und andere Personen zu sagen wissen, wo sie wohnen. Was man für die Fiacres bezahlt wird Dir hl: Wendling und iedermann sagen: wenn man ihn länger, als nur auf ein ort allein zu fahren, nämlich auf langere zeit braucht; so zeigt man dem Fiacre beym Einsitzen die uhr, und sagt wie viel es ist, dann zahlt man, so viel mich erinnere, für die erste Stund 24 Sols, und dann für iede der übrigen stunden 12 Sols: auf diese art kann man ihn einige Stunde behalten und vor dem Hause, wo man sich aufhält warten lassen. ieder Fiacre hat seine Nummero, die man sich merkt; und man zahlt ihn, wenn der Curs vorbey ist. wenn Du zu fuß gehest, must Du Dich in obacht nehmen, bey nassem wetter sind die rundlicht ins viereckgehende Pflastersteiner in Paris sehr schlüpferig, daß man immer ausglitschet. Nun will ich Dir noch einige Nähmen von andern Personen unserer damaligen bekannten Personen hersetzen. nämlich Mr: L'Abbé Causargue Capellmeister in der Königlichen Hof Capelle zu Versailles, ein brafer Mann, bey dem wir gespeiset haben. Mr. Eckard3 Clavierist. Mr. Gaviniés4 Violino. Hochbrucker5, Harfenist; er ist, wie Du weist, ein lustiger Narr, aber sein en umgang must Du meiden, dann er ist wegen seinem liederlichen Leben, in dem schlecht esten Ruf, ein grober Kerl und schuldenmacher. Mr: Du Borde6 ein sehr hochmütthiger violonzellist. Mr. Tournere organist von Hof. Mr: Molitor waldhornist in Versailles. Mr: Havand violino. Mr:[351] Besson, violino. Mr: Le Grand Clavierist, Mr: Jeliote7 Chanteur au Theatre x: Mr: Mayer8 Harfenist. Mr: Henno waldhornist beym Prinz Conti: Mr: Duni9 Maitre de chapelle, hat einige opera Comique geschrieben.Mr: Canevas violonzellist, dessen dochter den hl:Cramer geheyrathet hatte und in Manheim gestorben ist. Mr: le Duc10 violino. MdsseFel11 alte Sängerin vom franz: Theater. Mr. Cahaut jouer de la Liute chez Prince Conti. Mr: Hannauer Clavecin. Mr: Philidor12 Compositeur. x: Ich darf Dirs aber nicht sagen, Du weist ohnehin, daß der Umgang mit diesen Leuten von keinem Nutzen, sondern eine vertraulichkeit mit dem mehrern Theil dieser Leute nur zum schaden ist: nur etliche wenige ausgenommen. = Sollte Gluck, Piccini13 da seyn, so wirst Du ihren umgang möglichst meiden und so auch mit Gretry14 keine freundschaft machen. de la politesse, et pas d'autre chose. Mit hohen Standspersonen kannst Du immer ganz natürlich seyn, aber mit allen andern mache einen Engelländer, das bitte ich Dich. sey nicht so aufrichtig! lasse vor keinem Friseur oder andern domestiquen geld, ring oder uhr sehen, noch weniger so da liegen. lasse auch vsr dlfnln irlndln nfcut alrkln, wann Du gled blksaaot, oder wflvfle dh umot. Hast dh gled15, so mache Bekanntschaft mit den Baquiers Tourton et Baur, ich behielt nur das nothwendigste in Handen, das übrige gab ich ihnen aufzuheben, sie gaben mir einen sch ein darüber, und so war ich sicher, daß es mir nicht gestohlen wurde, und wollte iemand etwas entlehnen, so konnte ich mich entschuldigen, ich hatte es nach Salzb: geschickt. Bey der Nacht gehe niemals zu fuß. und endlich denke täglich, was Du gott, der Dir so ausserordentl: Talente gegeben, schuldig bist. Nehme mirs nicht übl, daß [352] ich Dir es so oft erinnere, Du weist, was ich als Dein vatter schuldig bin. Es verdroß Dich, daß ich letzlich eine Erinnerung wegen dla blfcutln16 machte. Setze Dich an meine Stelle, und sage dann, ob ich es zu thun nicht schuldig bin – –? gott! wenn sehe ich Dich wieder! ich küsse Dich millionmahl und bin Dein gewissester wahrer Freund und vatter

L: Mzt

Fußnoten

1 Folgt eine Nachschrift der Tochter.


2 Auflösung der Chiffren: sie ist nicht sehr vergnugt: ich glaube sie leben gar nich


3 Joh. Gottfr. Eckard, der angesehene Pariser Klavierspieler und Komponist (s. Wolfgangs Brief vom 30. Dezember 1774).


4 Pierre Gaviniés (1726 bis 1800), hervorragender Violinist.


5 Christian Hochbrucker.


6 = Jean B. de la Borde (1734–1784)?


7 Pierre Jéliotte (um 1711 – um 1782).


8 Joh. Bernh. Mayer.


9 E.R. Duni (1709–1775), ein Hauptvertreter der früheren opéra comique in Paris.


10 Pierre oder Simon le Duc.


11 Marie Fel.


12 F.A.D. Philidor (1726–1795), ein NachfolgerDunis auf dem Gebiete der opéra comique.


13 Niccolo Piccinni.


14 André Grétry (1742–1813) ein Hauptvertreter der späteren opéra comique.


15 Auflösung der Chiffren: vor deinen freunden nicht merken, wann Du geld bekommst, oder wieviel du hast. Hast du geld,


16 Auflösung der Chiffren: dem beichten


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 353.
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