168.

[339] Salzburg den 5ten febr: 1778


Mein Lieber Sohn!


Da allem vermuthen nach dieser der letzte Brief seyn kann, den Du von mir gewiß noch in Manheim erhalten wirst; so ist er an Dich allein gerichtet. Wie schwer es mir fällt, daß nun weis, daß Du Dich noch weiter von mir entfernest, kannst Du zwar Dir in etwas vorstellen, aber mit derienigen Empfindlichkeit nicht fühlen, mit der es mir auf dem Herzen liegt. Wenn Du Dir die Mühe nehmen willst bedächtlich nachzudenken, was ich mit euch zwey Kindern in euerer zarten Jugend unternohmen habe; so wirst Du mich keiner zaghaftigkeit beschuldigen, sondern mir mit allen anderen das Recht wiederfahren lassen, daß ich ein Mann bin und allzeit war, der das Herz hatte alles zu wagen. Nur that ich alles mit der menschenmöglichsten vorsichtigkeit, und Nachdenken: – wider die zufalle kann man dann [339] nicht; denn nur gott sieht die zukunft voraus. Wir waren freilich bisanhero weder glücklich noch unglücklich, es war so, gott seye es gedankt, so mitten durch. Wir haben alles versucht, um Dich, und auch uns durch Dich glücklicher zu machen und wenigst Deine Bestimmung auf einen vestern Fuß zu setzen; allein das schicksaal wollte, daß wir nicht zum zweck kahmen. Ich bin aber, wie es Dir bekannt, durch unsern letzten schritt, tief hineingesunken, und Du weist, daß ich nun gegen 700 fl ocuhedfg bfn, und mit meinem asnmtefculn fnnmual nicht weis, wie nun afcu, dfl amam hnd dfnl locuwlotlr hntlrumetln1 werde, da itzt gar in meinem Leben von dla ifrotln nicht lfnfn Krlhzlr zh usiiln umbl.2 Du siehest also sonnenklar ein, daß Deiner alten Eltern, und gewiß guten Dich von ganzem Herzen liebenden schwester zu künftiges schicksaal lediglich in Deinen Händen ist. Ich habe seit euerer geburth und auch schon vorhero, seit dem ich verheurathet bin mir es gewis sauer genug werden lassen, um nach und nach einer frau und 7 Kindern 2 Ehehaltern und der Mamma Mutter mit etlichen und 20 fl asnmtefcula glwfooln lnnksaaln hntlrumet zh vlrocumiiln3, Kindbetten, Todfälle und Krankheiten mhozhumetln4, welche unkösten, wenn Du sie überlegst, Dich überzeugen werden, daß ich nicht nur allein nicht einen Kreuzer auch nur zu meinem mindesten vergnügen angewendet, sondern ohne sonderbare gnade gottes, bey aller meiner Spekulation und sauern Mühe es niemals hätte dahin Bringen können ohne ocuehdln zh elbln:5 und dennoch war fcu nflamueen fn ocuhedln meo fzt.6 Ich habe dann alle meine Stunden euch 2 aufgeopfert, in der Hofnung es sicher dahin zu bringen, nicht nur daß ihr beyde seiner zeit auf eur versorgung rechnung machen könntet, sondern auch mir ein geruhiges alter zu verschaffen, gott für die Erziehung meiner Kinder Rechenschaft geben zu [340] können, ohne fernere Sorge, nur für mein Seelenheil sorgen und mit Ruhe meinem Todt entgegen sehen zu können. Allein die Fügung und der Wille gottes hat es so geordnet, daß ich nun erst von neuem der gewiß sauern Arbeit Lecktion zu geben mich unterziehen muß, und zwar an einem ort, wo diese schwere Bemühung so schlecht bezahlt wird, daß man doch alle monate olfnln und dlr olfnfgln hntlrumet nfcut ulrmhobrfngt.7 und dennoch muß man noch frohe seyn und sich eine Brustkrankheit an Hals reden, um wenigst doch ltwmolfnzhnlualn.8 Ich habe nun in Dich, mein lieber Wolfgang, nicht nur allein kein, auch nur das geringste Misstrauen, sondern ich setze in Deine kindliche Liebe alles vertrauen und alle Hofnung: Es kommt nur auf Deine gesunde vernunft, die Du gewiß hast, wenn Du sie hören willst, und auf glückliche umstände an. Das letzte lässt sich nicht zwingen; Deine vernunft aber wirst Du immer zu rathe ziehen, das hoffe ich, und das bitte ich Dich. Du kommst nun in eine ganz andere Welt: und Du must nicht glauben, daß ich aus voruhrtheil Paris für einen so gefährlichen ort, au Contraire – ich hab, aus meiner aigenen Erfarniß, gar keine ursache Paris für gar so gefährlich anzusehen. allein meine damaligen, und Deine dermaligen umstände sind himmelweit unterschieden. Wir waren in dem Hause eines gesandten und das zweyte mahl in einer geschlossenen Wohnung; ich war ein gestandener Mann, und ihr waret Kinder; ich vermied alle bekanntschaft, und NB sonderheitlich mit Leuten von unserer Profession flohe ich alle familiarität; denke nach ob ich nicht das nämliche in Italien that. Ich machte nur Bekanntschaft und suchte nur die freundschaft mit Personen höhern Standes – und auch unter diesen nur mit gestandenen Leuten, und nicht mit jungen Burschen, und wären sie auch vom ersten Range. Ich Lued Niemand ein mich in meiner Wohnung öfters zu besuchen, um in meiner Freyheit zu bleiben, und hielt es immer für vernünftiger andre, wenns mir gelegen zu besuchen. Dann gefällt mir der Mann nicht, oder ich hab arbeit und verrichtung, so kann ich weg [341] bleiben. – im gegentheil kommen die Leute zu mir, und sind von schlechter aufführung, so weis ich nicht, wie ich sie los werde; und oft eine mir sonst nicht unangenehme Person hindert mich an meiner nothwendigen Arbeit. Du bist ein junger Mensch von 22 Jahren; hier ist also keine Ernsthaftigkeit des alters, die einen jungen Bursche, wessen Standes er auch immer seyn mag, – einen avanturier, einen schwenkmacher, – einen Betrüger – er mag alt oder jung seyn abhalten könnte Deine freundschaft und Bekanntschaft zu suchen, um Dich in seine gesellschaft, und dann nach und nach in seine absicht zu ziehen. Man kommt so ganz ohnvermerkt hinein, und weis alsdann nicht mehr zurück. Vom frauenzimmer will ich gar nicht einmal sprechen, denn da braucht es die grösste zurückhaltung und alle Vernunft, da die Natur selbst unser feind ist, und wer da zur nötigen zurückhaltung nicht aller seiner vernunft aufbiethet, wird sie alsdann umsonst anstrengen sich aus dem Labirinth herauszuhelfen; ein unglück, das sich meistens erst mit dem Todt endet. Wie Blind man aber oft durch anfangs nichts zu bedeuten habende scherze, schmeicheleyen, Spasse rx: anlauffen kann, darüber sich die nach der Hand erwachende vernunft schämt, magst Du vielleicht selbst schon ein wenig erfahren haben; ich will Dir keinen vorwurf machen. Ich weis, daß Du mich nicht allein als Deinen vatter, sondern auch als Deinen gewisesten und sichersten freund liebest; daß Du weist und einsiehest, daß unser glück und unglück, ja mein Längeres Leben, oder auch mein baldiger Todt, nächst gott so zu sagen in Deinen Händen ist. Wenn ich Dich kenne; so hab ich nichts als vergnügen zu hoffen: welches mich in Deiner abwesenheit, da ich der vättert: freude Dich zu hören, Dich zu sehen und zu umarmen beraubet bin, alleine noch trösten muß. Lebe als ein guter Catholischer Christ, Liebe und förchte gott, Bethe mit andacht und vertrauen zu ihm mit voller Iñbrunst, und führe einen so Christl: Lebenswandl, daß, wenn ich Dich nicht mehr sehen sollte, meine Todesstund nicht angstvoll seyn möge. Ich gieb Dir von Herzen den vättert: Seegen, und bin bis in Todt Dein getreuer vatter und sicherster freund

Leopold Mozart


[342] Hier sind unsere Pariser Bekanntschaften, die Dich alle mit freuden sehen werden. sonderheitl: must Du der Mme la Ducesse de Bourbon, ehemalig Mademoiselle aufwarten.


Verzeichniß unserer damahligen bekannten und ihrer damaligen Wohnplätze.

Mr Grimm. Ruë neuve Luxembourg.

Mr de Bourgade. Ruë St: Honoré, prez la place Vendome. Dieser war uns sehr gut, gab uns viel Louisd'or, da er uns oft zu seinen kleinen musiken kommen ließ. er ist ein Fermier gewes: Er hat Brüder die uns auch sehr gut waren, einer derselben hatte eine hüpsche frau, die euch sehr liebte.

Mr: l'Abbe de Lory Evêque. gott weis, wo dieser seyn wird.

Mr: le Comte Rhohan de chabau et son Epoûse. au Place Royale. er hatte damals eine Bande blasinstr:

Mr: de la Bove, conseiller du Parlement. Ruë Louis le grand.

Mdme La Marquise de Calvißon, et

Mdme de Caze sa Sœur – bey diesen 2Damen wars, wo dlfn locuwlotlr beym Soupé lfnln kelfnln imrz9 hören ließ.

Mr: De la Live, Introducteur des Ambaßadeurs. zwischen den obigen 2Damen und diesem de la Live finde geschrieben: au chateau du Coq, prez la Chaußée d' Antin. ich weis nun nicht ist diese Wohnung für die ersten, oder den letzten gemeint. ich glaub für die Damen.

Mr de la Ferté, Intendant de menu de plaisir du Roy. Ruë Louis le grand.

Mr: de Civrac et Madame. à l'Hôtel de Mortemart Ruë St: Guillaume Fauxbourg St: Germain.

Mr: de Glatigny, Conseiler du Parlement et sa Femme.

[343] Mdmede Manchon, femme du Pre sident du Parlement.

Mdme de Champagne.

Mr de Moutblin, conseiller du Parlement.

Mr: de Sauvigny, Intendant du Paris et son Fils. Ruë de Vendome au Marais.

Mdme La Duchesse d' Enville. Mr: Le Vicomte chabo e sa femme la Fille de la Ducesse d'Enville

Mdme de Boulogne, Ruë St: Honoré, vis à vis les Jacobins. Mr: Pernon Tresorier.

Mr: de Sartine, dortmals Lieutenant general de Police. itzt ist er erster Minister von derMarine. seine Frau und er liebten uns sehr, er erlaubte die 2 Concert. gab uns sein Portrait in Kupfer. sie spielt Clavier.

Mr: Le Duc de Chartre, Fils de Mgr le Duc D'orleans. der uns zweymal zu seiner schwester der Mademoiselle D'orleans ins Kloster geführt, bey der Paisible als ein Knab violinspieler war. Die Mademoiselle d'orleans ist itzt Madame la Ducesse de Bourbon. Sie hat Dir dort ein KleinesClavierstück dediciert.


Mr: de Lugeac, Lieutenant general des Armées du Roy. Ruë Tourenne.

Mr: et Madme de la Requiere.

Mr: Le Comte de Montrevel.

Mr: de Bußy.

Mr: de Carmontel. der eure Portrait gemahlt hat, die in Kupfer sind.

Mr: de Bentheim dieser war öfter bey Baron Bache.

Mr: D' Epersenne Maître des Requetes.

Mr: D' Hebert Tresorier de Menu plaisir de Roy et sa femme. Dieser hat dir die goldene Tabattier und die 50 Louisd'or vom König eingehändiget. wir haben ihn auch auf seinem Landhaus und garten besucht, wo Ringelstechen, schützen und allerhand spiel waren.

[344] Mr: Le Comte de L'aigle et sa Femme.

Mr: Le President de Ronay. Ruë Culture St: Catharine. vis à vis les filles bleus.

Mr: Le Duc D' aumon.

Mr: Le Marquis de Durfort.

Madme D'Epinay et sa fille. Ruë Richelieu.

Messrs Tourton et Baur. Baquiers au Place de Victoire

Prince Louis de Rohan, Coadiuteur de Strasbourg.

Prince de Condé.

Marquis de Castries.

Le Prince Conti.

Mdme la Comtesse de Teßé e son Epouse

Le Duc d' ayas son Pere.

La Princesse Carrignon.

La Princesse de Brancars.

Le Comte Dansivillier.

Msgr Le Prince Conti. au Temple.

Mdme La Duchesse d'œguillon. Ruë de l'université Fauxbourg St: Germain.

Mdme La Comtesse d'Egmont. en son Hôtel Ruë de Louis le grand.

Mdme La Comtesse de Lillebonne. Ruë de l'université

Mdme de St: Julien. ruë neuve de petit champ.

Mr: Le Comte de Maillebois. ruë Richelieu prez la ruë St: Marc.

Mdme La Ducesse de Mazarin, fille de Duc Duras. ruë de Bourbon fauxbourg St: germain.

Mdme La Princesse de Robeck, Le Prince son Mari et son frere. ruë de regard faubourg St: germain.

Mdme La Comtesse de Wall. ruë vaugirard.

Prince de Turenne e la Princesse.

Mr. Le General Montacette.


[345] Mein Liebes Weib!


Da ihr diesen Brief den 11 oder 12t erhalten werdet, und ich zweiflen muß ob noch ein schreiben den Wolfg: in Mannheim antreffen wird, so will ich mich durch diesen Einschluß bey ihm Beurlauben! ich schreibe dieses mit weinenden augen. Die Nannerl Küsset den Wolfg: ihren lieben Bruder million mahl. Sie hätte etwas in meinen Brief hineingeschrieben, und sich beurlaubt: allein, der Brief war zu voll geschrieben, und ich hab ihn ihr auch nicht lesen lassen. wir bitten den Wolfg: auf seine gesundheit obacht zu geben, und bey seiner zu Hause gewohnten diäte zu bleiben; sonst heist in Paris gleich aderlassen, alles hitzige ist ohne hin sein feind. Er wird das grosse lateinische gebettbuch wohl mitnehmen, wo alle Psalmen in dem grossen unser lieben Frau officio darinn sind. wenn er das deutsche unser lieben Frau officio in Manheim kaufen wollte, um es auf deutsch zu haben, so müsste er den aller kleinsten format zu bekommen suchen, denn die lateinischen Psalmen sind hart zu verstehen; damit ers auch deutsch hätte. in dem Concert Spirituelle werden auch Künstlich geschriebene Contrapunct Psalmen producirt; womit man sich in grossen Ruf bringen kann = vielleicht würde er da auch sein Misericordias aufführen können. die operisten kommen nicht; sie sind dafür nach Straubing zu den öfter: officieren gegangen. Der fürst hat dem Magistrat abermahl 9 bälle aufgedrungen, gestern war der erste und hatte 30 Personen; dauerte bis halbe 2 uhr, und es war um halbe 10 uhr noch keine Seele, man fieng erst um 10 uhr zu danzen an: 1 Capaun und 6 Kandl wein wurden verzehrt. hoffe ihr habt die 2 Sonaten auf 4 Hände, die Fischerischen Variat: und das Rondò in einem Briefpaquet erhalten? – – der hl: adlgasser seel: hat in der Ewigkeit keinen guten Calcanten gefunden: der alte Dom Calcant der 80 jahrige Thomas ist ihm auch in die Ewigkeit nachgefolgt. Die grösste Neuigkeit ist, daß Mme Barisani mit ihrem ehrlichen alten Mann in eine erstaunliche Eifersucht gerathen, weil er und derChecco einige mahl abends zum schönen Freysauf, der die hüpschere, aber geistlose frau hat, auf ein spiel gegangen. Es [346] war ein erstaunl: Lermen. lebe wohl wir Kissen euch millionmahl

Mzt


alles empf: sich, sondhl: hl: Bullinger etc und die wachtmeisters Cleßirin, Mölk-Waberl etc:

Fußnoten

1 Auflösung der Chiffren: schuldig bin, und mit meinem monatlichen einnahme nicht weis, wie nun mich, die mama und deine schwester unterhalten


2 dem firsten nicht einen Kreuzer zu hoffen habe.


3 monatlichem gewissen einkommen unterhalt zu verschaffen


4 auszuhalten


5 schulden zu leben:


6 ich niemahlen in schulden als izt.


7 Auflösung der Chiffren: seinen und der seinigen unterhalt. nicht herausbringt.


8 etwas einzunehmen.


9 Auflösung der Chiffren: deine schwester beymSoupé einen kleinen furz


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 347.
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