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Salzb: den 16t febr: 1778.


Mein liebes Weib, und mein lieber Sohn!


Euer schreiben vom 7t febr: samt der beygefügten französischen Arie habe richtig erhalten: so wie Du meinen in angst und schmerz geschriebenen vom 12t bey handen haben wirst. Ich hatte gestern einen Brief angefangen, den ich aber heute auszuschreiben nicht im Stande bin: ich erspare ihn für einen anderen Post-tag. Die beygeschlossene Arie machte mich wieder etwas leichter schnauben, da ich wieder etwas von meinem lieben Wolfgang sahe; und so was vortrefliches, welches mich überzeugte, daß er sehr muß aufgeredet worden seyn ein schwermendes Leben dem, in einer so berühmten und für Talente so vorteilhaften Statt, zu erjagenden Ruhme vorzuziehen. Jederman hat recht daß Deine Composition in Paris sehr gefahlen wird: und Du selbst (wie ich) bist überzeugt, daß Du alle Compositionsarten nachzuahmen im Stande bist. Daß Du mit der bewusten gesellschaft nicht gereiset; ist recht gethann: allein Du sahest dmo bsol dfolr Alnoculn2 längst ein; und hattest kein vertrauen in so langer Zeit, als Du diese Blkmñtocumit3 hast, auf Deinen für Dich so sorgfältigen vatter, ihm solches zu schreiben und seinen Rath zu hören: und (erschröklich) Deine Mutter that es auch nicht. Mein Sohn! in allen Deinen Sachen bist Du hitzig und gähe! Du hast von Deiner Kindheit und Knabenjahre an nun Deinen ganzen Carakter geändert. Als Kind und Knab warest Du mehr ernsthaft als kindisch, und wenn Du beym Clavier fassest oder sonst mit Musik zu thun hattest; so durfte sich niemand unterstehen Dir den mindesten Spaß zu machen. ia Du warest selbst in Deiner gesichtsbildung so ernsthaft, daß viele Einsichtsvolle Personen in verschiedenen Ländern wegen dem zu frühe auskäumenden Talente und Deiner immer ernsthaft nachdenkenden Gesichtsbildung für Dein langes leben besorgt waren. Itzt aber bist du, wie mir scheint, zu voreilig iedem in spasshaften [362] Ton auf die erste herausforderung zu antworten – und das ist dann schon der erste schritt zur familiarität x: die man bey dieser Welt nicht viel suchen muß, wenn man seinen Respect erhalten will. Wenn man ein gutes Herz hat, so ist man freilich frey und natürlich sich herauszulassen gewohnt: allein das ist gefehlt. Und eben Dein gutes Herz ist es, welches macht, daß Du an einem Menschen, der Dich wacker lobet, der Dich hochschätzet und bis in den Himmel erhebet, keinen fehler mehr siehest, ihm all Deine vertraulichkeit und Liebe schenkest: wo Du als ein Knab die übertriebene Bescheidenheit hattest. gar zu weinen, wenn man Dich zu sehr lobte. Die gröste Kunst ist sich selbst kennen zu lernen, und dann mein lieber Sohn, mache es, wie ich, und studiere andere Leute recht können zu lernen. Du weist, daß dieß immer mein Studium war, und es ist gewiß ein schönes, nützliches, ia nothwendiges Studium. Wegen dem Lectiongeben in Paris hast Du Dich nichts zu bekümmern. erstlich. wird niemand so gleich seinen Meister abdanken und Dich rufen. zweytens. würde es niemand wagen, und Du niemand nehmen, als etwa eine Dame, die schon gut spielt, um von Dir einen gusto zu lernen; und würde das so eine arbeit für gute Bezahlung seyn: würdest du nicht die gräfin von Lizau, und die gräfin Lodron um 2 oder 3 Louisd'or das monat für 2 oder 3 Lectionen die Woche mit vergnügen genohmen haben. Da dann solche Damen sich noch oben darein alle Mühe geben, für Deine Composition Subscribenten zu sammeln. Die Damen machen alles in Paris. – und sind grosse Liebhaberinen fürs Clavier, und es giebt viele, die treflich spielen. – Diese sind Deine Leute: und die Composition; da Du mit Herausgebung von Claviersachen. – Violinquartetten x: Sinfonien. und dann auch einer Sammlung guter Franz: Arien mit dem Clavier, wie Du mir geschickt: und endlich mit opern, geld und Ruhm machen kannst. – was findest Du für einen Anstand? – – bey Dir soll alles den Augenblicke schon geschehen seyn, bevor man Dich einmahl gesehen oder etwas von Dir gehört hat. – Lese das grosse verzeichniß unserer damaligen Bekanntschaften in Paris – Es sind alle – oder doch die [363] meisten, die grösten Leute dieser Stadt. alle werden Dich itzt mit begierde wieder sehen: und sind nur sechs Personen darunter, (ia eine einzige der grossen ist genug) die sich Deiner annehmen, so machst Du was Du willst. die verlangten Arien für die Me Weber werde schreiben lassen, und was finde schicken, es kann aber nur durch den Postweg am geschwindesten den 23t geschehen. Hier schlüsse 2 offene presentations-schreiben ein, die ihr wohl verwahren, und dann in Paris dem h: Joseph Felix Arbaur dem grossen gallanteriehändler präsentiren müsst. Mr. Mayer ist des erstern Comissionaire, wo graf Wolfegg seine Wohnung hatte. heut geht der rechte Brief schon nach Paris, wo alles umständlich wegen der Wohnung x: dariñ ist, diese Briefe sind nur, damit man weis, daß ihr diejenigen seid, für die mañ die Anstalten gemacht hat. Ich muß schlüssen, die Nannerl und ich küssen euch 1000000 mahl und bin sammt ihr euer getreuer Mann und vatter

Mzt.


Der Cammerdiener vom Fürst Breuner Martini grassl ist heut begraben worden, und wolfg: wird sich erinnern, daß er ihm ein Waldhornstückl gemacht. Krieg über Krieg! keine Tafel bey Hof mehr! in neuen gebaude beym garten des Erzbischofes draussen, sind 2 fensterstöck gestohlen, und vieles nächtlicher zeit zugrund gerichtet worden.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 7. Februar.


2 Auflösung der Chiffren: das böse diser Menschen


3 Bekanntschaft


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 364.
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