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Wienn den 21 Julij 1773.


Als wir in Wienn ankamen war die alte frau fischerin2 eben beym nacht essen, denn sie essen um 6 uhr: ihre tochter und schwiegersohn waren un badnerbade, und kahmen erst am Montage den 19ten nach Hause. Sie wuste kein wort von unserer Ankunft, denn der Brief war an ihre tochter geschrieben, und lag noch ohneröffnet da, weil sie noch keine gelegenheit hatte ihn ihr zu zuschicken. übrigens war die alte frau erstaunlich erfreut uns zu sehen, und war ihr nur Leid, daß ihr nicht auch mit uns gekommen. Die alte und junge frau empfehlen sich, und wünschen euch sammt uns beyden zum Nahmenstage 100000 Glück; wir werden auf der Landstrasse3 Euer Grosse gesundheit trincken und den Nahmenstag Celebrieren. wir haben bey dem h: fischer schöne zimmer und alle nothwendigkeit, und die Mdßle baberl hat ein schönes glück gemacht, denn, nebst deme daß sie den besten Mann hat, der zwar ein Kupferschmied, aber ein recht seiner und vernünftiger Mann ist; so hat er ihr alsogleich seine beyden Häuser, und die Handwerksgerechtigkeit verschrieben und angehayrathet, um 600 f granaten und Perl gekauft, viele Ring gegeben, und 14 tag nach der Hochzeit sein Testament gemacht, wo dann all sein betrechtliches vermögen ihr zukommt. Daß aber sein vermögen betrechtlich ist, kann man daraus schlüssen, weil er das Handwerk verkauffen und von seinen Mitteln leben will und kann. kurz, sie haben beyde, Mutter und tochter, einen wahren vatter an diesem Mann. H: Dr Bernhard wohnt in dem Hause seiner neuen frau, die vorige ist gestorben. Am Sontag haben wir beym kleinen Messmer4 gespeist in Gesellschaft des h: v Heufelds. Niemand kannte den Wolfg: dann ich liess ihn allzeit allein hineingehen. Du kannst [151] Dir die freude auf der Landstrasse nicht vorstellen, die sie hatten, uns zu sehen, und aller Orten x: Die frl: franzl traffen wir im bette an, sie ist wirk: zimlich abgemergelt; und noch eine solche krankheit, so ist sie weg! h. v Bosch ist in Brünn bey der Kriegs Canzley angestellt. Die Mutter der Made v Messmer ist todt. sie hat die nutznüssung vom ganzen vermögen, kan aber weder Häuser verkaufen noch Capitalien angreifen. Es ist noch alles wohl auf und lustig. h. v Messmer, wo wir am M ontage speisten, spielte uns auf der Harmonica, oder dem Glas Instrument der Miß Devis, und recht gut! es hat ihn das Instrument bey 50 Duccatten gekostet. denn es ist recht schön gemacht. Der Garten ist unvergleichlich mitprospecten und Statuen, Teater, Voglhauß, Taubenschläg, und in der höhe ein Belvedere in den brater hinüber. wir speisten samstag abends schon da, auch Montag abends. Alle empf: sich, die Sepperl will noch immer Hayrat stiften, und ist der alte Wisch-wasch, der Junge geist: Messmer ist nach schwaben auf eine Pfarre gekommen. Der P: Bauer die KöchinJeanin und das alte Mensch, wie auch das Stubenmensch sind noch alle da, wie auch die fr: v greiner x: Steigendesch, Grill, v Brean, alles empfehlt sich. Des letztern frau habe noch nicht gesehen, sie sagen aber, sie sey garstig. Des Brean schwester hat vor 14 tägen endlich ihren alten Coridon gehayrat. Am Dienstage speisten wir – – – wo? – – bey Sgr. Porta. Er Lued einen von h: von Mayr auch da zu ein um uns einem guten freund bekannt zu machen, der im Mayrischen Hause alles gilt, und heute nachmittag waren wir auch bey h: v Mayr mit freude und Höflichkeit aufgenommen. Ich muß schlüssen, dann es ist zeit noch ein paar Zeihlen an den jungen h. v Andretter5 zu schreiben und den Anfang der Final Musik zu schicken. unsre Empf: an alle gute freund x: wir Küssen euch vil 10000000 mahl und bin der alte

Mzt

Fußnoten

1 Die Wiener und Münchener Briefe sind ebenfalls an die Gattin und Tochter nach Salzburg gerichtet.


2 Die in diesen Briefen genannten Familien waren alte Wiener Bekannte der Mozarts.


3 Hier wohnte auch die Familie Dr. Anton Meßmer. die mit Mozarts besonders befreundet war.


4 Wohl der Vetter Dr. Anton Meßmers, der Schuldirektor.


5 Ein Sohn des mit Mozarts befreundeten Salzburger Hofkriegsrats I. Ernst von Antretter.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 152.
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