82. [Augsburg, 17.-18. Oktober 1777]

[89] Mon très cher Père!


Nun muß ich gleich bey die steinischen Piano forte anfangen. Ehe ich noch vom stein seiner arbeit etwas gesehen habe, waren mir die spättischen Clavier1 die liebsten; nun muß ich aber den steinischen den vorzug lassen; denn sie dämpfen noch viell besser, als die Regensburger. wenn ich starck anschlage, ich mag den finger liegen lassen, oder aufheben, so ist halt der ton in dem augenblick vorbey, da ich ihn hören ließ. ich mag an die Claves kommen wie ich will, so wird der ton immer gleich seyn. er wird nicht schebern, er wird nicht stärcker, nicht schwächer gehen, oder gar ausbleiben; mit einem wort, es ist alles gleich. es ist wahr, er giebt so ein Piano forte nicht unter 300 fl: aber seine Mühe und fleiß die er anwendet, ist nicht zu bezahlen. seine instrumente haben besonders das vor andern eigen, daß sie mit auslösung gemacht sind. Da giebt sich der hundertste nicht damit ab. aber ohne auslösung ist es halt nicht möglich daß ein Piano forte nicht schebere oder nachklinge; seine hämmert, wen man die Claves anspielt, fallen, in den augenblick da sie an die saiten hinauf springen, wieder herab, man mag den Claves liegen lassen oder auslassen. wen er ein solch Clavier fertig hat, (wie er mir selbst sagte), so sezt er sich erst hin, und Probirt allerley Pasagen, läuse und springe, und schabt und arbeitet so lange bis das Clavier alles thut. denn er arbeitet nur zum Nuzen der Musique, und nicht seines nuzens wegen allein, sonst würde er gleich fertig seyn. Er sagt oft, wenn ich nicht selbst ein so Passionirter liebhaber der Musick wäre, und nicht selbst etwas weniges auf dem Clavier könnte, so hätte ich gewis schon längst die gedult bey meiner arbeit verloren; allein ich bin halt ein liebhaber vom instrumenten die den spieller nicht ansezen, und die dauerhaft sind. seine Clavier sind auch wircklich von dauer. Er steht gut davor daß der Raisonance-boden nicht bricht, und nicht springt. wenn er einen Raisonance-boden zu einem Clavier fertig hat, so stellt er ihn in die lust, Regen, schnee, sonnenhitze, und allen Teufel, [90] damit er zerspringt, und dann legt er span ein, und leimt sie hinein damit er recht starck und fest wird. er ist völlig froh wenn er springt; man ist halt hernach versichert daß ihm nichts mehr geschieht. er schneidet gar oftselbst hinein, und leimmt ihn wieder zu, und befestiget ihn recht. er hat drey solche Piano forte fertig. ich habe erst heut wieder darauf gespiellet. Wir haben heut als den 17ten beym jungen h: gassner gespeiset, der von einer jungen schönen frau, ein junger hübscher wittber ist. sie waren erst 2 jahr mit einander verheyrathet. er ist ein rechter brafer höflicher junger Mann. Mañ tractierte uns köstlich. es speiste auch da ein Colege vom h: Abbé Henri, bullinger, und wishofer, ein Ex-jesuit, welcher dermalen hier in Dom Capell Meister ist. er kennt den hr: schachtner2 gar gut, er war zu lngolstadt sein Chor-regent. er heistPater Gerbl. ich soll ein Compliment an h: schachtner von ihm schreiben. Hr: gaffner und eine von seinen Madelle schwägerinen, Mama, ich, und unser bäsle giengen nach tisch zum h: stein. Um.; uhr kamm der h: Capellmeister und h: schmittbauer, organist zu s: ulrich, ein glatter alter brafer Mann auch nach; und da spielte ich just eine sonate Prima vista vom Beeché, die ziemlich schwer war, miserable al solito; was sich da der h: Capellmeister und organist verkreuzigte, ist nicht zu beschreiben. ich habe hier und in München schon alle meine 6 Sonaten recht oft auswendig gespiellt. die 5te usg habe ich in der vornehmen bauernstube accademie gespiellet. die lezteex D kommt auf die Pianoforte vom stein unvergleichlich heraus. die Machine wo man mit dem knie drückt, ist auch bey ihm besser gemacht, als bey den andern. ich darf es kaum anrühren, so geht es schon; und so bald man das knie nur ein wenig wegthut, so hört man nicht den mindesten nachklang. Nun morgen komme ich vielleicht auf seine orgeln – – das heist, ich komme darüber zu schreiben; und auf die lezt sparre ich mir seine kleine tochter. Als ich h: stein sagte ich möchte gern auf seiner orgl spielten, denn die orgl seye meine Passion; so verwunderte er sich groß, und sagte: was, ein solcher Mann wie sie, ein solcher grosser Clavierist will auf einem instrument spiellen, wo keine douceur, kein Expression, [91] keinpiano, noch forte, statt findet, sondern immer gleich fortgehet? – – Das hat alles nichts zu bedeuten. Dieorgl ist doch in meinen augen und ohren der könig aller jnstrumenten.

Nu, meinet-wegen. wir giengen halt mit einander. ich merckte schon aus seinen discoursen so, daß er glaubte ich würde nicht viell auf seiner orgl machen; ich würde par Exemple völlig claviermäßig spielten. er erzählte mir, er hätte auch Choberten3 auf sein verlangen auf die orgl geführt, und es war mir schon bange, sagte er, dan Chobert sagte es allen leuten, und die kirche war ziemlich voll; dann ich glaubte halt, der Mensch wird voll geist, feuer und geschwindigkeit seyn, und das nimmt sich nicht aus auf derorgl; aber wie er anfieng war ich gleich andrer Meynung. ich sagte nichts als dieß. was glauben sie, h: stein, werde ich herumlaufen auf der orgl? – – ach sie, daß ist ganz was anders. Wir kammen auf den Chor. ich fieng zu Präludiren an, da lachte er schon, dann eine fuge. Das glaube ich, sagte er, daß sie gerne orgl spielten; wenn man so spiellt – – vom anfang war mir das Pedal ein wenig fremd, weil es nicht gebrochen war. es fing C an, dann d e in einer reihe. bey uns ist aber D und E oben, wie hier E ~ und f €. ich kamm aber gleich drein. ich war auch zu S: Ulrich auf der alten orgl. die stiege ist was abscheuliches. ich bat es möchte mir auch wer drauf spielten, ich möchte hinabgehen, und zuhören, dann oben macht die orgl gar keinen Effect. ich namm aber nichts aus, dann der junge Regens chori ein geistlicher mach läuffe auf der orgl herum, daß man nichts verstand. und wenn er Harmonien machen wollte, waren es lauter disharmonien. dann es stimmte nicht recht. wir musten hernach in ein gastzimmer, dann meine Mama und base, und h: stein war auch dabey. ein gewisser P: Emilian ein hofärtiger Esel und ein einfältiger wizling seiner Profession war gar herzig. er wollte immer seinen spaß mit der bäsle haben, sie hatte aber ihren spaß mit ihm – – endlich als er rauschig war (welches bald erfolgte) fieng er von der Musick an. er sang einenCanon, und sagte ich habe in meinem leben nichts schöners gehört. ich sagte, mir ist leid, ich kann nicht mitsingen, dann [92] ich kann von Natur aus nicht intoniren. Daß thut nichts, sagte er. er fing an. ich war der Dritte. ich machte aber einen ganz andern Tert drauf,P: e: o du schwanz du, leck Du mich im arsch. sotto voce: zu meiner base. Dann lachten wir wieder eine halbe stunde. er sagte zu mir. wenn wir nur länger beysamm seyn könnten, ich möchte mit ihnen von der sezkunst discuriren. Da würden wir bald ausdiscurirt haben, sagte ich. schmecks kropfeter. Die fortsezung nächstens.

W: A. Mozart.4

Fußnoten

1 Instrumente des angesehenen Flügelbauers Spath.


2 Joh. Andr. Schachtner, Hoftrompeter in Salzburg, ein guter Bekannter Mozarts.


3 Schobert (s. auch den Brief des Vaters vom 1. Februar 1764).


4 Antwort des Vaters: 23. Oktober.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 93.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Agrippina. Trauerspiel

Agrippina. Trauerspiel

Im Kampf um die Macht in Rom ist jedes Mittel recht: Intrige, Betrug und Inzest. Schließlich läßt Nero seine Mutter Agrippina erschlagen und ihren zuckenden Körper mit Messern durchbohren. Neben Epicharis ist Agrippina das zweite Nero-Drama Daniel Casper von Lohensteins.

142 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon