205.

[140] vienne ce 15 de Decbre

1781.


Mon très cher Père!


diesen augenblick erhalte ich ihr schreiben vom 12ten – durch hl: v: Daubrawaick werden sie diesen brief, die uhr, die Münchner opera, die 6 gestochenen Sonaten, die Sonate auf 2 klavier, und die Cadenzen erhalten. – wegen der Prinzessin vom Würtenberg und mir ist es schon vorbey; der kayser hat es mir verdorben, denn bey ihm ist nichts als Salieri. – Der Erzherzog Maximilian hat ihr Mich angetragen; – sie hat ihm geantwortet; wenn es auf sie angekommen wäre, so hätte sie nie keinen andern genommen. aber der kayser hätte ihr den Salieri angetragen; wegen dem Singen. es wäre ihr recht leid. wegen dem was sie vom Würtenbergischen hause und ihnen geschrieben haben, ist nicht ohnmöglich daß es mir vieleicht dienen könnte. –

liebster vatter! sie fordern von mir die erklärung der Worte die ich zu Ende meines lezten briefes hingeschrieben habe! – O wie gerne hätte ich ihnen nicht längst mein Herz eröfnet; aber der vorwurf welchen sie mir hätten machen können, auf so was zur unzeit zu denken, hielte mich davon ab – obwohlen denken niemalen zur unzeit seyn kann. – Mein bestreben ist unterdessen etwas wenig gewisses hier zu haben – dann lässt es sich mit der hülfe des unsichern ganz gut hier leben; – und dann – zu heyrathen! – sie erschröcken vor diesen gedanken? – ich bitte sie aber, liebster, bester vatter, hören sie mich an! – Ich habe ihnen mein anliegen [140] entdecken müssen, nun erlauben sie auch daß ich ihnen meine ursachen und zwar sehr gegründete ursachen entdecke. Die Natur spricht in mir so laut, wie in Jedem andern, und vieleicht lauter als in Manchem grossen, starken limmel. Ich kann ohnmöglich so leben wie die Meisten dermaligen Jungen leute. – Erstens habe ich zu viel Religion, zweytens zu viel liebe des Nächstens und zu Ehrliche gesinnungen als daß ich ein unschuldiges Mädchen anführen könnte, und drittens zu viel grauen und Eckel, scheu und forcht vor die krankheiten, und zu viel liebe zu meiner gesundheit als daß ich mich mit hurren herum balgen könnte. dahero kann ich auch schwören daß ich noch mit keiner frauens-Person auf diese art etwas zu thun gehabt habe. – denn wenn es geschehen wäre, so würde ich es ihnen auch nicht verheelen, denn, fehlen ist doch immer dem Menschen Natürlich genug, und einmal zu fehlen wäre auch nur blosse schwachheit, – obwohlen ich mir nicht zu versprechen getrauete, daß ich es bey ein mal fehlen bewenden lassen würde, wenn ich in diesem Punckt ein einzigesmal fehlete. – darauf aber kann ich leben und sterben. ich weis wohl daß diese ursache (so stark sie immer ist) doch nicht erheblich genug dazu ist – Mein temperament aber. welches mehr zum ruhigen und häuslichen leben als zum lärmen geneigt ist – ich der von Jugend auf niemalen gewohnt war auf meine sachen, was Wäsche, kleidung und E: anbelangt, acht zu haben – kann mir nichts nöthigers denken als eine frau. – Ich versichere sie, was ich nicht unützes öfters ausgebe, weil ich auf nichts acht habe. – ich bin ganz überzeugt, daß ich mit einer frau (mit dem nämlichen einkommen, daß ich allein habe) besser auskommen werde, als so. – und wie viele unütze ausgaben fallen nicht weg? – man bekommt wieder andere dafür, das ist wahr, allein – man weis sie, kann sich darauf richten, und mit einem Worte, man führt ein ordentliches leben. – ein lediger Mensch lebt in meinen augen nur halb. – ich hab halt solche augen, ich kann nicht dafür. – ich habe es genug überlegt und bedacht – ich muß doch immer so denken. Nun aber wer ist der gegenstand meiner liebe? – erschröcken sie auch da nicht, ich bitte sie; – doch nicht eine Weberische? – Ja eine Weberische – aber [141] nicht Josepha – nicht Sophie – sondern Costanca; die Mittelste. – Ich habe in keiner famille solche ungleichheit der gemüther angetroffen wie in dieser. – Die Älteste ist eine faule, grobe, falsche Persoñ, die es dick hinter den ohren hat. – Die Langin1 ist eine falsche, schlechtdenkende Persoñ, und eine Coquette. – Die Jüngste – ist noch zu Jung um etwas seyn zu können. – ist nichts als ein gutes aber zu leichtsinniges geschöpf! gott möge sie vor verführung bewahren. – Die Mittelste aber, nemlich meine gute, liebe konstanze ist – die Marterin darunter, und eben deswegen vieleicht die gutherzigste, geschickteste und mit einem worte die beste darunter. – die nimmt sich um alles im hause an – und kann doch nichts recht thun. o Mein bester vatter, ich könnte ganze Bögen voll schreiben, wenn ich ihnen all die austritte beschreiben sollte, die mit uns beyden in diesem hause vorgegangen sind. wenn sie es aber verlangen, werde ich es im Nächsten briefe thun. – bevor ich ihnen von meinem gewäsche frey mache, muß ich ihnen doch noch näher mit dem karaekler meiner liebsten konstanze bekannt machen. – sie ist nicht hässlich, aber auch nichts weniger als schön. – ihre ganze schönheit besteht, in zwey kleinen schwarzen augen, und in einem schönen Wachsthum. sie hat keinen Witz, aber gesunden Menschenverstand genug, um ihre Pflichten als eine frau und Muter erfüllen zu können. sie ist nicht zum aufwand geneigt, das ist grundfalsch. – im gegentheil ist sie gewohnt schlecht gekleidet zu seyn. – denn, das wenige was die Muter ihren kindern hat thun können, hat sie den zwey andern gethan, ihr aber niemalen. – Das ist wahr, daß sie gern Nett und reinlich, aber nicht propre gekleidet wäre. – und das Meiste was ein frauenzimmer braucht, kann sie sich selbst machen. und sie frisirt sich auch alle tage selbst. – versteht die hauswirthschaft, hat das beste herz von der Welt – ich liebe sie, und sie liebt mich von herzen? – sagen sie mir ob ich mir eine bessere frau wünschen könnte? –

Das muß ich ihnen noch sagen, daß damals als ichquitirte die liebe noch nicht wahr – sondern erst durch ihre zärtliche sorge und bedienung (als ich im hause wohnte) gebohren wurde. –

[142] Ich wünsche also nichts mehr als daß ich nur etwas weniges sicheres bekomme, (wozu ich auch, gottlob, wirklich hofnung habe), so werde ich nicht nachlassen sie zu bitten, daß ich diese arme erretten – und mich zugleich mit ihr – und ich darf auch sagen, uns alle glücklich machen darf – sie sind es Ja doch auch wenn ich es bin? – und die hälfte von dem sichern was ich bekommen werde, sollen sie genüssen. Mein liebster vatter! – nun habe ich ihnen mein herz eröfnet, und ihnen meine Worte erkläret. – Nun bitte ich sie, mir auch die ihrigen von ihrem lezten brief zu erklären. Du wirst nicht glauben, daß ich einen antrag, der dir gemacht worden, und darauf du, damals als ichs erfuhr, nichts geantwortet, wissen könnte. – da verstehe ich kein Wort davon; ich weis von keinem antrag. – Nun, haben sie Mitleiden mit ihrem Sohne! Ich küsse ihnen 1000mal die hände und bin Ewig

dero gehorsamster

Sohn W: A: Mozart


*2 Ma très chere sœur!


Hier hast Du die 6 gestochenen Sonaten, und die Sonate auf 2 Klaviere, ich wünsche, daß sie Dir gefallen. – Für Dich sind nur viere neu3, die Variationen hat der Copist nicht fertig machen können, mit nächsten werde sie Dir schicken.

Liebe Schwester! – es liegt ein angefangener Brief an Dich neben mir4; weil ich aber dem Papa so viel geschrieben, habe Dir nicht mehr schreiben können; deßwegen bitt' ich Dich, Dich mit diesem Couvert dießmal zu begnügen; und mit nächster Post werde Dir schreiben. Addio, leb wohl, ich küsse Dich 1000 mal und bin ewig

Dein aufrichtiger Bruder

W.A. Mozart.

Fußnoten

1 Aloysia (s. hierzu den Brief vom 10. Mai).


2 Auf dem Briefumschlag.


3 Vgl. hierzu den Brief vom 4. Juli.


4 Der folgende Brief.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 140-143.
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