350. [an die Gattin in Baden bei Wien; Wien, 7. und 8. Oktober 1791]

[350] Freytag um halb 11 Uhr Nacht


Liebstes, bestes Weibchen! –


Eben komme ich von der Oper;1 – Sie war eben so voll wie allzeit. – Das Duetto Mann und Weib etc: und das Glöckchen Spiel im ersten Ackt wurde wie gewöhnlich wiederhollet – auch im 2. Ackt das knaben Terzett – was mich aber am meisten freuet, ist, der Stille beifall! – man sieht recht wie sehr und immer mehr diese Oper steigt. Nun meinen lebenslauf; – gleich nach Deiner Abseeglung Spielte ich mit Hr: von Mozart (der die Oper beim Schickaneder geschrieben hat:) 2 Parthien Billard. – Dann verkauffte ich um 14 Duckaten meinen kleper. – Dann ließ ich mir durch Joseph den Primus rufen und schwarzen koffé hollen, wobey ich eine herrliche Pfeiffe toback schmauchte; dann Instrumentirte ich fast das ganze Rondó vom Stadtler. in dieser zwischenzeit kamm ein brief von Prag vom Stadler; – Die Duschekischen sind alle wohl; – mir scheint Sie muß gar keinen brief von Dir erhalten haben – und doch kann ich es fast nicht glauben! – genug – Sie wissen schon alle die herrliche aufnahme meiner teutschen Oper. – Das sonderbarste dabei ist das den abend als meine neue Oper mit so vielen beifall zum erstenmale aufgeführt wurde, am nemlichen abend in Prag derTito2 zum letzenmale auch mit außerordentlichen beifall aufgeführt worden3. – Der Bedini sang besser als allezeit. – Das Duettchen ex A von die 2 Mädchens wurde wiederhollet – und gerne – hätte man nicht dieMarchetti geschonet – hätte man auch das Rondó repetirt. – Dem Stodla4 wurde (O böhmisches Wunder! – schreibt er) aus dem Parterre und so gar aus dem Orchestre bravo zugerufen. ich hab mich aber auch recht angesetzt, schreibt er; – auch schrieb er (der stodla:) daß ihn ...5 und nun einsehe daß er ein Esel [351] ist – ... versteht sich, nicht der stodla – – der ist nur ein bissel ein Esel, nicht viel – aber der .... – Ja der, der ist ein rechter Esel. – um halb 6 uhr gieng ich beim Stubenthor hinaus – und machte meinen favorit Spaziergang über die Glacis ins Theater – was sehe ich? – was rieche ich? – – Don Primus ist es mit den Carbonadeln!che gusto! – izt esse ich Deine Gesundheit – eben schlägt es 11 uhr; – vieleicht schläfst Du schon? – St! St! St! – ich will Dich nicht aufwecken!

Samstags den 8t. – Du hättest mich gestern beim Nachtessen sehen sollen! – Das alte Tischgeräth habe ich nicht gefunden, folglich habe ich ein schneblümerlweißes hergegeben – und den Dopelten leuchter mit Wachs vor meiner! – Vermög des briefes vom [Stadler] sollen die wälschen schon hier durch seyn – auch hat die Duscheck sicher einen brief von Dir erhalten, denn er schreibt; die affection war sehr mit des Mathies Nachschrift zufrieden, Sie sagte: Der ESEL – oder ESEL gefällt mir so wie er ist. – – treibe den [Süssmayer] daß er für [Stadler] schreibt, denn er hat mich sehr darum gebeten. – Nun wirst du wohl im besten Schwimmen seyn, da ich dieses schreibe. – Der friseur ist accurat um 6 Uhr gekommen – undPrimus hat schon um halb 6 uhr eingefeuret, und mich um 3/4 geweckt. – warum muß es izt eben regnen? – ich hoffte daß Du ein schönes Wetter haben solltest! – halte Dich nur hübsch warm, damit Du Dich nicht erkältest; ich hoffe daß Dir das Baad einen guten Winter machen wird – denn nur dieser Wunsch, daß Du gesund bleiben möchtest, hiess mich Dich antreiben nach Baaden zu gehen. – mir wird izt schon die zeit lang um Dich – das sah ich alles vor. – hätte ich nichts zu thun, so würde ich gleich auf die 8 tage mit Dir hinaus gegangen seyn; – ich habe aber daraus gar keine bequemlichkeit zum arbeiten; – und ich möchte gerne, so viel möglich, aller Verlegenheit ausweichen; nichts angenehmers als wenn man etwas ruhig leben kann, deswegen muß man fleissig seyn, und ich bin es gerne. – Dem [Süssmayer! gieb in meinem Namen ein paar tüchtige Ohrfeigen, und lasse ich die [Sophie] A. (welche ich 1000 mal küsse) bitten, ihm ein paar zu geben – laßt ihm nur um gottes willen [352] keinen Mangel leiden! – ich möchte um alles in der Welt heut oder morgen von ihm den Vorwurf nicht haben als hättet ihr ihn nicht gehörig bedienet und verpfleget – gebt ihm lieber mehr schläge als zu wenig –

gut wär es, wenn ihr ihm einen krebsen an die Nase zwiktet, ein Aug ausschlüget, oder sonst eine sichtbare Wunde verursachtet, damit der kerl nicht einmal das, was er von euch empfangen, abläugnen kann; –adieu liebes Weibchen! – der Wagen will abfahren. – ich hoffe heut gewis etwas von Dir zu lesen, und in dieser süßen Hofnung küsse ich dich 1000 mal und bin Ewig Dein

Dich liebender Mann

W.A. Mozart.

Fußnoten

1 »Die Zauberflöte«.


2 Erstaufführung am 6. September 1791.


3 Anmerkung Mozarts: alle Stücke sind applaudirt worden.


4 Der Klarinettist Stadler, der in der Titusaufführung mitwirkte.


5 Die von Nissen unleserlich gemachten Wörter könnten vielleicht »Süßmayr« lauten.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 350-353.
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