*351. [an die Gattin in Baden bei Wien; Wien, 8. und 9. Oktober 1791]

[353] Samstags Nachts

um 1/211 Uhr


Liebstes bestes Weibchen!


Mit größten Vergnügen und freude-Gefühle, fand ich bei Zurückkunft aus der Oper deinen Brief; – die Oper1 ist, obwohl Samstag allzeit wegen Posttag ein schlechter Tag ist, mit ganz vollem Theater mit dem gewöhnlichen Beifall und Repetitionen aufgeführt worden; Morgen wird sie nachgegeben, aber Montag wird ausgesetzt – folglich muß Sie2 den Stoll Dienstag herumbringen, wo Sie wieder zum Erstenmahl gegeben wird, ich sage zum Erstenmahl, weil sie vermuthlich wieder etliche mahl nacheinander gegeben wird; itzt habe ich eben ein kostbares Stück Haasen zu Leib genommen, welches mir D. Primus (welcher mein getreuer Kammerdiener ist) gebracht hat, und da mein Apetit heute etwas stark ist, so schüchte ich ihn wieder fort, mir noch etwas wenn es möglich ist zu bringen. – in dieser Zwischenzeit fahre ich also fort dir zu schreiben. – heute [353] früh, habe ich so fleißig geschrieben, daß ich mich bis 1/22 Uhr verspätet habe – lief also in größter Eile zum Hofer (nur um nicht allein zu essen), wo ich die Mama auch antraf. Gleich nach Tisch gieng ich wieder nach Hause und schrieb bis zur Operzeit. Leitgeb bat mich ihn wieder hinein zu führen, und daß that ich auch. Morgen führe ich die Mama hinein; – das Büchel hat ihr schon vorher Hofer zu lesen gegeben. – bei der Mama wirds wohl heißen, die schaut die Oper, aber nicht die hört die Oper. hatten heute eine Loge zeugte über alles recht sehr ihren Beifall, aber Er3, der allerfeind, zeigte so sehr den Bayern, daß ich nicht bleiben konnte, oder ich hätte ihn einen Esel heißen müssen; – Unglückseligerweise war ich eben drinnen als der zweite Ackt anfieng, folglich bei der feyerlichen Scene, er belachte alles; anfangs hatte ich Geduld ihn auf einige Reden aufmerksam machen zu wollen allein er belachte alles; – da wards mir nun zu viel – ich heiß ihn Papageno, und gehe fort – ich glaube aber nicht, daß es der Dalk verstanden hat, ich gieng also in eine andere Loge, worin sich Flamm4 mit seiner frau befand; da hatte ich alles Vergnügen, und da blieb ich bis zu Ende. – nun gieng ich auf das Theater bey der Arie des Papageno mit den Glocken Spiel, weil ich heute so einen Trieb fühlte es selbst zu spielen. – Da machte ich nun den Spaß, wo Schickaneder einemal eine Haltung hat, so machte ich ein arpegio – der erschrak – schaute in die Scene und sah mich – nun hielt er, und wollte gar nicht mehr weiter – ich errieth seine Gedanken, und machte wieder einen accord – dan schlug er auf das Glockenspiel und sagte halts Maul – alles lachte dann – ich glaube, daß viele durch diesen Spaß das erstemahl erfuhren, daß er das Instrument nicht selbst schlägt. übrigens kannst Du nicht glauben wie charmant man die Musik ausnimmt in einer Loge die nahe am Orchester ist viel besser als auf der Gallerie, sobald du zurückkommst, mußt du es versuchen.

Sonntag um 7 frühe. – Ich habe recht gut geschlafen hoffe daß du auch recht gut wirst geschlafen haben. – Ich habe mir ein halbes Kapaundl so mir freund Primus nachgebracht hat, herrlich [354] schmecken lassen. – um 10 Uhr gehe ich zu die Piaristen ins Amt, weil mir Leitgeb gesagt hat daß ich dan mit denDirector sprechen kan. – bleibe auch beim Speisen da.

Primus sagte mir gestern Abends, daß so viele Leute in Baaden krank seyen ist daß wahr? – nimm dich in Acht trau nur der Witterung nicht. – Nun kommt aber Primus mit der Ochsenpost zurück, daß der Wagen heute schon vor 7 Uhr weggefahren ist, und daß bis Nachmittag keiner abgeht, folglich hat also mein Nacht und frühe schreiben nichts genutzt, du bekommst den Brief erst Abends, welches mich sehr verdrießt. – künftigen Sonntag komme ich ganz gewiß hinaus, dan gehen wir alle zusammen auf das Casino und den Montag zusammen nach Hause. –

Lechleitner war schon wieder in der Oper; wenn er schon kein Kenner ist, so ist er doch wenigstens ein rechter Liebhaber das ist aber N: N: nicht – der ist ein wahres Unding. – dem ist ein Dineé lieber. – lebe wohl liebe! – ich küsse Dich millionenmahl und bin ewig dein

Mozart


P.S. Küsse die Sophie in meinem Namen den Siesmay schicke ich ein paar gute Nasenstüber, und einen breiten Schopfbeitler Den Stoll tausendComplimente. Adieu. – Die Stunde schlägt – – lebe wohl! – wir sehen uns wieder5! –

NB Du mußt vermuthlich die 2 paar gelbe Winterhosen zu den Stiefeln in der Wäsch geschickt haben, weil ich und Joseph sie vergebens suchten. – Adieu.

Fußnoten

1 »Die Zauberflöte«.


2 Wohl falsch entziffertes, ausgestrichenes Wort für Süßmayr.


3 Vielleicht Schwingenschuh.


4 Magistratsbeamter.


5 Zitat aus der »Zauberflöte« (No. 19).

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 353-355.
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