163. [an den Vater]

[45] Vienne ce 17 de mars

17801


Mon trés cher amy!


Gestern als den 16ten bin ich gott lob und Dank ganz Mutter seeliger allein in einer Post-chaise hier angekommen; – die stund hätte ich bald vergessen – Morgens um 9 uhr; – bis unter-Haag bin ich mit dem Postwagen gefahren – da hat mich aber mein Arsch und das Jenige woran er henkt, so gebrennt, daß ich es ohnmöglich hätte aushalten können – ich wollte also mit der ordinaire weiter gehen – hl: Escherich aber ein Herschaftlicher Beamter hatte auch an dem Postwagen genug und machte mit mir Compagnie bis in kemmelbach – in kemmelbach wollte ich auf dieordinaire warten, H: Postmeister versicherte mich aber daß er mich ohnmöglich damit fahren zu lassen erlauben könnte, weil hier kein Haupt Postammt ist – mithin mußte ich per extra poste gehen – kamm Donnerstag den 15ten müde wie ein Hund abends um 7 uhr in St: Pölten an – legte mich bis 2 uhr Nachts schlafen, und fuhr dann gerade bis nach Wienn. – Dieses schreib ich – wo? im Messmerischen garten auf der landstrasse2 – die alte gnädige frau ist nicht zu hause – aber die gewesene frl: franzl, nunmehr fr: v: Bosch – welche mir aufgetragen und wirklich aufträgt ihnen und meiner schwester 1000 Empfehlungen zu machen – hören sie ich hätte sie bey meiner Ehre fast nicht mehr gekannt so dick und fett ist sie; – sie hat 3 kinder – 2 freullein, und einen Jungen herrn; – die freulle heist Nannerl, hat vier Jahr, und mañ sollte schwören sie hätte 6 – der Junge herr 3 – und man schwörte er wäre schon 7 alt – und das kind von 3/4 viertl Jahr hielte man gewis für 2 Jahr – so starck und kräftig sind sie am Wachstum. – Nun von Erzbischof – Ich hab ein scharmantes zimmer im nemlichen hause wo der Erzbischof logirt – brunetti und Ceccarelli logiren in einem andern hause – che [45] distinzione! – mein Nachbar ist hl: v: kleinmayern3, – welcher bey meiner ankunft mich mit allen höflichkeiten überhäufte – er ist auch in der that ein Charmante Mann – um 12 uhr zu Mittage – leider für mich ein bischen zu frühe – gehen wir schon zu tische – da speisen die 2 Herrn Herrn leib und Seel kammerdiener, hl: Controleur, hl: Zetti, derzuckerbecker: 2 herrn köche, Ceccarelli, brunetti und – meine Wenigkeit – NB: die 2 herrn leibkammerdiener sitzen oben an – Ich habe doch wenigstens die Ehre vor den köchen zu sitzen – Nu – ich denke halt ich bin in Salzburg – bey tische werden einfältige grobe spasse gemacht; mit mir macht keiner spasse, weil ich kein Wortrede und wenn ich was reden muß, so ist es allzeit mit der grösten seriositet – so wie ich abgespeist habe so gehe ich meines weegs. – abends haben wirkeine tafel, sondern Jeder bekommt 3 Duckaten – da kann einer weit springen. – Der hl: Erzbischof hat die güte und gloriert sich mit seinen leuten – raubt ihnen ihre verdienste – und zahlt sie nicht davor – gestern um 4 uhr haben wir schon Musick gehabt – da waren ganz gewis 20 Persoñen von der grösten Noblesse da –Ceccarelli hat schon beym Balfi4 singen müssen – heute müssen wir zum fürst gallizin5 – der gestern auch da war – izt will ich nur abwarten ob ich nichts bekommt; bekomme ich nichts so gehe ich zum Erzbischof und sage es ihm ganz gerade – wenn er nicht will daß ich was verdienen soll, so soll er mich bezahlen daß ich nicht von meinen geld leben muß; – nun muß ich schliessen, denn in vorbey gehen gieb ich den Brief auf die Post und muß gleich zum fürst gallizin – ich küsse ihnen 1000 mal die Hände und meine schwester umarme ich von herzen und bin Ewig Dero

gehorsamster Sohn

Wolfgang Amadé Mozart


P.S. Rossi6 der Buffo ist hier – bey den fischerischen war ich – die freude kann ich nicht beschreiben die diese leute gehabt haben[46] – das ganze hauß empfiehl sich – nun ich höre in Salzburg giebt es accademien? – Da verliere ich Ja entsetzlich! – Adieu. Meine adresse ist – im teutschen hauß, in der Singerstraff.

Fußnoten

1 Verschrieben für 1781.


2 Eine ausführliche Schilderung dieses Wiener Milieus in den Briefen des Vaters vom 21. Juli 1773 u. ff.


3 Direktor des Hofrats.


4 Graf Palfi, Schwager des Erzbischofs.


5 Russischer Gesandter.


6 Der Darsteller des Belfiore bei der Münchener Aufführung von Mozarts »La finta giardiniera« (1775).

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 45-47.
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