176.

[76] Wienn den 26ten vienne ce 6 de may

1781


Mon très cher Père!


sie haben ganz recht, so wie ich ganz recht habe Mein liebster vatter! – Ich weis und kenne alle meine fehler; aber – kann sich denn ein Mensch nicht bessern? – kann er sich nicht schon wirklich gebessert haben? – Ich mag die sache überdenken wie ich will, so sehe ich – daß ich mir und ihnen, mein bester vatter so wohl als meiner lieben schwester an besten in allem werde behelfen können, wenn ich in Wieñ bleibe. es scheint als wenn mich das glück hier empfangen wollte. – mir ist als wenn ich hier bleiben müsste. – und das war mir schon so als ich von München abreisete. – ich freuete mich ordentlich nach wieñ und wuste nicht warum. – gedult müssen sie noch ein wenig haben, dann werde ich ihnen bald in der that zeigen können, wie nützlich uns allen wieñ ist. – glauben sie sicherlich daß ich mich ganz geändert habe – ich kenne ausser meiner gesundheit nichts Nothwendige rs als das geld; ich bin gewis kein geitzhals – denn, das wäre [76] für mich sehr schwer, ein geitzhals zu werden, und doch halten mich die leute hier mehr zum kalmäusen geneugt als zum verschwenden – und das ist zum anfang immer genug. – wegen den scolaren – kann ich so vielle haben als ich will; ich will aber nicht so viel – ich will besser bezahlt seyn als die andern – und da will ich lieber weniger haben. – man muß sich gleich anfangs ein bischen auf die hintern füsse setzen, sonst hat man auf immer verloren – muß mit den andern immer den algemeinen Weege fortlaufen. wegen der suscription ist es ganz richtig – und wegen der opera wüste ich nicht warum ich zurückhalten sollte?1 – graf Rosenberg2 hat mich, da ich ihn 2mal visite machte, auf die höflichste art empfangen, und hat bey der gräfin thun mit van suiten3 und hl: v: Sonnenfels4 meine opera5 gehört. – Und da – otlpumnf6 mein guter freund ist, so geht alles. glauben sie mir sicher, daß ich nicht den Müssiggang liebe, sondern die arbeit. – in Salzburg, Ja das ist wahr, da hat es mich mühe gekost, und konnte mich fast nicht dazu entschliessen, warum? – weil mein gemüth nicht vergnügt war; sie müssen mir doch selbst gestehen, daß in Salzburg – wenigstens für mich – um keinen kreutzer unterhaltung ist; mit vielen will ich nicht umgehen. – und den meisten andern – bin ich zu schlecht. für mein talent keine aufmunterung! – wenn ich spielle, oder von meinerComposition was aufgeführt wird, so ists als wenn lauter tisch und fesseln die Zuhörer wären. – wenn doch wenigstens ein theater da wäre, das was hiesse. – denn in dem besteht meine ganze unterhaltung hier. – in München, das ist wahr, da hab ich mich wieder willens in ein falsches licht bey ihnen gestellt, da hab ich mich zu viel unterhalten – doch kann ich ihnen bey meiner Ehre schwören7, daß ich bevor die[77] opera in scena war, in kein theater gegangen, und nirgends, als zum Cannabichschen gekommen bin. – Das ich das meiste und stärkste auf die lezt zu machen bekommen habe, ist richtig; aber nicht aus faulheit oder nachlässigkeit – sondern, ich bin 14 täge ohne eine Note zu schreib: gewesen, weil es mir ohnmöglich war – ich hab es freylich geschrieb aber nichts ins reine. – Da ist dann freylich viel zeit verloren. doch reuet es mich nicht; – daß ich hernach zu lustig war, das geschah aus Jugendlicher dummheit; ich dachte mir, wo kömmst du hin? – nach Salzburg! – mithin must du dich letzen! – Das ist gewis daß ich in Salzburg nach 100 unterhaltungen seufze, und hier – nach keiner einzigen. – Denn, in wieñ zu seyn, ist schon unterhaltung genug. vertrauen sie sich sicher auf mich, ich bin kein Narr mehr. – und daß ich ein gottloser, undankbarer Sohn seye, werden sie Ja wohl noch weniger glauben. – mithin vertrauen sie sich ganz auf meinen kopf und mein gutes herz – es wird sie gewis nicht reuen. – wo hätte ich denn das geld schätzen lernen können? – ich habe noch zu wenig unter den händen gehabt. – ich weis daß wie ich einmal 20 duccate gehabt habe, so glaubte ich mich schon reich. – nur die Noth lernt einen das geld schätzen. –

leben sie wohl mein bester, liebster vatter! – meine schuldigkeit ist nun daß ich durch meine Sorge und meinen fleiß hier das gut mache und ersetze, was sie durch diesen vorfall verloren zu haben glauben. – Das werde ich auch gewis, und mit 1000 freuden! – Adieu. ich küsse ihn 1000mal die hände, und meine liebe schwester umarme ich von herzen und bin Ewig

Dero ghorsamst Sohn

Wolfgang Amadè Mozart


P.S. so bald Jemand von des Erzb: seinen leuten nach Salzb. geht, wird das Portrait folgen. – hò fatto fare la sopra scritta d'un altro espressamente, perchè non si può sapere. – es ist keinen schelm zu trauen.

An alle bekannte meine Empfehlung.

Fußnoten

1 S. den Brief vom 19. Mai.


2 Seit 1776 Oberdirektor des Wiener deutschen Theaters.


3 Gottfried van Swieten (1734–1803), Präfekt der Wiener Hofbibliothek, vormals Gesandter am Berliner Hofe, der Gönner Haydns, Mozarts und Beethovens.


4 Josef von Sonnenfels (1733–1817), Universitätsprofessor und Schriftsteller im Sinne der Josephinischen Aufklärung.


5 S. die Briefe vom 18. April und 19. Mai.


6 Auflösung der Chiffren: stephani.


7 Das Folgende bezieht sich auf die Münchener Idomeneoausführung (vgl. hierzu die Münchener Briefe).

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 76-78.
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