175.

[73] vienne ce 19 de may 1781


Mon trés cher Père!


Ich weis auch nicht was ich zu erst schreibe, mein liebster vatter; denn ich kann mich von meinen Erstaunen noch nicht erhohlen, [73] und werde es nie können, wenn sie so zu denken und so zu schreiben fortfahren; – Ich muß ihnen gestehen, daß ich aus keinem einzigen zuge ihres briefes, meinen vatter erkenne! – wohl einen vatter, aber nicht, den Besten, liebvollsten, den für seine eigene und für die Ehre seiner kinder besorgten vatter – mit einem Wort, nicht – meinen vatter; doch, das war alles nur ein traum – sie sind nun erwacht – undhaben gar keine antwort von mir auf ihre Punkte nöthig, um mehr als überzeugt zu seyn, daß ich – nun mehr als Jemals – von meinem Entschluß gar nicht abstehen kann. – doch muß ich, weil meine Ehre und mein karaekler bey einigen stellen, an empfindlichsten angegriffen ist, etwelche Punckte beantworten. – sie können es niemalen gut heissen, daß ich in wieñ Quitirt habe; – Ich glaube, daß wenn man schon lust dazu hat (obwohlen ich es dermalen nicht hatte, denn sonst würd ich es das erstemal gethan haben) so würde es an dem orte an vernünftigsten seyn, wo man gut stehet, und die schönsten aus-sichten von der welt hat. – daß sie es im gesichte des Erzbischofs nicht gut heissen können, ist möglich, aber mir können sie es gar nicht anders als gut heissen; ich kann meine Ehre durch nichts anders retten, als daß ich von meinem Entschluße abstehe? – wie können sie doch so einen wiederspruch fassen. – sie dachten nicht, als sie dieses schrieben, daß ich durch einen solchen zurückschritt der Niederträchtigste kerl von der welt würde. – ganz wieñ weis daß ich vom Erzbischof weg bin – weis warum! – weis daß es wegen gekränkter Ehre – und zwar zum drittenmale gekränkter Ehre geschah – und ich sollte wieder öfentlich das gegentheil beweisen? – soll mich zum hundsfut, und den Erzbischof zu einem braven fürsten machen? – das erste kann kein Mensch, und ich – am allerwenigsten, und das andere – kann nur gott, wenn er ihn erleuchten will. – Ich habe ihnen also noch keine liebe gezeigt? – muß sie also erst itzt zeigen? – können sie das wohl sagen? – Ich wollte ihnen meinem vergnügen nichts aufopfern? – was habe ich denn für ein vergnügen hier? – daß ich mit Mühe und sorge auf meinen geldbeutl dencke! – mir scheint, sie glauben ich schwimme in vergnügen und unterhaltungen. – o wie betrügen sie sich nicht! – Das heist dermalen![74] – dermalen habe ich nur so viel als ich brauche – Nun ist die suscription auf 6 sonaten im gang, und da bekomme ich geld – mit der opera1 ist es auch schon richtig – und in advent gebe ich einConcert, dann geht es so immer besser fort – denn, im Winter ist was ganz gutes hier zu verdienen. – wenn das vergnügen heist, wenn man von einen fürsten los ist, der einen nicht zahlt, und zu tod cuionirt, so ist es wahr, ich bin vergnügt; – denn, sollte ich von früh Morgens bis Nachts nichts als denken und arbeiten, so würde ich es gerne thun, nur um so einen – ich mag ihn gar beym rechten Nammen nicht nennen, nicht um gnade zu leben. – Ich bin dazu gezwungen worden, diesen schritt zu thun – und da kann ich kein haarbreit davon mehr abweichen – ohnmöglich – alles was ich ihnen sagen kann ist dieß, daß es mir (wegen ihnen, nur wegen ihnen, mein vatter) sehr leid thut, daß man mich so weit gebracht hat – und das ich wünschte daß der Erzbischof gescheider gehandelt hätte, nur daß ich ihnen noch meine ganze lebenszeit wiedmen könnte – ihnen zu gefallen, mein bester vatter, wollte ich mein glück, meine gesundheit, und mein leben aufopfern – aber meine Ehre – die ist mir – und die muß ihnen über alles seyn. – lassen sie dieses dem graf Arco lesen und ganz Salzburg. – Nach dieser beleidigung – nach dieser dreyfachen beleidigung, dürfte mir der Erzbischof in eigener Person 1200 fl. antragen, und ich nehme sie nicht – ich bin kein Pursch, kein Bub – und, wenn sie nicht wären, so hätte ich nicht das drittemal erwartet, daß er mir hätte sagen können, scherr er sich weiter, ohne es für bekannt anzunehmen; was sage ich: erwartet! – ich, ich hätte es gesagt, und nicht er! – mich wundert nur, daß der Erzbischof so unbesonnen, an einem ort wie wieñ ist, so unbesonnen hat handeln können! – Er soll also sehen, wie er sich betrogen hat; – fürst Breiner und graf Arco brauchen den Erzbischof, aber ich nicht. – und wenn es auf das äusserste kömmt, daß er alle Pflichten eines fürsten, eines geistlich en fürsten vergisst, so kommen sie zu mir nach Wieñ; 400 fl. haben sie überall – was glauben sie, was er sich hier beym kayser, der ihn ohnehin hasst, für schande machen würde, [75] wenn er das thäte! – Meiner schwester würde es hier auch besser anstehen als in Salzburg – es sind vielle Herrschaftshäuser wo man bedenken trägt, eine Manspersoñ zu nehmen – ein frauenzimmer aber sehr gut bezahlen würde. – Das kann alles noch geschehn. – Ich werde ihnen mit nächster gelegenheit, da etwa hl. v. kleinmayer, Benecke, oder zetti nach Salzburg reiset, etwas schicken um das bewuste zu bezahlen – das dünntuch wird hl. Controleur der heute weg ist, meiner schwester bringen. – liebster, bester vatter, begehren sie mir was sie wollen, nur das nicht, sonst alles – nur der gedancke macht mich schon vor wuth zittern – Adieu – ich küsse ihnen 1000mal die hände und meine schwester umarme ich von herzen und bin Ewig Dero

gehorsamst Sohn

Wolfgang Amadè Mozart

Fußnoten

1 S. hierzu die Bemerkung über Stephanie im Brief vom 18. April.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 73-76.
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