287. [an Gottfried Freiherrn von [281] Jacquin in Wien]

Prag den 4t Novbe 1787


liebster, Bester freund! –


Ich hoffe Sie werden mein Schreiben erhalten haben; – den 29t ocktb gieng meine oper D: Giovanni in scena, und zwar mit dem lautesten beyfall. – gestern wurde Sie zum 4t Male (und zwar zu meinenBenifice) aufgeführt; – Ich gedenke den 12t oder 13t von hier abzureisen; – bey meiner zurückunft sollen Sie also die aria gleich zu Singen bekommen; NB unter uns; – Ich wollte meinen guten freunden (besonders bridi1 und ihnen) wünschen, daß Sie nur einen einzigen abend hier wären, um antheil an meinem vergnügen zu nehmen! – vieleicht wird Sie doch in Wienn aufgeführt2? – ich wünsche es. – Man wendet hier alles mögliche an um mich zu bereden, ein paar Monathe noch hier zu bleiben, und noch eine oper zu schreiben, – ich kann aber diesen antrag, so schmeichelhaft er immer ist, nicht annehmen. – Nun, liebster freund, wie befinden Sie Sich? – Ich hoffe daß Sie sich alle so wohl und gesund befinden mögen, wie wir; – am vergnügt seyn kann es ihnen, liebster freund, wohl nicht fehlen, da Sie alles besitzen, was sie sich in ihren Jahren und in ihrer laage nur wünschen können! – besonders da sie nun von ihrer vorigen etwas unruhigen lebensart ganz zurückzukommen scheinen; – nicht wahr Sie werden täglich mehr von der wahrheit meiner kleinen Straf-predigten überzeugt? – ist das vergnügen einer flatterhaften, launigten liebe, nicht himmelweit von der Seeligkeit unterschieden, welche eine wahre, vernünftige liebe verschafft? – Sie danken mir wohl gar öfters so in ihrem Herzen für meine belehrungen! – Sie werden mich noch ganz Stolz machen. – doch, ohne allem Spass; – Sie sind mir doch im grunde ein bischen Dank schuldig, wenn sie anderst der frl. N ....... würdig geworden sind, denn ich Spielte doch bey ihrer besserung oder bekehrung gewis nicht die unbedeutendste [282] Rolle; – Mein urgrosvater pflegte Seiner frauen meiner urgros-Mutter, diese ihrer tochter, Meiner gros-Mutter, diese wieder ihrer tochter Meiner Mutter, diese abermal ihrer tochter meiner leiblichen schwester zu sagen, daß es eine sehr grosse kunst seye wohl und schön zu reden, aber vieleicht eine nicht minder grosse, zur rechten Zeit aufzuhören; – Ich will also dem Rathe meiner Schwester, dank unserer Mutter, gros-Mutter und urgros Mutter folgen, und nicht nur Meiner Moralischen aus-schweifung, sondern meinem ganzen brief ein Ende machen.

den 9ten – mit überraschenden vergnügen erhalte ich ihren 2ten brief; – wenn es erst noth hat Sie durch das lied en question meiner freundschaft zu versichern, so haben sie weiter keine ursache daran zu zweifeln; – hier ist es: – Ich hoffe aber daß sie auch ohne diesem liede meiner wahren freundschaft überzeugt sind, und in dieser Hofnung verharre ich Ewig

ihr aufrichtigster freund

W: A: Mozart


P. S: – daß sich ihre liebe Eltern, ihre frl. Schwester und hl. bruder meiner gar nicht sollten errinnert haben? – das ist mir unglaublich! – Ich schiebe es ganz auf ihre vergessenheit, mein freund. und schmeichle mir, mich nicht zu betrügen. – wegen dem dopelten Petschier ist es so; – das rothe wachs taugte nichts – ich petschirte also Schwarz darauf; – und mein gewöhnlich Siegel habe in Wieñ vergessen. –

adieu; – – ich hoffe Sie bald zu umarmen.

an ihr ganzes haus und an Nattorps unsere beyderseitige Complimente. –

Fußnoten

1 Guis. Antonio Bridi, ein musikalisch veranlagter Kaufmann aus Roveredo.


2 Dies geschah erst am 7. Mai 1788.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 281-283.
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