286. [an Gottfried Freiherrn von [279] Jacquin in Wien]

Prag, den 15. Oct. 1787.


Liebster Freund!


Sie werden vermuthlich glauben, daß nun meine Oper1 schon vorbey ist – doch da irren sie sich ein bischen; Erstens ist das hiesige theatralische Personale nicht so geschickt wie das zu Wien, um eine solche Oper in so kurzer Zeit einzustudiren. Zweitens fand ich bei meiner Ankunft so wenige Vorkehrungen und Anstalten, daß es eine blosse unmöglichkeit gewesen seyn würde, Sie am 14te als gestern [279] zu geben; – Man gab also gestern bei ganz illuminirten Theater meinen Figaro, den ich selbst dirigirte. –

Bei dieser Gelegenheit muß ich Ihnen einen Spaß erzählen. – Einige von den hiesigen ersten Damen (besonders eine gar hocherlauchte) geruhten es sehr lächerlich, unschicklich und was weis ich alles zu finden, daß man der Prinzessin2 den Figaro, den tollen Tag3 (wie sie sich auszudrücken beliebten) geben wollte; – Sie bedachten nicht, daß keine Oper in der Welt sich zu einer solchen Gelegenheit schicken kann, wenn sie nicht beflissentlich dazu geschrieben ist; daß es sehr gleichgiltig seye, ob sie diese oder jene Oper geben, wenn es nur eine gute, und der Prinzessin unbekannte Oper ist; und das letzte wenigstens war Figaro gewies. – kurz die Radelführerin brachte es durch ihre Wohlredenheit so weit, daß dem Impressario von der Regierung aus dieses Stück auf jenen Tag untersagt wurde. – Nun triumphirte Sie! – hò vinta schrie Sie eines Abends aus der Loge, – Sie vermuthete wohl gewies nicht, daß sich das in einsono verändern könne! – des Tags darauf kam aber le noble – brachte den Befehl Seiner Majestät, daß wenn die Neue Oper nicht gegeben werden könne, Figaro gegeben werden müsse! – Wenn Sie, mein Freund; die schöne, herrliche Nase dieser Dame nun gesehen hätten! – O es würde Ihnen so viel Vergnügen verursacht haben, wie mir! –

Don Giovanni ist nun auf den 24te bestimmt. –

Den 21. – er war auf den 24. bestimmt, aber eine Sängerin, die krank geworden, verursachet noch eine neue Verzögerung; da die Truppe klein ist, so muß der Impressario immer in Sorgen leben und seine Leute so viel möglich schonen, damit er nicht durch eine unvermuthete Unpäßlichkeit in die unter allen krittischen allerkrittischste Lage versetzt wird, gar kein Spektakel geben zu können! –

Deswegen geht hier alles in die lange Bank, weil die Recitirenden (aus Faulheit) an Operntägen nicht studiren wollen und der Entrepreneur [280] (aus Forcht und Angst) sie nicht dazu anhalten will, aber was ist das? – ist es möglich? – was sehen meine Ohren, was hören meine Augen? – ein Brief von – ich mag mir meine Augen fast wund wischen – er ist – holl mich der Teufel † Gott sei bei uns † doch von ihnen; – in der That; wäre nicht der Winter von der Thüre, ich würde den Ofen einschlagen.

Da ich ihn aber dermalen schon öfters brauche und in Zukunft noch mehr zu brauchen gedenke, so werden sie mir erlauben, daß ich die Verwunderung in etwas mäßige und ihnen nur in wenig Worten sage, daß es mich außerordentlich freut Nachrichten von ihnen und ihrem so werthen Hause zu erhalten. –

Den 25ten – heute ist der eilfte Tag, daß ich an diesem Briefe kritzle; – Sie sehen doch daraus, das es an gutem Willen nicht fehlt – wenn ich ein bischen Zeit finde, so male ich ein Stückchen wieder daran – aber lange kann ich halt nicht dabei bleiben – weil ich zu viel ander'n Leuten – und zu wenig – mir selbst angehöre; – daß dies nicht mein lieblingsleben ist, brauche ich ihnen schon wohl nicht erst zu sagen. –

Künftigen Montag, den 29., wird die Oper das erstemal aufgeführt; – Tags darauf sollen sie gleich von mir Raport davon bekommen – wegen der Arie, ist es, (aus Ursachen die ich Ihnen mündlich sagen werde) schlechterdings unmöglich Sie Ihnen zu schicken. –

Was Sie mir wegen der Kathel schreiben, freut mich recht sehr, daß Sie wohl auf ist, und Sich mit den Katzen in Respect mit den Hunden aber in Freundschaft zu erhalten weiß; – wenn Sie ihr Papa (dem ich mich bestens empfehle) gerne behält, so ist es schon so viel als wenn Sie nie mein gewesen wäre; – Nun leben Sie wohl; – ich bitte Dero gnädigen Frau Mama in meinem Namen die Hände zu küssen, der Frl. Schwester und H. Bruder mich bestens zu empfehlen und versichert zu sein daß ich stets sein werde

Ihr wahrer Freund und Diener

W.A. Mozart

Fußnoten

1 »Don Giovanni«.


2 Erzherzogin Maria Theresia, Braut des Prinzen Anton von Sachsen.


3 Die Beaumarchais'sche Vorlage zum Libretto von »Le nozze di Figaro« hatte den Titel »La folle journée«.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 279-281.
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