15.

[50] Von der sehr gewöhnlichen Virtuosen-Grille, sich nur nach überschwenglichem Bitten und Flehen hören zu lassen, war Mozart vollkommen frei. Es machten es ihm sogar viele hohe Herrn in Wien zum Vorwurf, daß er vor jedem, der ihn gern höre, so bereitwillig spiele als vor ihnen.

Auch in N. willigte Mozart sogleich ein, als ihn der kunstliebende *** bat, bei ihm vor einer kleinen Gesellschaft zuspielen. Mozart hielt die versammelten Herren und Damen für Kenner oder doch für gebildete Liebhaber der Tonkunst. Er fing also, teils um sich selbst zu erheben, teils um den Geist der Zuhörer mit sich empor zu tragen, im langsamen Tempo einfacher Melodie, noch einfacherer Harmonie, die nur nach und nach interessanter wurde, an.

Die im Halbzirkel sitzende Gesellschaft fand das alltäglich. Mozart wurde jetzt feuriger.

Dies fand man ganz hübsch.

Nun wurde er ernst und feierlich, seine Harmonie wurde frappant, groß und schwer.

Dies kam den meisten langweilig vor. Es fingen verschiedene Damen an, einander Kritiken zuzuflüstern, bald sprach die halbe Gesellschaft leise.

Der wirklich kunstliebende Wirt war schon lange in Verlegenheit, als Mozart die Wirkung seiner Musik auf das Auditorium auch zu bemerken begann.

Er ließ den bisher aufgeführten Hauptgedanken nicht fahren, bearbeitete ihn aber mit der Heftigkeit, zu welcher ihn das Benehmen seiner Umgebung gereizt hatte.

Als darauf auch nicht gemerkt wurde, fing er erst leise, dann immer lauter an, auf das unbarmherzigste auf sein Auditorium mit Worten loszuziehen, fast zu schmähen.

Zum Glück, daß die Sprache, welche ihm gerade in den Mund kam, die italienische war, welche nur zwei in der Gesellschaft verstanden. Doch bemerkten auch die andern den Unwillen, und schwiegen beschämt.

Mozart lachte, als sein Zorn herausgepoltert war, heimlich über sich selber, gab seinen Ideen nun eine galantere Wendung und fiel endlich in die damals auf allen Straßen gangbare Melodie des Liedchens: Ich klage dir etc. ein. Er trug diese niedlich vor, variierte sie zwölf Mal mit Fingerhexerei und affektierter Süßlichkeit abwechselnd und schloß damit.[53]

Nur wenige errieten, daß er damit zum Besten haben wollte – die andern waren voll Entzücken.

Mozart ging gleich darauf weg, lud den Hausherrn und einige alte Musiker der Stadt zu sich zum Abendessen und phantasierte diesen allein mit Vergnügen bis nach Mitternacht vor.

Quelle:
Johann Aloys Schlosser: Wolfgang Amad. Mozart. Prag 1828 [Nachdruck Prag 1993], S. 50-51,53-54.
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