33.

[80] Daß Mozarts Gedächtnis für die Musik bewundernswürdig war, ist schon aus seinem schnellen Behalten des Allegrischen Miserere entfallen. Was Herr Hofrat Rochlitz in Folgendem erzählt, liefert weitern Beweis dafür.

»Mozart spielte in der Akademie, welche er drei Jahre vor seinem Tode zu Leipzig gab, zwei Konzerte von ihm: das sanft heitere, reizende aus B-Dur, mit den Variationen aus g-Moll, das bald darauf gestochen ward, und das glänzende, prachtvolle aus G-Dur, das nach seinem Tode herauskam.

Was machten wir Anwesende für Augen, als er, in der Probe, wie dann am Konzertabende, statt der Solostimme für sich, einen bloßen Baß, hin und wieder mit Bezifferung, Andeutung der Eintritte und Anfang einiger Hauptfiguren, auf's Notenpult hinlegte!

›Die Solostimmen‹, sagte er, ›sind wohlverschlossen in Wien. Auf Reisen muß ich's so machen; sie stehlen mir sonst Abschriften und drucken sie frisch weg.‹

Hätte er auf dieser großen Reise, wie sonst Virtuosen pflegen, überall nur dieselben Kompositionen vorgetragen; so wäre davon kein Aufheben zu machen, es wäre sogar kein besonderes zu machen, wenn er auch noch jene Baßstimme weggeworfen hätte. Aber er spielte von seinen[80] vielen Kompositionen dieser Gattung an jedem Orte die, welche er eben für dies Auditorium am geeignetesten hielt; und dann, welch ein Unterschied auch für das Festhalten im Gedächtnis! Konzerte, wo, wie gewöhnlich, die Solostimme, beginnt sie einmal durch einen Abschnitt hindurch die Hauptmelodien und Figuren allein fortführt, und Konzerte, wo, wie bei Mozart, die Solostimme, auf's Engste verschlungen mit allen andern, nur die erste unter gleichen bildet!«

Quelle:
Johann Aloys Schlosser: Wolfgang Amad. Mozart. Prag 1828 [Nachdruck Prag 1993], S. 80-81.
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