Dreizehnter Abschnitt.
Fortsetzung der dritten Kunstperiode Gluck's. (1776.) Die Oper »Alceste« in französischer Bearbeitung. Der Musikstreit.

Gluck hatte in Paris die Dichtung zur Oper »Roland« von Quinault empfangen, um sie in Musik zu setzen. Nach Wien zurückgekehrt, arbeitete er nicht nur fleissig an dieser, sondern auch an desselben Dichters »Armida;« eben so richtete er seine Oper »Alceste,« deren Dichtung ihm der, jetzt in der Seine-Stadt lebende Hr. Bailly Du Rollet in das Französische übertragen hatte, für die Pariser Akademie der Musik ein.

Mittlerweile hatte Gluck erfahren, dass man die Treulosigkeit beging, das Gedicht »Roland« auch für den Tonsetzer Piccini zu bestimmen. Gluck athmete Feuer und Flammen; Missvergnügen, Unwille, Selbstgefühl und beleidigter Stolz diktirten[247] ihm folgenden denkwürdigen Brief an den Hrn. Bailly Du Rollet in die Feder:

»So eben erhalte ich Ihren Brief vom 15. Jänner, in welchem Sie, theuerster Freund! mich zum fleissigen Fortarbeiten an der Oper ›Roland‹ ermahnen. Diess ist nun nicht mehr möglich; denn, als ich vernommen hatte, dass die Direktion, der es nicht unbekannt war, dass ich diese Oper komponire, den nämlichen Text auch Herrn Piccini zur Bearbeitung übergeben habe, wurde Alles, was fertig war, von mir den Flammen übergeben. Es taugte vielleicht ohnehin nicht viel; und in dem Falle wird das Publikum Herrn Marmontel sehr verpflichtet seyn, der ihm auf diese Weise die Unannehmlichkeit ersparte, eine schlechte Musik zu hören. Ueberdiess fühle ich mich nicht mehr geeignet, einen Wettstreit einzugehen. Herr Piccini würde zu viel vor mir voraus haben; denn ausser seinem persönlichen Verdienste, das unstreitig gross ist, hat er noch den Vorzug der Neuheit, weil man von mir bereits vier Opern1 (gut oder schlecht, gleich viel) in Paris gehört hat; das lockt, das reizt die Fantasie nicht mehr; überdiess habe ich ihm den Weg gezeigt, den er nur verfolgen darf. Ich sage nichts von seinen Protektionen. Ich bin versichert, dass ein gewisser Politiker meiner Bekanntschaft2 halb Paris bei sich bewirthen wird, um ihm Anhänger zu verschaffen, und dass Marmontel, der so gut Märchen zu erzählen weiss, dem ganzen Königreiche das ausschliessliche Verdienst des Herrn Piccini vorerzählen wird. Ich bedaure nur Hrn. Hebert,3 dass er in die Hände solcher Personen gerieth, deren Einer ein blinder Anhänger der italischen Musik, der Andere der Verfasser sogenannter komischer Opern ist; denn sie werden ihm den Mond zur Mittagszeit scheinen lassen.

Diess Alles thut mir wirklich leid; denn Hebert ist ein feiner Mann, und desshalb stehe ich auch nicht an, ihm meine[248]Armida‹ zu geben, jedoch nur unter den Bedingungen, die ich Ihnen bereits in meinem letzten Briefe mitgetheilt habe, und von denen die vornehmsten diese sind: dass man mir, wenn ich wieder in Paris bin, wenigstens zwei Monate zugestehe, mir meine Sänger und Sängerinnen bilden zu können; dass es meiner Willkühr anheim gestellt bleibe, so viele Proben abzuhalten, als ich für nöthig erachten werde; ferner, dass man keine Rolle doublire, und endlich, dass man eine andere Oper für den Fall in Bereitschaft halte, wenn Eine der mitspielenden Personen erkranken sollte. Diess sind die Bedingungen, ohne welche ich die ›Armida‹ für mich behalten werde; denn ich habe die Musik schon so eingerichtet, dass sie nicht so leicht veralten wird.

Sie behaupten in Ihrem letzten Briefe, lieber Freund! dass keine meiner Arbeiten jemals die ›Alceste‹ übertreffen, ja, ihr nicht einmal gleich kommen werde: doch diese Prophezeihung unterschreibe ich noch nicht. ›Alceste‹ ist eine vollständige Tragödie, und ich glaube, dass ihr nicht viel zu ihrer Vollkommenheit fehlt. Sie können sich nicht vorstellen, wie vieler Schattirungen und Wendungen die Musik fähig ist, und wie vielerlei Wege sie verfolgen kann. ›Armida‹ ist im Allgemeinen von der ›Alceste‹ so verschieden, dass man glauben sollte, beide Opern seien nicht von demselben Tonsetzer. Auch habe ich die wenige Kraft, die nach der ›Alceste‹ mir noch übrig blieb, dazu angewendet, ›Armida‹ zu beendigen. Ich habe darin gestrebt, mehr Maler und Dichter, als Musiker zu seyn: doch das werden Sie selbst beurtheilen, sobald Sie die Oper hören; ich gedenke auch mit ihr meine Künstlerlaufbahn zu beschliessen. Freilich wird das Publikum wenigstens eben so viel Zeit brauchen, die ›Armida‹ zu verstehen, als nöthig war, um die ›Alceste‹ zu begreifen. Es waltet eine Zartheit in der ›Armida,‹ die man in der ›Alceste‹ nicht findet: denn es ist mir gelungen, die verschiedenen Personen so sprechen zu lassen, dass man sogleich hören wird, ob Armida oder eine andere Person spreche. Ich muss enden, sonst könnten Sie glauben ich sei ein Tollhäusler oder ein Charlatan geworden. Nichts lässt so[249] übel, als wenn man sich selbst lobt; das ziemte nur dem grossen Corneille: allein, wenn ich oder Marmontel unser eigenes Lob posaunen, so lacht man uns in's Gesicht. Uebrigens haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass man die französischen Tonsetzer zu sehr vernachlässigt: denn ich müsste mich sehr irren, wenn Gossec und Philidor, die den Zuschnitt der französischen Oper genau kennen, dem Publikum nicht viel bessere Dienste leisten würden, als die besten italischen Komponisten, wenn man nicht für alles Neue gar so enthusiastisch eingenommen wäre. Sie sagen mir ferner, lieber Freund! dass ›Orfeo‹ bei der Vergleichung mit ›Alceste‹ verlieren werde. Mein Gott, wie ist es möglich, zwei Werke, die nichts Vergleichbares haben, mit einander vergleichen zu wollen? Das Eine kann wohl mehr, als das Andere gefallen: doch lassen Sie nur ›Alceste‹ mit Ihren schlechtesten Schauspielern, und ›Orfeo‹ mit Ihren besten besetzen, und Sie werden sehen, dass ›Orfeo‹ den Preis gewinnen wird: denn die besten Sachen werden in schlechter Aufführung oft unerträglich. Zwischen zwei Arbeiten verschiedener Natur kann keine Vergleichung Statt finden. Wenn z.B. Piccini und ich, jeder die Oper ›Roland‹ componirt hätte, dann könnte man beurtheilen, welchem von Beiden der Wurf am besten gelungen wäre: allein, die verschiedenen Texte müssen nothwendiger Weise eine verschiedene Musik hervorbringen, deren jede in ihrer Art das Schönste seyn kann; in jedem andern Falle – ›omnis comparatio claudicat.‹ – Fast muss ich zittern, dass man ›Armida‹ mit ›Alceste‹ vergleichen wird – zwei so verschiedene Dichtungen, von denen die Eine zu Thränen rührt, und die Andere wollüstige Empfindungen erweckt. Sollte diess dennoch geschehen, so weiss ich mir weiter keinen Rath, als den lieben Gott zu bitten, dass er der guten Stadt Paris ihren gesunden Menschenverstand wiederschenke.

Leben Sie wohl, mein theurer Freund!«

Dieser, im Vertrauen der Freundschaft geschriebene Brief war nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt; man hatte ihn aber, ohne Zustimmung des Verfassers, von demjenigen empfangen, an den er gerichtet war, und in der »Année littéraire« vom[250] Jahre 1776. T. VIII. p. 322 abgedruckt.4 – Die üblen Folgen dieser willkührlichen Handlung blieben nicht aus; der Inhalt des Schreibens erbitterte die Gegner Gluck's, besonders Marmontel und Laharpe noch mehr, und eignete sich demnach ganz dazu, den Krieg noch allgemeiner und hartnäckiger zu machen.5


Bald nach diesem Schreiben kam Gluck mit der Partitur seiner Oper »Alceste« neuerdings nach Paris. Da er den Sängern die Hauptparten derselben, behufs des vorläufigen Einstudirens schon früher zugeschickt hatte, so war diessmal die Zeit der Proben von weit geringerer Dauer, als bei den vorhergehenden Opern.

»Alceste« wurde demnach schon am 23. April des Jahres 1776 zur Aufführung gebracht, fiel aber bei der ersten Aufführung nicht nur ganz durch, sondern wurde sogar förmlich ausgezischt. Gluck, der in den Coulissen stand, war in Verzweiflung; er stürzte aus dem Opernhause und suchte in den Strassen der bewegten Stadt seine traurigen Empfindungen zu zerstreuen. Da begegnete ihm ein Freund; Gluck warf sich in dessen Arme und rief mit Thränen aus: »Alceste est tombée!« –[251] »Oui« – erwiderte Jener, indem er den betrübten Tonmeister umfasste: »Elle est tombée du ciel!« –6

Auch diesem Vorfalle soll eine Kabale, und zwar folgende zum Grunde gelegen seyn: Dem. Arnould war in der »Iphigénie« und im »Orphée« mit der ersten Rolle betraut worden; diesem Umstande und dem Unterrichte des Meisters hatte sie ihren ganzen Ruhm zu danken. Sie buhlte nun auch um die Rolle der Alceste; Gluck aber meinte: ihre Brust wäre nicht stark genug, um so viele Arien auszuhalten, und gab diesen Part der Dem. Rosalie Levasseur, die bisher nur Nebenrollen gespielt hatte. Jene ergrimmte und empörte einen grossen Theil des Publikums gegen die heue Oper.7

Wenn das Publikum, meint Grimm8 in seinem, über diese grossartige Schöpfung gefällten Urtheile, auf Irrwege gerieth, so war es nur seine eigene Schuld. Herr Bailly Du Rollet hatte ihm in seiner Vorrede geradezu gesagt, an was es bei Anhörung dieser Oper eigentlich hätte denken sollen. Seine Worte lauten: »Die Musik dieser Oper ist die leidenschaftlichste, kräftigste und theatralischste, die man seit der Wiedergeburt der schönen Kunst der Töne auf den Brettern von Europa jemals gehört hat.« – Bei dieser Aeusserung wurden die kritischen Pariser nur durch einen Umstand in Erstaunen gesetzt, und dieser war, dass der Hr. Bailly Du Rollet sich die grosse Mühe gegeben hatte, folgende Entscheidung des Cavaliere Planelli zu unterstützen. »I colori di Rafaello e la musica di Gluck« – sagte der berühmte, damals in Paris jedoch unbekannte Kenner – »quelli e questa destinate a servire all'espressione, vanni esaminati nell' azione. Solo allora si può giudicare se più diletti una bossola ben tinta che una tela animata dal penello d'Urbino.« –

Herr Bailly Du Rollet hatte, wie wir bereits meldeten, sich der dankbaren Mühe unterzogen, Calzabigi's Dichtung[252] für die französische Darstellung zu bearbeiten. Dieser Text kommt bei Hr. Grimm schlecht weg. Er schöpft darüber folgendes Urtheil: Obschon die Oper lang ist, so ist ihre Fabel doch kurz, und diese ausserordentliche Einfachheit war auf einer Schaubühne, wo man bis jetzt durch eine reissende Aufeinanderfolge der herrlichsten und mannigfaltigsten Situationen einzig zu gefallen glauben durfte, ohne Zweifel ein ganz neues Verdienst. Das Stück ist, fährt Grimm fort, mit so viel Geschick geleitet, dass das Interesse an der Handlung in Folge der bewundernswerthen Fortschreitung von dem ersten bis zum letzten Auftritte fortan – abnimmt: denn Admet ist im zweiten Akte so platt und lächerlich, dass man sich ordentlich ärgert, im ersten Akte für denselben einige Theilnahme empfunden zu haben; und der ganze dritte Akt ist nichts, als eine kalte Wiederholung des zweiten. Welch ein Unterschied waltet nicht zwischen dieser und Quinault's Dichtung! Letztere ist voll Wärme, Leben und Handlung, und interessirt uns, trotz einiger episodischer, des schönen Gegenstandes unwürdiger Scenen, in dem Masse, als jene langweilt und ermüdet! Gibt es denn nichts Erhabeneres und theatralisch Wirksameres, als das Mittel, wodurch Admet erfährt, dass Alceste für ihn sich zu opfern bereit ist? – Apollo hat dem grossmüthigen Herzen, das sich für den König dem Tode weihen würde, die Unsterblichkeit versprochen. Er will, dass, um das Andenken an eine solche That zu ehren, die Künste ihm ein prachtvolles Denkmal setzen. Der, dem Licht des Lebens wiedergegebene Admet bittet den Gott der Künste, sein Versprechen zu erfüllen und den Heldenmuth seines Lebensretters zu belohnen. In demselben Augenblick erhebt sich ein Altar und aus ihm steigt Alcestens Bild, wie sie sich die Brust durchbohrt. Dieser einzige Zug mag einen genügenden Beweis liefern, dass Quinault ein Dichter war.

Die grösste Schwierigkeit bei der Bearbeitung dieser Oper bestand darin, die Rolle des Admet erträglich zu machen; dem Dichter Quinault gelang dieses durch die Art, wie er die sterbende Alceste rettet. Um sie dem Leben wiederzugeben, beschliesst Admet seine Liebe zu opfern, und indem sie sich für[253] ihn opfert, nimmt er keine Kenntniss davon. Er sieht sich im Falle der Unmöglichkeit, dem Opfer ein Hinderniss entgegen zu setzen.

Es ist wahr, dass der Kampf des Hercules und des Todes im Euripides eine der rührendsten Scenen herbeiführt: allein die Art, wie Quinault den Hercules in den Tartarus steigen lässt, stimmt mit dem Geiste der Mythologie ganz überein. Das Mittel ist so wahrscheinlich und natürlich, dass daraus wie von selbst ein noch reicheres und prachtvolleres Schauspiel hervorgeht. Es war ihm genug, den Geist des Alterthums zu kennen, und sowohl seinen Verstand als seinen Geschmack daran gewöhnt zu haben, sich in die Sitten und Zeiten der alten Heroen zu versetzen, und zu fühlen, wie erhaben und wahr der Beweggrund sei, der den Hercules im Euripides handeln lässt: allein Quinault's Motiv liegt unserer Anschauungsweise näher; es verbindet sich darum weit glücklicher mit allen Theilen der Handlung, und unterstützt aus demselben Grunde eben so sehr das Interesse derselben.9

Du Rollet's »Alceste« rief daher jene des Quinault wieder in's Leben. Man nahm sich vor, den kommenden Winter dieses Meisterwerk auf dem alten Theater wieder vorzuführen, und M. de Saint-Marc versprach aus Hochachtung für den Ersten der französischen Lyriker, nur wenige Veränderungen damit vorzunehmen.

Obschon nun Gluck's »Alceste« inzwischen bei jeder Vorstellung mehr und mehr gewann, und endlich doch mit dem verdienten Beifall gekrönt wurde, so zog man ihr doch die Musik der »Iphigénie« und des »Orphée« allgemein vor.

Gluck's Anhänger behaupteten, diess liege lediglich in der Schwäche unserer Ohren; die Anhänger der alten Oper klagten ganz mit Unrecht, dass man unter dem Vorwande, die Musik zu[254] vervollkommnen, sich erlaubt habe, die französische Sprache zu verderben, deren Charakter und Lehre des Sylbenmasses man ganz zu verkennen scheine. Die, an die Melodien eines Sacchini, Traetta, Piccini gewöhnten Gehörswerkzeuge kamen überein, dass es in Gluck's Schöpfung grosse und schöne Stücke der Harmonie gebe, allein dass sein Gesang traurig und eintönig, barbarisch und gemein sei. Die Einsichtsvolleren hielten es für die schwierigste Aufgabe, eine abwechselnde Musik zu einer Dichtung zu schaffen, in welcher die nämlichen Situationen und Gemüthsbewegungen unaufhörlich wiederkehren; wo der Chor immer auf der Bühne ist, um dieselben Dinge zu sagen, und ewig in demselben düsteren und traurigen Tone zu singen.

Dem. Rosalie Levasseur10 spielte die Rolle der Alceste mit vielem Verstande. Obschon die Beschaffenheit ihrer Gestalt und ihr ganzes Wesen dem, in dieser Rolle herrschenden Ausdrucke nicht günstig waren, so hatte sie doch die Kunstmittel aufgefunden, sie interessant zu machen. Man hatte sogar gezweifelt, dass diese Künstlerin ihrer Rolle sich so bemächtigen würde. Indessen schien sie mit der neuen Musikgattung ein eigenes Studium vorgenommen und sich den dazu erforderlichen Geschmack erst angeeignet zu haben.

Man nahm mit dem Gange11 des Gedichts wiederholte Veränderungen vor; allein diese Veränderungen bewirkten so viel[255] als nichts; weil man anstatt der alten Unzukömmlichkeiten neue zulassen musste. Früher war es dem Apollo allein vorbehalten, Alceste dem Leben und dem Glücke wiederzugeben; jetzt mussteHercules die Ausübung dieser Pflicht übernehmen. Obschon nun dieser nicht, wie die übrigen Götter, auf einer Wolke niederschwebte; so war er im Anfange des dritten Aktes, so zu sagen, doch wie aus den Wolken gefallen. Der Chor unterrichtet ihn von Admet's Unglück; der Gott verspricht, der Welt Trost zu bringen, und die Oper nimmt wieder ihren früheren Gang. Hercules unterbricht ihn später in dem Augenblicke, wo die Geister der Unterwelt ihr Opfer entführen wollen, und einige Keulenhiebe, in der Luft geschwungen, jagen die Unholdinnen in ihre finstere Schlünde zurück, und entscheiden so, in ziemlich derber Weise die grosse Begebenheit. Allein, die Furien werden ihrer Beute dennoch habhaft; man sieht Alceste zum düsteren Gestade niedersteigen, wo sie jedoch nur einen Augenblick verweilt. Der verzweifelte Admet will ihr nachstürzen: Hercules gönnt ihm aber keine Zeit dazu; er kehrt triumphirend aus dem Tartarus zurück und bringt Alceste in seinen Armen wieder. Der blonde Phoebus, der auf seine Rolle nicht ganz verzichtet hat, erscheint immer mit derselben Rührung; spricht von seinem Wagen herab in schönen Arietten und schliesst mit einer Verbeugung gegen den ritterlichen Hercules, dem er, ganz vernünftiger Weise, für seine Heldenthat das Diplom der Unsterblichkeit verspricht.

War man jedoch im Allgemeinen mit der Dichtung einverstanden, so musste man es um so mehr mit der Musik seyn. Unter allen Schriften, die diesen ernsten Gegenstand abgehandelt haben, ist Abbé Arnaud's Flugschrift: »La Soirée perdue à l'Opéra«12 – vielleicht die angenehmste: allein es wurden damit weder die Lully'sten, noch die. Sacchini'sten bekehrt, weil beide Partheien hartnäckig auf ihrer Meinung beharrten. Man gestand sich, dass Einer von den Sprechern in Arnaud's[256] Schrift der geistreichste Mann von der Welt wäre: allein man fand auch, dass dieser Sprecher, um des Gegensatzes willen, sich mit Leuten umgeben hatte, die ihm entweder Grobheiten sagten, oder auf seine Sätze gar nichts erwiderten. Es wurde behauptet: man hätte, ohne Fanatiker oder Barbar zu seyn, jenem Lobredner begreiflich machen können, dass die Musik keine erst anzufertigende, sondern schon längst fertige, ja schon längst vollkommen ausgebildete Sprache sei; dass es nur zu den ersten Pflichten eines grossen Tonsetzers gehöre, diese Sprache mit hoher Schönheit zu reden, und all' die Zierlichkeiten und sonstigen Eigenschaften, deren sie fähig ist, bis zu den kühnsten Bewegungen zu entfalten. Von diesem Grundsatz ausgehend, konnte man leicht bemerken, dass eine genaue Kenntniss des Theaters und der grossen Bewegungen der Scene noch nicht hinreiche; man müsse seine Aufmerksamkeit auch den Einzelnheiten zuwenden, sie sorgfältig beschreiben, und ihre Gestalt, wie ihren Ausdruck bestmöglichst verändern; dass es ferner in der Musik, wie in der Dichtkunst eine Schreibart gebe, und dass diese den, ihr angepassten Gedanken und Empfindungen erst den wahren Reiz verleihe; dass endlich jede Gattung ihre Eigenthümlichkeiten habe, und dass sowohl der grosse Tonsetzer als der grosse Dichter nur mittelst des höheren Styles sich von dem gewöhnlichen Menschen unterscheide, so wie sich ein Racine von Pradon und ein Sacchini von Dezède unterscheidet. Da ferner die Kunst einen gewissen Grad von Vollkommenheit erreicht hat, so genügt es auch nicht mehr, sich einige Combinationen grosser Effekte vorzustellen, sondern man muss dahin streben, dass das Ganze eines Werkes uns bezaubere und fessle; man muss das Herz mächtig treffen, ohne das Ohr und den Geschmack zu verwunden. Wenn nur einige beifällige Ausrufe über den Werth eines dramatischen Werkes entscheiden sollen, so gibt es vielleicht kein einziges Stück von Sedaine, das über alle Meisterwerke eines Voltaire und Racine nicht den Sieg davon trüge.[257]


Die Anhänger der italischen Schule suchten jedoch dieses Tonwerk in den Staub zu ziehen. Sie wendeten selbst Arnaud's Flugschrift gegen Gluck an. Die Verunglimpfungen, die man sich schon seit einiger Zeit gegen den deutschen Tonsetzer erlaubte, waren so mannigfaltig, als dessen Feinde zahlreich. Zu diesen gehörte auch der dramatische Dichter Framery. Dieser grosse Freund der italischen Musik überhaupt, und ausschliessliche Verehrer Sacchini's13 benutzte eine Stelle der gedachten Flugschrift, und machte damit in einem boshaften Briefe an den Herausgeber des Mercure, den er in das Septemberheft dieses Journals einrücken liess; dem Ritter Gluck mit seltener Keckheit den indirekten Vorwurf, als hätte er verschiedene schöne Stellen aus der Oper »Golconda« und aus Sacchini's »Olympia« in seine »Alceste« aufgenommen.

Der darüber entrüstete Gluck antwortete darauf mit folgenden Zeilen:

»Das Septemberheft des Mercure (1776) enthält einen Brief von einem sichern Hrn. Framery. Er ist eine vorgebliche Ehrenrettung des Hrn. Sacchini; aber Sacchini würde sehr zu beklagen seyn, wenn er eines solchen Vertheidigers bedürfte: denn fast Alles, was Framery über Gluck, Sacchini und den Sänger Millico in seinem Briefe sagt, ist unwahr. Gluck's italische ›Alceste‹ ist wegen der Schwierigkeit der Ausführung, da der Tonsetzer nicht zugegen seyn konnte, um sein Werk selbst zu leiten, weder in Bologna; noch in einer anderen Stadt Italiens gegeben worden. ›Alceste‹ wurde nicht eher als im Jahre 1768 zu Wien aufgeführt. Bei der Wiederholung sang Hr. Millico denAdmet. Wahr ist es, dass Sacchini die in Framery's Briefe angeführte Stelle: ›Se cerca, se dice‹ in seine Arie aufgenommen hat. Die musikalische Phrase steht in Gluck's italischer ›Alceste‹ auf den Worten: ›Ah, per questo gia stanco mio cuore.‹ – Wir wollen noch beifügen, dass man gegen das Ende dieser Arie auch eine Stelle aus der Arie: ›Di[258] scordami‹ der ebenfalls in Wien gedruckten Oper ›Paride ed Elena‹ findet. Hr. Framery weiss nur nicht, dass ein italischer Tonsetzer sehr oft in der Lage ist, sich der Laune und der Stimme des Sängers fügen zu müssen; und Hr. Millico war es, welcher Herrn Sacchini bat, die erwähnten Stellen in seine Arie aufzunehmen, worüber Gluck diesem Sänger, der bekanntlich sein Freund war, auch sein Missfallen zu erkennen gegeben hat: denn damals hatte Gluck seine ›Alceste‹ in Paris noch nicht aufführen lassen, wohl aber bereits den Entschluss dazu gefasst. Ein mit den herrlichsten Gedanken erfülltes Genie, wie Sacchini, hat es gar nicht nöthig, fremde Ideen zu entlehnen: allein er war durch die Aufnahme dieser Stellen nur dem Sänger gefällig, weil dieser sich damit des allgemeinen Beifalls zu versichern glaubte. Sacchini's Ruhm ist bereits so fest gegründet, dass er keines Vertheidigers bedarf; wohl aber kann dieser Ruhm dadurch sehr gefährdet werden, wenn man dessen für die italische Sprache geschriebenen Arien ins Französische überträgt, und dabei die Verschiedenheit zweier Melodien und zweier Versmaasse nicht in Betrachtung zieht.

Hr. Framery könnte wohl etwas Besseres thun, als den Nationalcharakter der Italiener und Franzosen zu verwirren, und dadurch eine Zwitter-Musik in den Gebrauch zu bringen, indem er Uebersetzungen liefert, die wohl der komischen Oper zusagen, aber nicht für die tragische passen.«

Mercure de France.

Novembre 1776.


Die französische Partitur der Oper »Alceste« erschien zu Paris mit folgendem Titel:

»Alceste. Tragédie-Opéra en trois Actes par Monsieur le Chevalier Gluck. Représenté pour la première fois par l'Académie Royale de Musique le 30. Avril 1776. Prix 24 Fr. à Paris, au Bureau d'Abonnement Musical, Rue du Hazard Richelieu et aux Adresses ordinaires. A Lion, chez Castaud Place de la Comédie. A.P.D.R.« – Im kl. Folio 305 Seiten.[259]

Die Personen sind: Alceste (Sopran); Admète (Tenor); Evandre (Sopran); Hercule (Bass); Apollo (Bass); der Gott der Unterwelt (Bass); ein Herold (Bass); Chöre des Volkes und der unterirdischen Gottheiten. Die Stimme des Orakels.

Die Tonstücke sind in der französischen Bearbeitung der Ordnung nach folgende:

Die Ouverture in D min. C Takt, Moderato, für Streichquartett, Flauti, Oboe, Clarinetto, Corni undTromboni, welche hier jedoch am Schlusse gleich in den

I. Akt. 1. Scene und zwar in einen kurzen Ausruf des Chores: »Dieux rendéz nous notre Roi, naive père!« – übergeht. Diesem folgen: 1. der Trompettenstoss von sieben Takten in C maj. C Takt; 2. das abgekürzte Recitativ des Herolds: »Peuples écoutez et redoublez vos pleurs« – und 3. der Chor, Andante in Es maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »O Dieux! qu'allons nous devenir« – mit Streichquartett und Corni.

2. Scene. Doppelchor, Moderato in G min. Dreizehnter Abschnitt Takt: »O malheureux Admète! o malheureuse Alceste!« – mit Streichquartett, Flauti undOboi; dann Recitativ und Arie der Alceste, Adagio inEs maj. C Takt: »Grands Dieux du destin qui m'accable« – mit Streichquartett, Flauto, Corno und Fagotti, welche schon nach 16 Takten in ein Moderato 3/4 Takt übergeht und mit einem Recitative der Alceste und dem Chor aus der 1. Scene: »O Dieux! qu'allons nous devenir« – schliesst.

3. Scene. Sie beginnt mit dem Priestermarsche, welchem der grosse, etwas bewegte Chor in C min. 6/8 Takt: »Dieu puissant écarte du trône« – mit Streichquartett, Flauti, Oboi und Trombe folgt; er wird mehrmals von dem Recitative des Oberpriesters unterbrochen. Der Priestermarsch schliesst diesen Auftritt.

4. Scene. Begleitetes Recitativ der Alceste, das ein Gebet an Apollo enthält; dann ein kurzer Instrumentalsatz zur Opferpantomime für Streichquartett und Oboe; ferner ein bewegtes, begleitetes Recitativ des Oberpriesters, wozu später noch Flöten, Clarinette, Hörner und Trompetten treten. Dieses wird vom Orakel unterbrochen, welchem der Chor in H min. 3/4 Takt:[260] »Quel oracle funeste!« – mit Streichquartett,Oboe und Clarinetto folgt. Von hier an tritt in den beiden Bearbeitungen, sowohl in der Reihenfolge, als in der Zahl der Tonsätze, deren manche ganz neu, andere bedeutend verändert sind, eine solche Verschiedenheit ein, dass eine vergleichende Darstellung Beider kaum mehr möglich ist.

5. Scene. Alceste allein. Grosses begleitetes Recitativ in verschiedenen Zeitmassen und Bewegungen, meisterhaft im Ausdrucke. Der Oberpriester tritt in der

6. Scene dazu. Diese und die 7. Scene umfassen die herrlichen begleiteten Recitative der Alceste und des Oberpriesters, und Alcestens schöne Arie,Andante in B maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Divinités du Stix! Ministres de la mort!« – mit Streichquartett, Oboe, Clarinetti, Corni und Trombe. Sie schliesst den I. Akt.

II. Akt. 1. Scene. Chor des Volkes, Allegro in G maj. 6/8 Takt: »Que les plus doux transports succédent aux alarmes« – mit Streichquartett,Flauti, Clarinetti und Corni. Ihm folgen fünf Balletstücke und dann wieder der Chor, zum Theil über den obigen Takt, jedoch im 2/4 Takte gesetzt. Die Balletmusik besteht 1. aus einer Passecaille in G maj. 2/4 für Streichquartett; 2. aus einem Tonsatze inG maj. Dreizehnter Abschnitt Takt, für dasselbe, mit Oboi, Clarinetti und Fagotto; 3. aus einem Andante in G min. 3/4 Takt für Streichquartett und Fagotti; 4. aus einem Allegro inG maj. 3/4 Takt für dasselbe, mit Oboi, Clarinetti und Corni, und 5. aus einem Menuetto ebenfalls in G maj. 3/4 Takt für dasselbe mit Corni und Flauto solo.

2. Scene. Begleitetes Recitativ zwischen Evandre und Admète; dann ein schöner Chor, Grazioso inA maj. 3/4 Takt: »Vivez, aimez des jours dignes d'envie« – mit Streichquartett, Flauti, Oboi, Clarinetti und Corni. Ein kurzes begleitetes Recitativ desAdmète macht den Schluss der Scene.

Die 3. Scene umfasst folgende Tonstücke; 1. ein kurzes begleitetes Recitativ zwischen Admète und Alceste, die zu den Vorigen kommt; 2. einen grossen Chor mit untermischtem Tanze, Allegro in B maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Livrons nous à l'allegresse« – mit Streichquartett, Flauti, Oboi, Corni und einem Corno solo;[261] 3. ein kurzes Recitativ des Admète und einen zweiten Chor mit Tanz, Grazioso in G maj. 3/8 Takt: »Parez vos fronts de fleurs« – mit Streichquartett und Fagotti; 4. Ariette der Alceste in G min. 3/4 Takt: »O Dieux, soutenez mon courage!« – mit Streichquartett und Flauto solo, und den letzten Chor da Capo; 5. Arie des Admète, Andante in A maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Banis la crainte et les larmes« – mit Streichquartett, Clarinetti und Fagotto; 6. Recitativ zwischen Admète undAlceste; dann der Letzteren Arie; Lento in D maj. 3/4 Takt: »Je n'ai jamais chéri la vie« – mit Streichquartett, Oboi und Corni; 7. Recitativ zwischen Admète und Alceste mit kurzem bewegtem Chor in A min. C Takt: »O malheureux Admète!« – mit Streichquartett, Flauti, Oboi und Clarinetto, an den sich neuerdings ein begleitetes Recitativ der beiden Gatten schliesst; 8. Arie des Admète in A min 3/4 Takt: »Barbare, non, sans toi je ne puis vivre!« – mit Streichquartett, welche von einem kurzen Recitative geschlossen wird.

4. Scene. Kurzes Recitativ, dann Chor des Volkes in F min. 3/4 Takt: »Tant de grâces, tant de bonté!« – mit Streichquartett und Flauti, ferner Arie der Alceste, Lento in F maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Ah! malgré moi, mon faible coeur« – mit Streichquartett, Flauto solo, Oboe sola und Corno solo, welche gegen die Mitte in ein Allegro, 6/8 Takt übergeht. Ihr folgt ein Chor, Lento in F min. 3/4 Takt: »Oh! que le songe de la vie avec rapidité s'enfuit« –, worauf der Schluss der obigen Arie, jedoch mit veränderter Melodie wiederholt wird.

III. Akt. 1 Scene. Evandre und kurzer Chor, Lento in C min. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Pleure, ô Patrie! ô Thessalie! Alceste va mourir!« – mit Streichquartett,Oboi, Clarinetto und Tromboni.

2. Scene. Recitativ des Hercules, nach welchem die erste Hälfte des kurzen Chors der vorigen Scene wiederholt wird. Einem zweiten kurzen Recitative des Hercules folgt dessen bewegte Arie in A maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Cest envain, que l'enfer compte sur sa victime.« –

3. Scene. Grosses begleitetes Recitativ der Alceste in A min. C Takt: »Grands Dieux, soutenez mon courage!« – mit Streichquartett, Clarinetti, Oboi und Fagotto, und kurzer Chor der Geister[262] der Unterwelt;Unisono, Lento in F min. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Malheureuse où vas-tu?« – mit Streichquartett, Clarinetto, Corni undTromboni, dann Alceste's Ariette: »Ah! divinités implacables« – Andante in F maj. 3/4 Takt mit Streichquartett und Clarinetti.

4. Scene. Recitativ zwischen Alceste und Admète, dann Arie des Letzteren, un poco Andante in C min. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Alceste! au nom des Dieux, sois sensible« – mit Streichquartett, Fagotto und Oboe sola, welche erstlich in ein dialogisirtes Recitativ und dann in das Duo in F maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Au cris de la douleur« – mit Streichquartett und Flauti übergeht. Diesem Tonstücke folgt eine Arie des Gottes der Unterwelt, Andante in D maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Caron t'appelle, entends sa voix!« – mit Streichquartett, Oboi, Clarinetti, Corni und Tromboni. Ein dreistimmiger Chor des Volkes, Grave in Es min. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Alceste, le jour fuit, et le destin te poursuit« – mit Streichquartett, Flauti, Clarinetto, Tromboni und Fagotto, und untermengten Recitativen der beiden Gatten beschliesst die Scene.

5. Scene. Begleitetes Recitativ zwischen Hercules und Admète: »Ami, leur rage est vaine« – dann Chor der Unterirdischen in C maj. C Takt: »Notre fureur est vaine« – mit Streichquartett und Tromboni, welchem wieder ein kurzes Recitativ des Hercules folgt.

6. und 7. Scene. Begleitetes Recitativ desApollo: »Poursuis, ô digne fils!« – Alceste tritt hinzu.

8. Scene. Trio zwischen Alceste, Admète undHercules in F maj. Dreizehnter Abschnitt Takt: »Reçois, Dieu bienfaisant« – mit Streichquartett, Flauti, Oboi, Clarinetti und Fagotto; dann

Die 9. und Schlussscene, enthaltend ein kurzes Duett zwischen Alceste und Admète und den Schlusschor in C maj. 6/8 Takt: »Qu'ils vivent à jamais« – mit Streichquartett und Corni. Diesem folgt das Divertissement mit folgenden Sätzen: 1. einem Andante in G maj. 3/4 Takt für Streichquartett, Oboi, Clarinetti und Fagotti; 2. einem Marsch in D maj. Dreizehnter Abschnitt Takt, für Streichquartett, Oboi, Clarinetti, Trompetten und Pauken; 3. einem Tonsatze in A maj. 3/4 Takt für Streichquartett und Flauti; 4. einem Menuetto in D maj. 3/4 Takt mit Corni, Oboi, Fagotto,[263] Trompetten und Pauken; 5. einer Gavotte in A maj. Dreizehnter Abschnitt Takt, mit Oboi, Clarinetti, Corni und Fagotto, und 6. einer grossen Chaconne in D maj. 3/4 Takt, mit Oboe, Clarinetti, Corni, Fagotto, Trombe und Timpani.


Aber auch in dieser Bearbeitung hat Gluck's Genius die Mittel gefunden, den Anforderungen der Kunst volles Genüge zu leisten. Auch hier tritt die göttliche Begeisterung des Oberpriesters und der heilige Schrecken, der das Volk durchschauert, siegend hervor. Hoher Ausdruck beseelt das Recitativ, in welchem Alceste ihren heldenmüthigen Entschluss fasst, ihren Gemahl zu retten, und trefflich ist das Entzücken geschildert, das sie in diesem Gedanken findet. Tiefer Schmerz bewältigt das Herz bei der Wahrnehmung, wie die Heldin sich mit Gewalt von ihren Lieben losreisst; es ist eine Gattin, die dem geliebtesten Gemahl entsagt – eine Mutter, die ihre Kinder verliert; es sind Scenen, in denen die Schauspielerin eben so schmerzliche Thränen weinen muss, als der innigst gerührte Zuschauer. Endlich weiht sie sich dem Tode, und strebt jeden Reiz am Leben aus ihrer Seele zu verbannen. Man wähnt Alceste'n schon der Erdenwelt entrückt und wird von dem Gefühle der Entsagung in schauerlicher Weise durchdrungen, wenn sie die Gottheiten der Unterwelt beschwört und dahin trachtet, wohin die Liebe sie ruft. Der Lohn für ihr erhabenes Opfer bleibt nicht aus; sie wird dem irdischen Glück und den Armen ihres Gatten wiedergegeben, der sie nun als seine Retterin mit neuer verdoppelter Liebe umfängt.


Auf die Oper »Alceste« erschien folgendes schöne Gedicht, das ich den freundlichen Lesern nicht vorenthalten kann:14[264]


L'oeil humide des pleurs que tu m'as fait verser,

O Gluck! j'écris ces vers, enfans de mon délire;

Le sentiment me les inspire ....

Je retiens mes sanglots, et je vais les tracer.

Dieux! quel transport, quel oubli de soi-même

Tes sublimes accens font naître dans les coeurs!

Tu nous as fait oublier les Acteurs.

D'un peuple pour son Roi j'ai vu l'amour extrême;

D'Alceste j'ai senti les mortelles douleurs;

Avec ceux de ses fils j'ai confondu mes pleurs ....

Mais quel autre tableau? ... sous des voutes sacrées

Ces Prêtres vers le Ciel élèvent leurs concerts,

Au culte du Soleil ces Vierges consacrées,

Dont les pas innocens cadencés sur tes airs

Peignent de la candeur le calme et l'assurance,

Ces chants qui dans mon coeur raniment l'espérance,

Tout m'annonce des Dieux l'auguste majesté ....

Hélas! ils vont parler ... ah malheureuse Alceste! ...

Tes pleurs n'ont pu fléchir la colère céleste.

Ton époux doit mourir, son arrêt est porté ....

O Gluck! Rival heureux du Dieu de l'Harmonie,

Dis-moi donc par quel art cédant à ton génie

J'éprouve à ton gré tour-à-tour

L'espérance, la crainte, et la haine, et l'amour?

Ah! cessez pour jamais d'étonner mes oreilles!

Disparoissez, fabuleuses merveilles

Du Chantre des Thébains!

Si le marbre animé par ses accords divins

En fastueux remparts s'arrangeoit en cadence,

Ses prodiges par Gluck ont été surpassés:

A l'orgueilleuse et stupide opulence,

A ces étres glacés

Dont notre Sybaris abonde,

Et qu'un Peuple frivole a nommés le Beau Monde,

Ses chants ont arraché des sanglots et des pleurs.

Je les ai vus surpris de répandre des larmes,

Ces hommes sans vertus, et ces femmes sans moeurs,

Respecter des Époux le lien plein de charmes,

Et rendus vertueux par tes divins tableaux,

Pour la première fois pleurer au nom de mère.

Indignes d'éprouver des transports si nouveaux,

Qui les font trop rougir pour ne pas leur déplaire,

Peu faits pour écouter l'accent de la douleur,

Ces cris du désespoir, ces airs pleins d'énergie,

Qui dans l'âme attendrie[265]

Portent des passions le trouble séducteur;

Leur mollesse n'a pu supporter ton génie.

Ils eussent préféré ces fades roulemens,

Ces fredons éternels, ces éclats glapissans,

Ces airs faits au compas, dont la froideur extrême

Laisse le spectateur s'occuper de lui-même,

Et de tous tes Rivaux font les rares talens.

Laissons-les dédaigner les chants de la nature,

Ils ne sont pas faits pour sentir.

Avec les tendres coeurs allons les applaudir,

Viens goûter, ma Zélis, une volupté pure,

D'une épouse pour son époux

Viens voir le dévouement sublime.

Pour un coeur qui s'estime

Ce spectacle est si doux!

L'âme aimante d'Alceste et son courage extrême

Sur ton beau sein feront couler tes pleurs;

En te voyant partager ses douleurs,

Je me dirai, c'est ainsi qu'elle m'aime.

Et toi qui vis l'orgueil, l'ignorance et l'envie,

Vouloir envain flétrir ce fruit de ton génie,

Et pendant quelque temps la France dédaigner

Ce chef-d'oeuvre immortel qu'admiroit l'Italie,

Reviens, et tu verras ton buste s'élever,

Monument que le goût consacre à ta mémoire.

Tu le verras figurer avec gloire

Au-dessus des Lullis, au-dessus des Rameaus;

Et pour ne point blesser ton air simple et modeste,

Pour tout éloge on y lira ces mots:

»Tu vois l'Auteur d'Alceste.«

Par M. Milcent.


Schon im Jahre 1782 wurde Gluck's »Alceste« in das Schwedische übersetzt und auf dem königl. Theater zu Stockholm mit aller Sorgfalt und dem grössten Beifalle aufgeführt.

Auch in Berlin, wo man gegen Gluck sich schwer versündigt hatte, wurde seinen Manen durch die Aufführung der »Iphigenia auf Tauris« das erste Opfer gebracht. Nun kam auch »Alceste« zur Darstellung. Die italische Oper musste sich endlich bequemen, auch Gluck'sche Musik zu singen. Die Sänger[266] dieser Bühne hatten noch immer so vornehm auf die glücklichen Versuche des Nationaltheaters herabgesehen, dass die musikalische Kritik darauf drang, sie möchten doch zeigen, dass sie wirklich gute Musik besser sängen, als die Deutschen. Auch bei Hofe wandte man sich dem reineren Geschmacke zu, und so mussten denn die Sänger wohl oder übel die »Alceste« einstudiren. Diess war ein Ereigniss von so hoher Bedeutung, dass schon am 23. November 1803 eine grosse Vorbereitungs- und Verständigungskonferenz für alle Betheiligten angeordnet wurde. Alles Protestiren half nichts: denn dem Befehle des Königs musste gehorcht werden. So kam denn im Februar 1804 die »Alceste« von Gluck mit italischen Verseil des unvermeidlichen Filistri zur Aufführung, liess aber kalt, was die Sänger der Musik, die Kenner der Aufführung zuschrieben.15 Jedoch fand sie später die verdiente Anerkennung.


Kurze Zeit nach der ersten Aufführung der »Alceste« in Paris empfing Gluck aus Wien die ihn sehr betrübende Nachricht, dass seine vielgeliebte Pflegetochter und Nichte, Marianne von Gluck, am 22. April, einen Tag vor der Aufführung der genannten Oper, in Folge der Blatternkrankheit aus diesem Leben geschieden sei. Die nun vereinsamte Frau von Gluck, die wegen der schon früher begonnenen Kränklichkeit des lieblichen Kindes ihrem Gatten diessmal nicht nach Paris gefolgt war, reiste nun ebenfalls dahin, um mit ihm vereint den grossen Verlust zu beweinen und sich in der grossen Seine-Stadt einigermassen zu zerstreuen.

Gluck ergoss sich in die lautesten Klagen, und schrieb an Alle, welche die kleine Nachtigall gekannt, verehrt und ihren Tönen gelauscht hatten, besonders an Klopstock und Wieland. Von Letzterem ist uns folgendes schöne Schreiben bekannt,[267] das Gluck, als er wieder in Wien war, empfangen hat, und welches eben so theilnehmend und ehrenvoll für unsern Tonmeister, als seine verklärte Nichte ist.


Weimar, den 13. Juli 1776.


»Ich bin ganz beschämt, verehrungswürdigster Mann, auf Ihre freundliche, vertrauensvolle Zuschrift aus Paris so lange geschwiegen zu haben, und itzt doch mit leeren Händen vor Ihnen zu erscheinen. In der Verfassung, worin mich Ihr Brief antraf, konnt' ich mit Ihnen weinen, Ihren Verlust innig fühlen und beklagen, aber etwas hervorbringen, das des entflohenen Engels und Ihres Schmerzes und Ihres Genius würdig wäre, das konnt' ich nicht, und werd' es niemals können. Ausser Klopstock konnte das nur Goethe. Und zu dem nahm ich auch meine Zuflucht, zeigte ihm Ihren Brief; und schon den folgenden Tag fand ich ihn von einer grossen Idee erfüllt, die in seiner Seele arbeitete. Ich sah sie entstehen, und freute mich unendlich auf die völlige Ausführung, so schwer ich diese auch fand; denn was ist Goethe unmöglich? Ich sah, dass er mit Liebe über ihr brütete, nur etliche ruhige, einsame Tage, so würde, was er mich in seiner Seele sehen liess, auf dem Papiere gestanden seyn: aber das Schicksal gönnte ihm und Ihnen den Trost nicht. Seine hiesige Lage wurde um selbige Zeit immer unruhvoller, seine Wirksamkeit auf andere Dinge gezogen, und nun, da er seit einigen Wochen dem unbeschränkten Vertrauen und der besonderen Affection unsers Herzogs, zugleich eine Stelle im geheimen Conseil einzunehmen, sich nicht entziehen konnte, nun ist beinahe alle Hoffnung dahin, dass er das angefangene Werk so bald werde vollenden können. Er selbst hat zwar weder den Willen, noch die Hoffnung aufgegeben; ich weiss, dass er von Zeit zu Zeit ernstlich damit umgeht; aber in einem Verhältnisse, wo er nicht von einem einzigen Tage Meister ist, was lässt sich da versprechen? Indessen sehen Sie, theuerster Herr, was mich von einer Woche zur andern zurückhielt, Ihnen zu schreiben; denn immer hoffte ich, mit dem beiliegenden Zeugniss, wie sehr Carl August Sie liebt und an Ihrem[268] Schicksal Antheil nimmt, Ihnen zugleich entweder das ganze Stück, welches Goethe dem Andenken Ihrer liebenswürdigen Nichte heiligen wollte, oder doch wenigstens einen Theil desselben schicken zu können. Goethe selbst hoffte immer, und vertröstete mich: ich bin auch gewiss, so wie ich den herrlichen Sterblichen kenne, dass es noch zu Stande kommen wird – und so spät es auch kommen mag, Freude wird Ihr Genius und der Geist Ihrer Seligen daran haben, das bin ich gewiss – aber länger konnt' ich's doch unmöglich anstehen lassen, Ihnen von allen diesem Nachricht, und also von meinem seltsamen Stillschweigen Rechenschaft zu geben.

Ich habe Augenblicke, wo ich eifrig wünsche, ein lyrisches Werk hervorbringen zu können, das werth wäre, von Gluck Leben und Unsterblichkeit zu empfangen. Zuweilen ist mir auch, ich könnt' es. Aber diess ist nur vorübergehendes Gefühl, nicht Stimme des Genius. Ueberdiess fehlt es mir an Sujets, die zugleich dem lyrischen Drama anpassend wären. Vielleicht, liebster Ritter Gluck, kennen Sie Eines, das Sie ausgeführt sehen und alsdann bearbeiten möchten. Irre ich mich hierin, so theilen Sie mir Ihre Gedanken mit, und ich will versuchen, ob ich die Muse noch einmal geneigt machen kann. Einmal war mir Antonius und Cleopatra stark im Kopf und Herzen – aber, wenn ich mich auch hinein arbeiten konnte, so ist diess wenigstens kein Sujet für Wien, wo dieser Exzess von Liebe, wie ich nicht zweifle, zu anstössig gefunden würde. Die drei grössten Sujets, Orpheus, Alceste und Iphigenia, haben Sie schon bearbeitet – und was ist noch übrig, das Ihrer würdig wäre? Ohne Zweifel gibt es noch interessante Gegenstände und Situationen – aber werde ich sie ausführen können? Ja, wenn ich neben Ihnen, unter Ihren Augen, von Ihrem Feuer erwärmt, von Ihrer Allgewalt über alle Kräfte der Musik ergriffen, arbeiten könnte! – Aber hier in Weimar! –

Dieses Blatt von Carl August ist schon lang in meinen Händen. Verzeihen Sie mir, dass ich's Ihnen so lang vorenthalten habe. Ich habe Ihnen die Ursache gesagt; und doch entschuldigt sie mich kaum gegen Ihn und Sie.[269]

Möchten Sie in Wien einige Entschädigung, wenigstens durch dieses Nepenthe, diesen Zaubertrank, den Parthenia dem leidenden Admet anbietet, finden können! Und o möchten wir einst glücklich genug seyn, Sie hier zu sehen und zu hören! Und ich den Mann von Angesicht sehen und in seiner Gegenwart mich eines Theils der Empfindungen entledigen können, womit mich selbst das Wenige, was ich (nur sehr unvollkommen vorgetragen) von seinen herrlichen Werken gehört habe, auf ewig für ihn erfüllt hat!16« – –


Aber auch nach der Aufführung der »Alceste« wuchs der Erfolg der »Iphigénie« von einer Vorstellung zur andern.17 Die Kritiken hatten sich zwar von Tag zu Tag gemehrt: aber diese Kritiken waren noch nicht vom Neide zugeflüstert: denn, welcher Tonkünstler Frankreichs vermochte auf den Gesang, auf die Harmonie, auf die erhabenen und reizenden Gemälde der »Iphigénie en Aulide« eifersüchtig zu seyn? –

Diese Kritiken waren die Arbeiten von zehn bis zwölf Gelehrten, deren literarische Urtheile zwar ein grosses Gewicht hatten, deren Geist und Ohr aber nicht genügend ausgebildet waren, um das Verhältniss der Hilfsmittel und Wirkungen der Tonkunst genau berechnen zu können. Diejenigen, die gegen Gluck in Wort und Schrift auftraten, waren, wie wir bereits meldeten, einerseits die Vertreter der alten französischen Oper, die neben Lully und Rameau keine fremden Götter haben, noch dulden wollten, dass die französische Musik mit neuen fremden Schätzen bereichert würde. Diese Parthei konnte die schöne alte Zeit nicht verschmerzen, als noch die Gesänge des »Bellerophon,« des »Amadis,« der »Indes Galantes« u.A. ihrer Jugend manchen Hochgenuss gewährten: allein sie waren nicht[270] mehr zahlreich. Diese wenigen Pfeiler der alten Oper schrien über die Gefahr, jener Gattung Musik, von der sie so lange beglückt worden sind, ohne dafür, wie sie meinten, eine bessere zu empfangen, gänzlich verlustig zu werden. Sie beklagten sich, dass sie, anstatt wie bisher, während der Vorstellung sich einem ruhigen Schlummer überlassen zu können, jetzt, von dem Interesse des Gegenstandes stets angeregt und wach gehalten, aufmerksam zuhören müssten, und dass selbst die Ballete, sonst der Ruhm und die Freude des Schauspiels, jetzt zu den sinnlosesten von der Welt herabgesunken wären.

Die Andern bestanden aus den Verehrern der reinen italischen Musik, die ihrem leichten, wollüstigen Sinn am meisten zusagte, und sie selbst in der Ueberzeugung festhielt, nur in den Gesängen des Jomelli, Piccini und Sacchini sei die wahre Musik zu finden. Diese konnten jene Umwälzung in der Kunst, deren Bedürfniss für die Akademie der Musik lebhaft empfunden wurde, nirgend anders woher, als aus Italien erwarten. Sie bereiteten daher schon ihre lyrischen Dramen für Piccini und Sacchini, damals die glänzendsten Gestirne an Italiens Himmel, in jenen Formen vor, wie Gluck sie für sich entworfen hatte; und behaupteten: das einzige Mittel, Quinault's schöne Dichtungen auch in neuerer Zeit würdig zu ehren, bestünde darin, dass man sie mit der Musik jener italischen Tonsetzer zu verbinden suchte. Sie stellten mit blindem Vertrauen den Schöpfungen Gluck's die gelehrte Kunstgeschichte entgegen, und verschlossen eigensinnig ihre Seelen den Leistungen dieses Genius, weil er jenem Lande nicht entsprossen war, aus dem einst, ihrer Meinung nach, alle Wunder der Tonkunst hervorgegangen waren, um sich über ganz Europa zu verbreiten.

»Italien! Italien!« – riefen sie, als wäre Gluck ein Barbar, weil er ein Deutscher war, – als wäre eine Musik jeden Gesanges baar, deren Gesang mit keinen Trillern, keinen Läufern und keinen Ritornellen geschmückt ist – als wäre diese Musik eine alte französische, weil sie leidenschaftlich und rasch ist, und in allen ihren Theilen sich des innigsten Zusammenhanges erfreut, wie die Tragödien eines Racine und Voltaire;[271] – oder, als wäre es wirklich wahr, dass die Gesänge und das Orchester des »Orfeo« und der »Alceste« die Ohren der Italiener entweder eingeschläfert oder zerrissen hätten! – Und dieses Alles geschah auf jenen Bühnen, denen Gluck neue Gesetze gegeben, indem er ihnen neue Dramen vorgeführt und neue Genüsse bereitet hatte, deren Wiederholung immer von Neuem verlangt wurde! –

Die dritte Parthei war die des Ritters von Gluck, welche in der Musik des deutschen Tonsetzers die, der theatralischen Vorstellung am meisten entsprechende Setzkunst gefunden hatte, – eine Musik, deren Grundsätze aus der wahren und ewigen Quelle der Harmonie und ihrer innigen Beziehung zu unseren Empfindungen und sinnlichen Wahrnehmungen geschöpft worden sind; – eine Musik, die, weil sie keinem Lande ausschliesslich angehört, von jedem Kunstgenius den, seiner Sprache eigenthümlichen Lauten angepasst werden kann.

Die letztere Parthei war schon in vorhinein der glänzendsten Erfolge gewiss, und selbst Rousseau, der einst die Untauglichkeit der französischen Sprache für musikalische Darstellungen zu beweisen gesucht hatte, wurde nun ein eifriger Vertreter des neuen Systems: denn er erklärte mit jener, bei den Pariser Gelehrten selten vorkommenden Selbstverleugnung, dass er bis jetzt im Irrthume gelebt, und dass Gluck's Opern seine früheren Ideen gänzlich zerstreut und ihn zur Ueberzeugung geführt hätten: auch die französische Sprache sei für eine kräftige, rührende und empfindungsvolle Musik eben so empfänglich, wie irgend Eine.

Es konnte Gluck nur zum Vortheile gereichen, dass er in jenem Theile Deutschlands erzogen worden war, wo man für jede Gattung der Tonkunst höchst empfänglich und leidenschaftlich eingenommen ist, und von wannen ganz Europa den gründlichsten Unterricht und die vortrefflichsten Meister einer ausgebildeten Harmonie-Musik empfangen hatte. Ein anderer Vortheil für Gluck war es, dass er, kaum den Jünglingsjahren entwachsen, sich schon unter dem schönen Himmel Italiens befand, wo jede Flur, jeder öffentliche Ort, jedes Gotteshaus, jedes Theater,[272] ja selbst des Meeres Ufer und Wogen von den lieblichsten Gesängen wiederhallen. Einen dritten, wenn auch nur zufälligen Vortheil gewährte ihm die freundschaftliche Verbindung mit dem Pater Martini, dem gelehrtesten Musiker seiner Zeit, der damals seit fünfzig Jahren schon an einer Geschichte der Tonkunst arbeitete, und, obgleich Italiener, einen Mann von Talent und Geist aufrief, der, wie er glaubte, nach Art der Griechen, die wahre Redekunst der Musik, das ist die Kunst, die Leidenschaften zu erregen, und nicht allein das Gehör, sondern auch den Geist aller Männer von Geschmack wieder zu erwecken fähig wäre – ferner seine Verbindung mit Calzabigi, der in den Dichtungen, Handlungen und Leidenschaften einiger Meisterwerke der französisch-lyrischen Tragödie die Hebel gefunden hatte, wodurch die Vereinigung der Poesie mit der Tonkunst, und die innere Kraft der griechischen Tragödie wieder erneuert werden könnte, – eine Entdeckung, die ihn bestimmte, für Gluck's Musik Verse zu schreiben, und unsern Gluck bewog, diesen Versen seine Musik zu weihen.

Auch jenseits der Alpen gab es eine Partner, die unserem Orpheus eine tiefe Kenntniss der Harmonie zwar nicht abläugnen konnte, jedoch ihm die Gabe des Gesanges und der Melodie geradezu abzusprechen wagte. Diese Parthei warf ihm Unzartheit der Gedanken, und den gänzlichen Mangel jener süssen Eigenthümlichkeiten vor, womit die italische Musik das Ohr fesselt. Sie verschrie die Motive seiner Arien als gemein und bizarr; ja, sie behauptete, dass selbst die angenehmsten derselben durch den Mangel einer genügenden Entfaltung wirkungslos blieben. Seine Instrumentalbegleitung sei zwar an sich rein, aber monoton, sein Recitativ schwerfällig und plump.18

Die Entwicklung der musikalischen Ansichten Gluck's war nachgerade das Ergebniss der sich durchkreuzenden Ideen der Talente und Schöpferkräfte aller Länder; sie war nun auch der Gegenstand und das Ziel jenes europäischen Journals, das[273] von J.B.A. Suard und dem Abbé François Arnaud, Beide Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, mit dem Titel: »Journal étranger« und »Gazette littéraire« mit so günstigem Erfolge redigirt und herausgegeben wurde.

Es lag in der Natur der Dinge, dass Alle, die dazu beitragen konnten, die noch schlummernden Keime des Gluck'schen Geistes vollends zu wecken, oder dessen Ausbildung zu beschleunigen, an seinen Schöpfungen den innigsten und lebhaftesten Antheil nahmen, und dass sie, nachdem sie seine Musik mit überschwenglichem Vergnügen angehört hatten, dieselbe auch mit überschwenglichem Beifalle krönten, und lediglich die alten Gewohnheiten und jene daraus entsprungenen Vorurtheile bekämpften, vermöge welcher nur solche italische Tonsetzer, die ihr Vaterland nie verlassen hatten, im Stande wären, eine Musik zu liefern, welche der Sprache, dem Ohre und der tragischen Oper der Franzosen vollkommen zusagen würde.

Die Ersten stützten sich auf die Wichtigkeit von Thatsachen, die unser Urtheil mächtig bestimmen; dann auf den grossen Einfluss der Eindrücke, die unsere Seele beherrschen; die Andern beriefen sich auf Theorien, und auf alle jene Werke, die Piccini und Sacchini einst liefern könnten, bis jetzt aber noch nicht geliefert hatten.

Die Letzteren, lauter bekannte französische Schriftsteller und Philosophen ersten Ranges waren sehr zahlreich. Zu den Ersteren gehörte der Abbé Arnaud und M. Suard, die lange Zeit hindurch allein gegen jene in die Schranken traten.

Aber noch ein anderer Mann verband sich mit diesen, und fast durch ein einziges Wort: allein dieses Wort war nicht in den Lüften verhallt. – Und der Mann, der dieses Wort sprach, war Rousseau. Man legte ihm die Frage vor: »Was denken Sie vom ›Orfeo?‹« – Und er antwortete darauf: »J'ai perdu mon Euridice!« – Dieser Ausspruch hiess weniger sein Urtheil über die französische Musik, als seine frühere Meinung über die Untauglichkeit der französischen Sprache für Musik zurücknehmen.

Rousseau's Name und sein Widerruf waren zwei mächtige Gewichte in der Wagschale. Marmontel glaubte nicht[274] weniger, er werde das Uebergewicht auf seine Seite bringen, weil er in seiner, den Kampf eröffnenden Flugschrift: »Essai sur les Révolutions de la Musique en France« die Vorsicht beobachtet hatte, Rousseau's Namen nie zu nennen: doch je weniger er dieses that, desto mehr erinnerte er an ihn. Es lässt sich nun leicht denken, dass er in grosse Versuchung gerieth, Abbé Arnaud's Brief über die »Iphigénie en Aulide,« der von Laharpe so beifällig dem Druck übergeben worden war, mit demselben Stillschweigen zu übergehen. Er schlug daher einen andern Weg ein; er hob aus demselben nur einen Satz aus, aber nicht, um ihn zu widerlegen, sondern ihn lächerlich zu machen: doch lachte er darüber lange Zeit nur ganz allein. – Man hatte seine Brochure mit Vergnügen aufgenommen, weil sie in der That ein vielseitiges literarisches Verdienst entfaltete, und vor manchen vortrefflichen Artikeln sich auszeichnete, die man in dessen »Elemens d'Eloquence et de Poésie« findet. Auch dachten viele Leute von Geschmack, dass in der ganzen Flugschrift nicht ein Satz enthalten sei, der jenem des Abbé Arnaud an Schönheit gleiche.

Man hielt noch andere Bemerkungen und Vorwürfe in Bereitschaft. Man gestand sich allgemein und offen, das Nothwendigste, was zu dem, von Marmontel behandelten Gegenstande gehöre, wäre darin gerade am wenigsten zu finden, nämlich das Gefühl für Musik, und eben dieses war es, was überall, unter den mannigfaltigsten Formen der harmonischen Schreibart in Abbé Arnaud's Briefe sich ausspricht. In diesem ist Alles der Kunst entlehnt, Begriff und Ausdruck; die Begriffe verwandelt er in Gefühle, und die trockensten Kunstausdrücke in Bilder. Ueberall herrscht Anmuth und Leben, wie in der Musik, die ihn begeisterte; und indem er von derselben spricht, glaubt man das Orchester, die Gesänge, die Chöre des »Orfeo,« der »Alceste« und der »Iphigénie« zu hören. Vor Rousseau, Didérot, Winckelmann und Arnaud war keine Abhandlung von solch einem rednerischen und musikalischen Nachdrucke.

Eine gleiche durchdringende Wärme belebt jede Zeile des damals hochgepriesenen Artikels, den Voltaire über die »Iphigénie[275] en Aulide« schrieb. Sie hat Laharpe's Geschmack entflammt und ermuthigt, als er mit seiner Beredsamkeit Racine's und Voltaire's Dichtungen erklärte; als er seinen »Cours de Lycée« schrieb, ohne welchen man gezweifelt hätte, ob die Natur ihm die, einem Redner, Dichter und Kritiker nöthigen Gaben wirklich verliehen habe. Allein weder in Laharpe noch in Voltaire hat die Begeisterung jene religiöse Kraft hervorgerufen, die das Erhabene in den schönen Künsten noch höher hebt; sie schrieben nur im Geschmack ihrer Sprache und ihres Volkes; Abbé Arnaud hingegen schrieb mehr im Geschmacke der Alten, dieser ersten grossen Lehrer in der Redekunst, die selbst der Schreibart, in der sie ihre Lehren vortrugen, Poesie und Leben einhauchten. Aber die einer solchen Begeisterung Unfähigen lachten darüber; und das, Anfangs eben so sehr, wie Gluck's neue, überaus herrliche Musik, bewunderte Schreiben, wodurch die Franzosen die hohen Reize und Wirkungen jener Musik besser kennen und fühlen gelernt hatten, wurde gerade jetzt lächerlich gemacht, als Arnaud, vielleicht der Comtesse Dubarry zu Gefallen, welche die Chorführerin der italischen Parthei war, den Plan entwarf, den allzu glänzenden Fortschritten des deutschen Tonsetzers Einhalt zu thun, damit es Italien nicht zu schwer fallen möchte, ihn zu übertreffen, oder ihm wenigstens die Wage zu halten.

Man belachte das Wort »Anapèste,« dessen Arnaud sich in seinem Schreiben bedient hatte, als ob die Benennung dieses griechischen, auch in der französischen Sprache häufig vorkommenden Sylbenmasses irgend eine Affektation oder Pedanterie in sich schlösse, wenn man es auf den Rhythmus und das Zeitmass der Musik anwendete. Noch mehr belachte man den »Choeur Virginal« (Jungfrauen-Chor), wie Arnaud ihn nennt, obschon man an das heilige Feuer und an die Vestalinnen der Oper schon längst gewöhnt war, und auch den »Choeur Sacerdotal« (Priester-Chor), der in der »Alceste« den günstigsten Erfolg gehabt hatte, und den Uebergang zu dem jungfräulichen bildete.

So standen die Sachen, als Laharpe, der in seinem Namen nicht alle, den ersten Vorstellungen der Oper »Iphigénie«[276] gespendeten Lobsprüche widerrufen konnte, bei der Wiederholung derselben solche Kritiken anführte, die nur er allein gehört zu haben vorgab, und mit seinem glänzenden Talent unterstützte. Diese Kritiken hatten zwei verschiedene Zwecke: erstens suchte man damit zu beweisen, dass dem Ritter von Gluck aller Gesang fehle, und zweitens, dass er Sachen in Musik setze, die zum Gesange sich nicht eignen.

Laharpe, der in dieser Gattung von Streitigkeiten sonst immer den Sieg davon trug, – konnte mit Recht auf eine Antwort hoffen, und – er durfte darauf nicht lange warten. Sie erschien bereits am dritten Tage im »Journal de Paris,« und gefiel allen Lesern so wohl, dass sie Laharpe in eine nicht geringe Verlegenheit setzte. Sie umfasste nur zwei bis drei kleine Seiten, und erklärte sich in kurzen, aber kräftigen und fasslichen Sätzen: denn schon beim ersten Blick war deren Inhalt Jedermann klar, und tief eingeprägt; Alles war streng logisch abgefasst, was jenem, dem es an Logik gebrach, um so schrecklicher schien.

Ueber das Duo zwischen Agamemnon und Achilles hatte Laharpe sich geäussert: »Es vertrage sich durchaus nicht mit der Würde dieser Helden, dass sie zu gleicher Zeit redeten.« Man gab ihm zur Antwort: »So sind nun drei Viertheile sämmtlicher Opern in der Welt durch einen einzigen Federzug geächtet: denn in allen herrscht derselbe Verstoss gegen diese Schicklichkeit.« Man fügte hinzu: »Wenn ich Herrn Laharpe sagte, dass beide Helden nicht miteinander sprechen, sondern singen, so bin ich überzeugt, dass er mich verstände, und seinen Satz auslöschen würde.« Laharpe sagte ferner: »Achilles und Agamemnon können auch im Gesange nicht mit einander streiten.« – Man gab ihm zur Antwort: »Eben so wenig in französischen Versen« – und fügte noch hinzu: »Laharpe hätte beim Ueberlesen dieser Kinderei sich wundern sollen, wie sie seiner Feder entschlüpfen konnte.«

So folgte eine Antwort der andern, gleich scharfsinnig und kräftig. Der Kritiker von Vaugirard zeichnete seinen Brief nur anonym und dieser Schleier, in den er sich hüllte, machte ihn um so pikanter. Niemand wollte glauben, dass er nicht mitten[277] in Paris geschrieben worden wäre, obgleich Vaugirard nicht fern von der Hauptstadt liegt; und Jedermann wollte den Verfasser errathen.

Dem anonymen Schreiber konnte es durchaus keinen Aerger verursachen, dass man ihn nicht errieth; man suchte ihn nur unter den geistreichsten Köpfen, unter Leuten vom feinsten Geschmack und den glücklichsten Talenten.

Laharpe's gereiztes Gemüth ward durch diesen Umstand noch mehr angefeuert, das Schreiben zu erwidern. Er übereilte sich jedoch nicht, um in eine neue Kinderei zu verfallen, oder sonst eine Blösse zu geben. Man harrte auf seine Antwort durch siebzehn volle Tage. Er gab sich dadurch den, für ihn sehr vortheilhaften Anschein, als wolle er noch eine Wiederholung der »Alceste« abwarten, und lobte mehrere Schönheiten dieser Oper im Styl des Lobredners eines Racine.

Allein der Artikel, der mit Lobsprüchen begann, schloss mit Zornesworten; und da derselbe von einer ziemlichen Länge war, liess er hoffen, dass der anonyme Verfasser in der Antwort sowohl seine Kürze als seine Verhüllung verlassen werde.

Dieser, sich zu einem ziemlich geharnischten Federkrieg unter den Gelehrten heranbildende musikalische Streit konnte leicht zahlreiche Kämpfer in die Schranken rufen: allein Marmontel, obschon mit dem literarischen Erfolge seiner Flugschrift zufrieden, glaubte doch noch weit mehr gegen Gluck zu wirken, wenn er die Oper »Dido« für Piccini schrieb.

Später sollte noch ein anderer Mann an diesem Streite Antheil nehmen; es war Ginguené, der die italische Musik mit allem Jugendfeuer liebte; der die Kunst in allen ihren Geheimnissen der Ausführung, so wie in der Komposition studirt hatte, und mit jenem Scharfsinn und feinem Gefühle, womit er später vor den Augen Italiens und Frankreichs, und zwar mit dem glücklichsten Erfolge die charakteristischen Züge eines Dante, Tasso und Ariosto auffasste und darstellte, alle Wirkungen der Musik zu entfalten und dem Gemüth einzuprägen bemüht war.

Der musikalische Krieg war demnach in diesem Augenblicke nichts als ein Zweikampf zwischen Laharpe und einem anderen[278] literarischen Kämpfer, der mit geschlossenem Visir in die Schranken trat. Ein solcher Kampf flösste schon darum ein hohes Interesse ein, weil es nur zwei Kämpfer waren, die sich befehdeten: aber auch desshalb, weil Einen derselben Jedermann, den Andern Niemand kannte.

In einem zahlreichen Gewühl von Schriftstellern und Kämpfern ist es schwer, die Streiche zu bestimmen, die geführt und aufgefangen werden; eben so schwer ist es, ohne Irrthum zu entscheiden, von wem und wodurch der Sieg errungen wurde. Bei zwei Kämpfern lässt sich das genauer wahrnehmen und beurtheilen, indem alle ihre Bewegungen, ihre Kraft, und Gewandtheit den Blicken der Zuschauer Preis gegeben sind. Denn je nutzloser die Einzelkämpfe im Kriege ganzer Nationen, desto vortheilhafter sind sie für den menschlichen Geist auf dem Gebiete der Literatur, wie einst die Kämpfe zwischen Aeschines und Demosthenes, Cicero und Hortensius.

Obwohl Laharpe sehr auf seiner Hut war, so gerieth er doch neuerdings in Irrthümer. Sie wurden stets von dem Anonyme de Vaugirard, jedoch immer mit jener französischen Feinheit aufgegriffen, die nur die Fehler mit Verachtung bezeichnet, dem Fehlenden aber mit Artigkeit begegnet.

Der Anonyme sagte: »Diejenigen, welche die Hilfsmittel einer Kunst nicht kennen, und der grossen Geschicklichkeit entbehren, die Wirkungen derselben zu berechnen, sollen sich nur darauf beschränken, von ihrem Gefühle zu sprechen.« Er gestand damit nicht allein Hrn. Laharpe, der zu mehreren Malen als Redner gekrönt worden, und tragischer Dichter zugleich war, sondern auch dem ganzen Publikum das Recht zu, über die Musik zu urtheilen, jedoch nur nach ihrem Gefühle und nach den Eindrücken auf ihr Gehör und ihre Seele. Laharpe gab sich auch Mühe dieses ihm zugestandene Recht auszuüben, und seine Competenz selbst auf den Ausspruch ausdehnen zu sollen: »Warum ihm dieses oder jenes gefallen oder missfallen habe.« Denn es ist einleuchtend, dass dieser Satz zugleich die Forderung an das Recht ausspricht, die von ihm erkannten Gränzen zu überschreiten, weil es klar ist, dass das Warum immer in das[279] Bereich der Kunst, und nicht in jenes der Gefühle gehöre. Laharpe führte den Abbé Dubos an, der ein sehr gutes Buch über die Poesie, Malerei und Musik geschrieben habe, ohne eine Note in der Musik verstanden, noch jemals einen Vers geschaffen, oder ein Gemälde sein Eigenthum genannt zu haben. Allein Laharpe hatte dabei nicht überlegt, dass es dem Abbé Dubos gleichgiltig war, ob er ein Gemälde besitze oder nicht, da er täglich Gelegenheit hatte, die Gallerien der Könige und Fürsten und die Sammlungen reicher Liebhaber zu besuchen, und zu studiren; er hatte auch eine Reise über die Alpen unternommen, um Italiens Kunstschätze im Lande der Kunst kennen zu lernen. Noch weniger bedachte Laharpe, wie schwer er die Menschen zu dem Glauben verleiten würde, dass derjenige, der ohne Unterlass lateinische und französische Verse liest, nie einen französischen Vers habe machen können, da jeder, nur einigermassen fähige Schüler die ganze Lehre des Versbau's in einigen Vorlesungen leicht aufzufassen im Stande ist.

Man hatte Gluck den Mangel an Melodie vorgeworfen; darauf antwortete der anonyme Verfasser, dass in der »Iphigénie« mehr Melodie zu finden sei, als in jeder andern italischen Oper. Diese Antwort wäre gut, erwiderte Laharpe, wenn sie die Vergleichung der französischen Oper mit der italischen überhaupt beträfe. Um das handelt es sich eben, antwortete der Andere! Wenn es wahr ist, dass Gluck seinen Opern mehr Gesang gegeben habe, als die besten Tonsetzer der Welt den ihrigen, so erscheint es sonderbar, ihm den Mangel an Gesang vorzuwerfen. Würde Laharpe einen Dichter wohl des Mangels am Pathetischen beschuldigen, dessen Tragödie gerade im Pathetischen die Tragödien eines Racine oder Voltaire überträfe? – Laharpe hielt an seiner Meinung fest; und, nachdem er mehrere Arien von Gluck angeführt hatte, die, seiner Meinung nach, der Situation und den Personen nicht angemessen wären, weil sie theils schwach und gemein, theils in höchst tragischen Momenten von frostiger Länge seien, so verlangte er den Beweis, dass die genannten Arien die gerügten Fehler nicht an sich trügen; und die Antwort des Anonymen war folgende:[280] »Ich frage zuerst Hrn. Laharpe, wem ich alles dieses beweisen soll? Dem Publikum wohl nicht; dieses hat seit Jahr und Tag noch nicht aufgehört, die ›Alceste‹ anzuhören, und gerade dieselben Arien mit dem Beifalle des Entzückens zu belohnen. – Hier ist also kein Beweis nothwendig! – Etwa jenen Liebhabern der Musik, die den Verstand an die Stelle der Ohren setzen, und die unendlichen Verbindungen der Kunst auf das kalte und eintönige Ebenmass der von den Italienern ihren Arien verliehenen Formen zurückführen wollen? Auch diesen beweiset man nichts: denn sie sind es eben, die beweisen wollen! – Wäre es vielleicht Hr. Laharpe selbst? – Doch wie soll man ihm das beweisen, was er noch nicht gefühlt hat? – Vielleicht nur darum, damit man doch endlich einmal wisse, wie man dabei zu Werke gehe?« –

Laharpe, durch die Bemerkung ein wenig gedemüthigt, dass zwei Helden, welche singen, nicht zwei Helden sind, welche sprechen, liess es sich gefallen, dass zwei Helden ihr Unglück, ihre Freundschaft, ihre Besorgnisse, ihre Liebe zu gleicher Zeit sängen, wollte aber doch nicht zugeben, dass zwei Helden sich im Duette stritten, und bedrohten, wie in der Oper »Iphigénie« Agamemnon und Achilles.

»Ich, meines Theils,« – antwortete der Anonyme, – »finde es sehr gut, wenn zwei Personen in der Oper Alles nach Belieben zusammensingen, nur müsse ihr Gesang richtig, und die Musik demselben angemessen seyn. Will man auch die Regeln der Schicklichkeit und der Wahrheit in Anspruch nehmen, so finde ich noch, dass ein Duett vielleicht nur dann ganz natürlich ist, wenn darin zwei Menschen mit einander zanken, oder sich bedrohen. Ich habe nie zwei Personen von ihrem Unglücke, ihrer Freundschaft, ihren Besorgnissen, ihrer Liebe u.s.w. zu gleicher Zeit reden, wohl aber zwei, in Zorn gerathene Menschen zu gleicher Zeit zanken hören.«

Diese Behauptungen und Widerlegungen, die, neben einandergestellt, Jedermann schon beim ersten Blicke klar waren, glichen jenen Bühnen-Dialogen, die von leidenschaftlichen Charakteren rasch und kräftig hervorgebracht werden. Der Verstand[281] würde weit sichrere und schnellere Fortschritte machen, wenn man stets, wie hier, aller lang gedehnten Abhandlungen enthoben wäre. Man behauptet oft etwas mit wenigen Worten: allein die siegreich schlagende Widerlegung einer falschen Behauptung in eben so wenigen Zeilen oder Worten bleibt ein höchst seltenes Verdienst.

Und eben darin bestand die Ueberlegenheit des Anonyme de Vaugirard über Laharpe in der Meinung der ganzen Stadt Paris, und selbst in den Augen derer, welche Piccini's Gesänge jenen des Ritters v. Gluck vorzogen.

Diese schlagfertigen Kämpfe konnten mit Laharpe nicht in die Länge dauern, da dessen musikalische Kenntnisse nicht ausreichten, und die Eindrücke der Kunst auf seine Sinne und sein Gemüth viel zu schwankend waren. Der Anonyme gab nun seinen Ansichten und Betrachtungen ein weit ausgedehnteres Feld, indem er sich von Laharpe gänzlich trennte, um mit der zierlichsten und lichtvollsten Genauigkeit die, dem Anscheine nach sehr leichten, in der That aber sehr wichtigen Unterschiede zu bestimmen, die das Pathetische der tragischen Gesänge von dem Pathetischen der Arien der Bouffons unterscheiden; um ferner die ganze Kraft der Grundsätze und der Wirkungen des Gluck'schen Orchesters zu entwickeln, das nicht nur die, auf dem Theater dargestellte Handlung begleitet, sondern auch sich in dieselbe mischt, wodurch der Tonsetzer aus allen seinen Instrumenten eben so viele, an der Handlung den lebhaftesten Antheil nehmende Personen bildet, welche ruhig oder leidenschaftlich, gerührt oder rasend, klagend oder heroisch dastehen; um endlich auch auf den, ihm gemachten und schwer auf seinem Herzen lastenden Vorwurf zu antworten, dass er den Enthusiasmus bis zur Unduldsamkeit, ja bis zur Tyrannei steigere.

Die Fragen wurden wichtiger, und der Anonyme warf mit derselben Leichtigkeit noch drei Artikel in seine petites lettres, nämlich den über den Enthusiasmus, als das einzige Mittel, für die Künste wahrhaft empfänglich zu seyn, sie aufzumuntern und zu belohnen; zweitens jenen über die Unduldsamkeit,[282] die als etwas in allen Verhältnissen Gehässiges immerdar verwerflich ist, und in Gegenständen des Gefühls und des Vergnügens oft den Gipfel des Lächerlichen ersteigt; und endlich drittens den Artikel über den Partheigeist, als die blindeste, unvernünftigste und rasendste aller menschlichen Leidenschaften, selbst dann, wenn er einem frivolen Gegenstande nachjagt: denn er ist nichts, als die natürliche Hartnäckigkeit des Hochmuthes, erhöht durch jene gefährliche Macht, die den Gesinnungen einer Menge ungewöhnliche Stärke leiht.

In der Abhandlung über diese drei Artikel, erkannte man dasselbe Gepräge des Geistes, dieselbe Folgerichtigkeit, dieselbe Wahrheit: allein alle drei Attribute fanden ihren Mittelpunkt in den Ideen einer höheren Ordnung; man glaubte darin sowohl den Charakter eines ausgezeichneten Talents als die Wirkungen einer schönen Schreibart wahrzunehmen. Damals vermehrte sich die Zahl der Schriftsteller, die der, zwar ehrenvolle, aber stets irrig rathende Verdacht, der Urheber dieser Briefe gewesen zu seyn, abwechselnd traf, bis man zwischen den Namen Didérot und Rousseau zu verweilen schien.

Seit den achtzehn »Petites lettres« des Pascal, die eine so rühmliche Reform in der Sprache, in der Plaisanterie und in der Redekunst des französischen Volkes bewirkt hatten, sind nicht mehr als fünf oder sechs Briefe, die auch nur annäherungsweise »Petites lettres« genannt werden konnten, über was immer für Fragen aufeinander gefolgt; nie sind derlei Aufsätze mit mehr Ungeduld erwartet, nie mit grösserem Vergnügen gelesen, oder mit allgemeinerem Beifalle aufgenommen worden. Von allen Seiten strömte man in das Café de Foi und du Caveau, wo sie öffentlich vorgelesen wurden, und man drängte sich bis zum Ersticken, um sie besser zu hören. Entzückt klatschte man in die Hände, und rief ein »Bravo« nach dem andern, wie unserem Tonsetzer und seiner Musik.

Diese eben so gleichzeitigen als günstigen Erfolge sicherten den »Petites lettres,« und der Musik, der sie galten, und welchen Beiden ein schnelles Untergehen und Vergessen geweissagt wurde, jene erfreuliche Dauer, welche die Natur selbst Allem[283] gewährt, was in den Schöpfungen der Künste, in der Weise sie zu geniessen, und in den Grundsätzen ihrer Theorien der Wahrheit gemäss ist.

Marmontel warf in seiner Flugschrift die Frage auf: »Wer wird diese Angelegenheit entscheiden?« – und antwortete darauf: »Die Erfahrung; alles Andere kann uns täuschen! Nur dieser Lehrerin müssen wir uns unterwerfen!« – Doch – Marmontel selbst musste Jahrelang die Wechselfortschritte einer Musik erfahren, die er nicht liebte; und eben diese war es, die noch lange nach seinem Tode eine glänzende Oberherrschaft über jene Musik behauptet hat, der er den Vorzug einräumte.

Die Erfahrung eines halben Jahrhunderts erhob Gluck's Ruhm weit über den Ruhm aller Sänger – den thracischen nicht ausgenommen – und in diesem Zeitraume der Erfahrung war es nur der Begeisterung Gluck's möglich geworden, dass seine Nachahmer, ja selbst seine Nebenbuhler, durch die man ihn zu verdunkeln suchte, auf der tragischen Bühne sich ihm nur nähern konnten. Alle Harmonien wurden so zu sagen aus denselben Saiten hervorgerufen, auf welchen Gluck die seinigen ertönen liess. Sie wurden die Hauptgegenstände der Conzerte und Schaubühnen, nirgends wollte man mehr singen, bloss um zu singen; die Töne verwandelten sich nun in Leidenschaften, durch Stimmen ausgedrückt und von den Gemüthern empfunden. Seit Gluck hat diese göttliche Kunst die innigste Verehrung in ganz Europa gefunden.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Anonyme de Vaugirard und jene Schriftsteller, die mit günstigem Erfolge in seine Fussstapfen traten, wie Piccini und Sacchini in die Fussstapfen Gluck's, viel dazu beigetragen haben, sowohl das Gehör, als das Gemüth der Franzosen für die Musik tauglicher zu machen, zarter zu bilden und in den Stand zu setzen, jene geheimen Reize der Melodie und der Harmonie ohne Beihilfe der Wissenschaft und tieferer Ueberlegung, die sie leicht erkälten, schnell zu fassen und wahrhaft geniessen zu können. Diese haben nur eine Kunst für die Analyse und Kritik einer Partitur[284] geschaffen – eine Kunst, die eben so nothwendig, aber zugleich schwerer und feiner ist, als jene, welche dem Volke die tiefsten Geheimnisse des poetischen und rednerischen Talents geoffenbaret hat: denn was die Italiener Dilettanti nennen, sind nicht die leidenschaftlichen und hohen Verehrer der Rede- und Dichtkunst in der Sprache, sondern jene in der Musik.

Der Anonyme de Vaugirard, von dem wir schon so lange gesprochen, und den wir noch nicht genannt haben, war kein anderer, als ein Mann, der es weder läugnete, noch zugestand, dass er der Verfasser aller jener Briefe gewesen sei, die er, ungeachtet ihres glänzenden Erfolges, niemals selbst gesammelt und unter seinem Namen herausgegeben hat. Sein Name ist Suard. So bescheiden dieser Gelehrte war, so musste er überaus wichtige Beweggründe haben, um den sehr natürlichen Versuchungen, seinen Namen bei Werken öffentlich zu nennen, die sowohl hinsichtlich ihres inneren Werthes als ihrer Erfolge für den Verfasser und für Gluck höchst rühmlich waren, standhaft zu widerstehen. Er hatte in der That noch andere, die uns sowohl mit Herrn Suard selbst, als auch mit jenem musikalischen Streit, dessen Geräusch erst im Getümmel der französischen Revolution unterging, näher bekannt machen.

Dieser kleine Krieg war, so zu sagen, mehr als ein Bürgerkrieg (plus quam civilia bella); er wurde von Männern geführt, die früher sehr alte und zärtliche Freunde waren. Dieses Verhältniss erschien den meisten noch achtungswürdiger, weil sie theils Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, theils auch durch gemeinschaftliche literarische Lieblingsarbeiten und Meinungen, deren Vor- und Nachtheile sie in der Welt gemeinschaftlich ernteten, innig verbunden gewesen sind. Dieses Band wurde nun bedeutend gelockert, ja es konnte gänzlich und für immer zerreissen.

Suard fühlte dieses schmerzlich und sprach es seufzend in jenen Briefen aus, die ihm so hohe Triumphe verschafften. »Ihr werdet sehen, wie um der Gesänge willen Freunde erkalten, gesellige Verbindungen sich auflösen und Gehässigkeiten entzünden werden. Das Publikum wird vielleicht dabei gewinnen:[285] denn Zänkereien dieser Art unterhalten es, so wie Alles, was die allgemeine Aufmerksamkeit und Neugierde anregt, an einen Gegenstand fesselt, auch zu dessen Aufklärung Stoff bietet. Allein die Führer dieses Streites werden dabei den Anstand, den Frieden und alle Vortheile verlieren, die sie durch die Fortdauer ihrer Einigkeit noch ferner hätten erringen können.« –

Das war eine Prophezeihung! – Da nun Suard diese widrigen Folgen voraussah, ergriff er auch alle Vorsichtsmassregeln, um jenen, so viel als möglich, vorzubeugen. Er hatte weder im Umgange noch in seinen Briefen von Marmontel's Flugschrift anders, als mit der grössten Achtung für dessen Kenntnisse und Talente gesprochen. Wenn er auch Laharpe in musikalischer Beziehung jedes richtige Urtheil absprach, so benützte er doch jede Gelegenheit, dessen Geschmack und literärischen Scharfsinn durch gerechte Anerkennung zu erheben.

Unglücklicherweise brach der Abbé Arnaud, der zwar ein sehr geistreicher Mann, aber ein schlechter Polemiker war, und noch dazu sehr wenig Mässigung besass, täglich von Neuem den Frieden, und Suard sah sich eben so oft in der Lage, ihn wieder herzustellen. Der Abbé war in seinem Leben nicht immer beschäftigt gewesen, homerische Perioden in französische Verse zu übertragen; ohne schlimmer zu seyn, als Boileau, übte er doch sehr lose Streiche. Er reimte mit Leichtigkeit das marotische Epigramm, und verstand es vortrefflich, den Schlussvers beissend zu machen. Marmontel konnte diese Epigramme, die man sich in Paris fleissig vordeklamirte, nicht unbeachtet lassen; Madame Suard war darüber trostlos, und dennoch konnte der Abbé über den Schmerz seiner Freundin lachen.

Suard, weder betrübt, wie seine Gattin, noch mit dem Pariser Publikum lachend, beschwor den Abbé umsonst, dieses Tirailleur-Feuer, womit keine Schlacht gewonnen, wohl aber die schönsten Siege herabgewürdigt würden, doch endlich einmal einzustellen.

Der Zorn des, in dem musikalischen Streite unterlegenen Marmontel konnte jedoch nicht von so kurzer Dauer seyn,[286] wie Arnaud's Epigramme. Nachdem er seinerseits auch deren einige in die Welt geschleudert hatte, die Paris nicht minder wohlgefällig aufnahm, weil man auch die, gegen die Sieger gerichteten Satyren gern las; eröffnete er, in dem Bewusstsein eines mit zahlreichen Pfeilen gefüllten Köchers, seiner Rache ein noch weiteres Feld, und dieses war ein satyrisches Gedicht in mehreren Gesängen. So oft er nun ein Stück vollendet hatte, las er es heimlich mehreren Freunden vor, die nicht ermangelten, es buchstäblich weiter zu verbreiten. Die schärfsten Pfeile waren aber nicht auf Arnaud, sondern auf Suard gerichtet. Er schoss sie demnach auf den eigentlichen Sieger ab, der Marmontel's Stolz, in Beziehung auf dessen Meinung über Harmonie und Melodie am meisten gedemüthigt hatte.

Man drang in Marmontel, seine Arbeit dem Drucke zu übergeben, und sicherte ihm den Erfolg der englischen Dunciade; er widerstand jedoch diesem Ansinnen, und bewahrte das Werk einem kommenden Geschlechte.19

Dieser zur Berühmtheit gelangte musikalische Krieg war eigentlich das Werk der Comtesse Du Barry, der Geliebten des Dauphin. Die Dauphine zog Gluck nach Paris, und jene, um dieser in nichts nachzugeben, liess Piccini kommen, und schmiedete hierzu die nöthige Kabale.20

1

Iphigénie en Aulide, Orphée, l'Arbre Enchanté, und Cythère Assiégée.

2

Der Marchese Caracciolo, Neapler Gesandter zu Paris.

3

Damaliger Opern-Direktor.

4

Siehe auch: Mémoires pour servir à l'histoire de la Révolution opérée dans la Musique par M. le Chev. Gluck, p. 42.

5

Als Gluck nach Paris kam, gab Marmontel daselbst unter den schönen Geistern den Ton an. Gluck, der Niemand's Lob erschleichen wollte, suchte weder dessen Gunst noch Schutz. Diess war genug, um den berühmten Schriftsteller sich zum Gegner zu machen. Wirklich erklärte sich auch Marmontel für die Parthei des Piccini, den er und sein Anhang, um Gluck zu meistern, von Neapel nach Paris riefen, und für welchen Marmontel auch Opern schrieb. Dieser nannte Gluck's Musik spottweise »une Musique Tudesque.« Hierauf bezieht sich folgendes Epigramm des oesterr. Dichters Ayrenhoff:

Dass Du die Musik Gluck's tudesque genannt,

Beschimpft, nur Deinen Witz, nicht sie,

Wiss' aber, dass Dir Gluck sehr gern den Spott verzieh;

Allein ein Spott, der seinen Zorn entbrannt,

War der, dass Dein Paris französisch sie genannt.

6

S. Leipziger musikalische Zeitung. 1802. S. 688.

7

S. Forkel's musikalisch-kritische Bibliothek 2. Bd. S. 366.

8

S. Grimm et Diderot, Correspondance. II. Edit. Tom. IX. p. 31.

9

Sowohl über die italische als französische »Alceste« und über Gluck's Musik dazu wolle der geehrte Benützer dieser Blätter auch v. Winterfeld's geistreiche Abhandlung nachlesen, die sich in dessen Werke: »Zur Geschichte heiliger Tonkunst« – 2. Bd. Seite 308–337 befindet.

10

Dem. Rosalie Levasseur, geboren zu Valenciennes, glänzte durch ihre schöne und starke Sopranstimme an der Pariser grossen Oper und spielte die Rollen der Gluck'schen Alceste und Iphigénie en Tauride mit dem ausgezeichnetsten Beifalle. Choron und Fayolle melden irrig von ihr, dass sie einst die Rolle der Iphigénie in trunkenem Zustande gespielt habe: allein diese ärgerliche Begebenheit trug sich mit der Dem. Laguerre zu, als sie bei der zweiten Vorstellung der Iphigénie von Piccini im Jahre 1781 die Hauptrolle sang. Die Levasseur lebte eine Reihe von Jahren zu Wien, in einem und demselben Hause mit der Wittwe Gluck im freundschaftlichsten Verhältnisse, von den Renten eines sehr grossen Vermögens, das sie sich theils als Sängerin, theils als Geliebte eines hohen Herrn erworben hatte. Nach dem Tode der Frau v. Gluck zog sie sich wieder nach Frankreich zurück.

11

S. Grimm et Diderot, Correspondance. II. Edit. T. IX. p. 76.

12

Mémoires pour servir à l'histoire etc. etc. p. 70. etc. dann Siegmayer's Uebersetzung etc. Seite 59 und Arnaud Oeuvres. T. II.

13

S. Mémoires pour servir à l'histoire de la Révolution opérée dans la musique par Mr. le Chevalier Gluck, p. 96 etc.

14

S. Mémoires pour servir etc. p. 93.

15

S. Schneider, L., Geschichte der Oper in Berlin. Berlin, 1852 gr. 8. S. 301.

16

S. Auswahl denkwürdiger Briefe von C.M. Wieland. Herausgegeben von Ludw. Wieland. Wien, Gerold 1815. 8. I. Bd. Letzter Brief.

17

S. Garat: Mémoires. Tom. II. p. 230 etc. –

18

Wer erkennt nicht in dieser Parthei den bereits erwähnten Forkel und seine Genossen, die es sich zur Aufgabe stellten, den grossen Tonsetzer in den Staub zu ziehen? –

19

S. Garat, D.S., Mémoires hist. sur le 18. Siècle et sur M. Suard. II. Edit. Paris, 1821. 8. T. II. p. 230 etc. etc.

20

S. Literatur- und Theaterzeitung. Berlin 1783. 1. Thl. S. 164.

Quelle:
Schmid, Anton: Christoph Willibald Ritter von Gluck. Dessen Leben und tonkünstlerisches Wirken. Leipzig: Friedrich Fleischer, 1854., S. 247-287.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gedichte. Ausgabe 1892

Gedichte. Ausgabe 1892

Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.

200 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon