Die Einstudierung und die ersten Aufführungen des »Figaro«

[195] Aus den »Reminiscences of the kings theatre« von O'Kelly


... Alle ersten Darsteller hatten den Vorzug, von dem Komponisten selbst einstudiert zu werden, der seine begeisterten Absichten in ihre Seelen überfließen ließ. Ich werde niemals sein nur wenig bewegtes Gesicht vergessen, in dem zuweilen die blitzenden Strahlen des Genies aufleuchteten. Es ist so unmöglich, es zu beschreiben, wie es sein würde, Sonnenstrahlen zu malen.

Eines Abends besuchte ich ihn. Er sagte zu mir: »Ich habe gerade ein kleines Duett für meine Oper vollendet; Sie sollen es hören.« Er setzte sich ans Klavier und wir sangen es. Ich war entzückt davon und die musikalische Welt wird mir recht geben, wenn ich verrate, daß es das Duett des Grafen Almaviva mit Susanne war ...

[195] Ich erinnere mich noch der ersten Probe mit vollem Orchester. Mozart war auf der Bühne mit seinem karmoisinroten Mantel und seinem mit goldener Schnur versehenen hohen Hut und gab den Musikern im Orchester das Tempo an. Benucci brachte Figaros Lied »Non piu andrai« mit der größten Lebhaftigkeit und Kraft der Stimme. Ich stand dicht neben Mozart, der mit leiser Stimme immer wiederholte: »Bravo, bravo, Benucci!« Und als Benucci zu der schönen Stelle kam: »Cherubino, alla vittoria«, die er mit wahrer Stentorstimme sang, war die Wirkung wie ein elektrischer Schlag: alle Darsteller auf der Bühne und alle Musiker im Orchester riefen, wie von einem Gefühl des Entzückens hingerissen: »Bravo, bravo, maestro! Viva, viva grande Mozart!« Ich dachte, die Musiker würden überhaupt nicht mehr aufhören zu applaudieren, so kräftig schlugen sie mit ihren Violinbogen gegen die Musikpulte. Der kleine Mann stattete durch mehrere Verbeugungen für den ausgezeichneten Beweis enthusiastischer Begeisterung, der ihm dargebracht worden, seinen Dank ab.

Dasselbe Zeichen des Beifalls wiederholte sich nach dem Finale des ersten Akts. Im Sextett des zweiten Akts, dem Lieblingsstück Mozarts in der ganzen Oper, hatte ich als stotternder Richter eine sehr hervorragende Rolle. Durch das ganze Stück hatte ich zu stottern, aber beim Sextett verbat es sich Mozart, denn ich würde, wenn ich es täte, seine Musik beeinträchtigen. Ich sagte ihm, obwohl es sehr anmaßend von einem Burschen wie mir erscheinen konnte, in diesem Punkt anderer Meinung zu sein, ich wolle es doch tun und ich wäre sicher, daß die Art, wie ich das Stottern hier anzubringen vorhatte, auf die andern Partien nicht störend einwirken, sondern einen Effekt machen würde; es sei zudem gewiß unnatürlich, wenn ich die ganze Rolle hindurch stotterte, nur im Sextett wie gewöhnlich [196] spräche und nach diesem Stück wieder anfinge zu stottern. Mozart stimmte schließlich zu, bezweifelte aber den Erfolg des Versuches. Überfüllte Häuser bewiesen, daß nie etwas auf der Bühne einen größeren Effekt gemacht hat: die Zuhörer wollten sich krank lachen und Mozart stimmte selbst ein. Der Kaiser rief zu wiederholten Malen Bravo! und die Nummer wurde laut applaudiert und zur Wiederholung gewünscht. Als die Oper vorüber war, kam Mozart zu mir auf die Bühne und sagte, indem er mir beide Hände schüttelte: »Bravo, junger Mann! Ich fühle mich Ihnen verpflichtet und bekenne, daß Sie im Recht gewesen sind und ich im Unrecht.« Es war sicherlich ein gefährliches Spiel, aber ich fühlte in mir, daß ich den beabsichtigten Effekt machen könnte, und der Erfolg bewies, daß ich mich nicht geirrt hatte. Am Schluß der Oper glaubte ich, die Zuhörer würden gar nicht wieder aufhören, Beifall zu klatschen und Mozart herauszurufen. Jede Nummer wurde wiederholt, sodaß die Oper fast die Länge von zwei Opern erreichte und der Kaiser sich veranlaßt sah, daß bei der zweiten Aufführung kein Musikstück wiederholt werden sollte. Nichts war vollkommener als Mozarts Triumph mit seinem »Nozze di Figaro«, den zahlreiche übervolle Häuser bezeugten ...


Lakonische Notiz in der »Wiener Zeitung«, 1786, Nr. 35


Montag 1. Mai wurde im Nationaltheater zum erstenmal aufgeführt ein neues italiänisches Singspiel in 4 Aufzügen, genannt Le nozze di Figaro, nach dem französischen Lustspiel des Hern. v. Beaumarchais bearbeitet von Hrn. Abb. da Ponte, Theatralpoeten; die Musik dazu ist von Hrn. Kapellmeister Mozart. La sign. Laschi, welche seit kurzem hier wieder angekommen ist, und la Sign. Bussani, eine neue Sängerin, erschienen dabey das erstemal als Gräfin und Page.


[197] Aus Leopolds Brief an Nannerl;

Salzburg, am 18. Mai 1786


... Bei der zweiten Aufführung von Figaros Hochzeit in Wien sind fünf Stücke und bei der dritten sieben Stücke wiederholt worden, worunter ein kleines Duett dreimal hat müssen gesungen werden ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 195-198.
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