Widerstände bei der Vorbereitung der Aufführung

[192] Aus den »Reminiscences of the kings theatre« von O'Kelly84


... Drei Opern waren in Vorbereitung, eine von Righini, eine von Salieri und eine von Mozart, auf besonderen Befehl des Kaisers. Mozart hatte Beaumarchais' französisches Lustspiel »Le mariage de Figaro« gewählt, das da Ponte mit großer Geschicklichkeit in eine italienische Oper umgewandelt hatte. Die drei Stücke waren fast zu gleicher Zeit zur Aufführung fertig und jeder Komponist nahm das Recht für sich in Anspruch, seine Oper zuerst herauszubringen. Der Wettstreit rief manche Uneinigkeit hervor und es bildeten sich Parteien. Die Charaktere der drei Männer waren sehr verschieden. Mozart war empfindlich wie Pulver und schwor, die Partitur seiner Oper ins Feuer zu werfen, wenn sie nicht zuerst herauskäme; sein Anspruch wurde von einer großen Partei unterstützt. Auf der andern Seite arbeitete Righini wie ein Maulwurf[192] im Finstern, ihm den Rang abzulaufen. Der dritte Kandidat war Hofkapellmeister, ein geschickter, schlauer Mann, voll von dem, was Bacon die Weisheit der krummen Wege nennt, und seine Ansprüche wurden von dreien der Hauptdarsteller unterstützt, deren Kabale schwer zu begegnen war. Jeder aus der Operngesellschaft nahm in dem Streite Partei. Ich allein war für Mozart tätig, und sehr natürlich, denn er hatte Anspruch auf meine wärmsten Wünsche durch meine Verehrung seines mächtigen Genies und die Dankesschuld, die ich ihm für viele persönliche Dienste zollte. Dem gewaltigen Kampfe wurde durch Se. Majestät ein Ende gemacht, die den Befehl erließ, mit den Proben zu Mozarts »Nozze di Figaro« sofort zu beginnen. Niemand freute sich mehr über den Triumph des kleinen großen Mannes über seine Nebenbuhler als Michael O-Kelly.


Aus den »Denkwürdigkeiten des Lorenzo Da Ponte von Ceneda«


Als Bussini85 von dem Ballett, das ich in meinem »Figaro« eingeschoben, hatte sprechen hören, lief er in aller Eile zum Grafen86 und äußerte in einem mißbilligenden Tone zu ihm: »Excellenz, der Poet hat ein Ballett in seine Oper eingelegt.« Der Graf ließ mich rufen und es entspann sich folgendes Gespräch zwischen uns:

»Sie wissen doch, mein Herr, daß Se. Majestät keine Balletts auf seinen Theatern duldet.«

»Wohlan denn, ich befehle Ihnen, das zu streichen, was Sie in Ihrem Stücke angebracht haben, Herr Poet. Wo ist die Scene?«

»Hier.«

Er riß jetzt zwei Blätter aus meinem Manuskript und warf sie ins Feuer; darauf gab er mir mein Libretto mit den Worten wieder zurück: »Sie sehen, [193] mein Herr, wie weit meine Macht reicht;« gleichzeitig beehrte er mich mit einem »Leben Sie wohl!«

Ich ging auf der Stelle zu Mozart, der, als ich ihm diesen Auftritt erzählte, so in Hitze geriet, daß er gleich zum Grafen gehen, Bussini durchprügeln, dann zum Kaiser eilen und seine Partitur zurückziehen wollte. Ich hatte die größte Mühe von der Welt, um ihn zu besänftigen; endlich bat ich ihn um eine zweitägige Frist und ersuchte ihn, mich handeln zu lassen.

Die Generalprobe war inzwischen angesetzt und ich ging im Voraus zum Kaiser, der mir auch versprach, sich ins Mittel zu schlagen. In der Tat geruhte er, dieser Probe beizuwohnen und der ganze hohe Adel Wiens begleitete ihn. Unter einstimmigen Beifall wurde der erste Akt abgespielt; er schloß mit einer Pantomime, während welcher das Orchester die Ballettnummern spielen sollte, da die Tänze dazu verboten waren; das Orchester schwieg. »Was bedeutet diese Pause?« fragte der Kaiser den hinter ihm sitzenden Casti. – »Das kann Ihrer Majestät wohl nur der Verfasser beantworten«, erwiderte der Abbate mit einem schadenfrohen Lächeln. Ich wurde gerufen; anstatt mich aber zu rechtfertigen, legte ich eine Abschrift meines Manuskripts Sr. Majestät vor, worin die Scene, so wie ich sie ursprünglich geschrieben, beibehalten war. Der Kaiser las sie durch und wollte wissen, warum die Tänze nicht stattfänden. Ich beharrte von Neuem bei meinem Schweigen. Er sah ein, daß ich nicht mit der Sprache heraus wollte und bat daher, zum Grafen sich wendend, um die Erläuterung, die ich zu geben mich weigerte. »Es fehlen die Tänze«, antwortete stotternd Rosenberg, »weil das Theater Ewr. Majestät kein Ballettkorps hat.« – »Aber die andern Theater haben welche und ich wünsche, daß alle Tänzer, die ihm nötig erscheinen, da Ponte zur Disposition gestellt werden.« Eine halbe Stunde später hatten wir [194] vierundzwanzig Personen, sowohl Tänzer als Figuranten. Das Ballett wurde aufgeführt. »Sehr schön!« rief der Kaiser und dieser neue Beweis von Beifall verdoppelte den Rachedurst im Herzen meines mächtigen Verfolgers ...


Aus einem Briefe Leopolds an Nannerls;

Salzburg, am 18. April 1786


... Am 18. geht Le nozze di Figaro zum erstenmal in die scena. Es wird viel seyn, wenn er reussirt, denn ich weiß, daß er erstaunlich starke Kabalen wider sich hat. Salieri mit seinem ganzen Anhange wird wieder suchen, Himmel und Erde in Bewegung zu setzen. Duschek sagte mir neulich, daß Dein Bruder so viele Kabalen wider sich habe, weil er wegen seines besondern Talents und Geschicklichkeit in so großem Ansehen stehe ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 192-195.
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