VII.

Der Fischersche Nachlaß.

Vom Herausgeber.


Während der Beschäftigung mit der deutschen Bearbeitung der ersten Auflage dieses Werkes war dem Herausgeber die Benutzung einer für Beethovens Jugendgeschichte wichtigen Quelle ermöglicht worden, nämlich der Aufzeichnungen des 1864 in Bonn verstorbenen Gottfried Fischer, des ehemaligen Besitzers jenes Hauses in der Rheingasse (934), in welchem zwei Generationen der Familie Beethoven jahrelang gewohnt hatten, und welches in früherer Zeit irrtümlich für das Geburtshaus des Meisters gehalten worden war. Es erschien damals nicht mehr angängig, die Ergebnisse dieser Aufzeichnungen in den abgeschlossenen Text hineinzuarbeiten; der Herausgeber entschloß sich daher mit Zustimmung des Verfassers, den Inhalt des Manuskripts mit kritischen und erläuternden Anmerkungen im Anhange mitzuteilen. Jene Verwertung für die Erzählung des Lebens hat nun, wie der Leser gesehen haben wird, bereits in der zweiten Auflage stattgefunden. Da aber das Manuskript nicht nur an sich selbst Interesse erregt, sondern noch eine Menge Einzelheiten enthält, welche im Texte keine passende Stelle finden konnten, so erscheint es auch jetzt erforderlich, seinen Inhalt wiederum wie damals der Kenntnis und Beurteilung der Beethoven-Verehrer gesondert vorzulegen. Folgende Bemerkungen müssen vorausgeschickt werden.

Gottfried Fischer war am 21. Juli 1780 in Bonn geboren, also ungefähr 10 Jahre jünger als Beethoven, dessen Familie damals wohl bestimmt in seinem elterlichen Hause wohnte. Seine Eltern waren der Bäckermeister Theodor Fischer, Altersgenosse und Jugendfreund Johanns van Beethoven, und Maria Susanna Katharina Rheindorf. Außer ihm erfreute sich von den Kindern derselben nur Cäcilia Fischer, geboren den 12. April 1762, also über 8 Jahre älter als Beethoven, eines langen Lebens; sie starb am 23. Mai 1845 im Alter von 83 Jahren. Das ist die bei den Verhandlungen über die Geburtshausfrage wiederholt erwähnte »Juffer Fischer« (vgl. oben S. 127 und den folgenden Anhang). Seit 5 Generationen, sagt Gottfried Fischer, sei die Familie »Bäckermeister-Fischer« im Besitze jenes Hauses gewesen; sein Urgroßvater habe in dem Keller desselben das Bombardement von 1689 miterlebt. [434] Vor demselben habe das Haus ein Schild mit der Aufschrift »in der Stadt München« gehabt; das wieder aufgebaute sei nachmals eins der höchsten Häuser in Bonn gewesen. Eine im Nachlasse vorhandene Urkunde des Kurfürsten Joseph Klemens vom 19. Nov. 1717 befreit dieses Haus von Bürgerwacht und Einquartierungslast. In dem Jahre nach Jungfer Cäciliens Tode, 1846, kam das Haus zum Verkaufe und wurde im Laufe der Zeit niedergerissen und durch einen Neubau ersetzt, an welchem man wiederum die demselben nicht zukommende Gedenktafel anbringen ließ; doch ist dieselbe jetzt weggenommen. Der alte Gottfried Fischer verlebte seine letzten Jahre im katholischen Hospital zu Bonn, in welchem er am 23. Februar 1864 gestorben ist.

Als im Jahre 1838, so erzählt der alte Fischer, die Anregung zur Errichtung von Beethovens Denkmal erging, und von allen Seiten die Künstler in Bonn zusammenkamen, um über Beethovens Jugend etwas zu erfahren, verwies man sie in das Haus Rheingasse 934, wo die Familie Beethoven vom Großvater bis auf den Enkel gewohnt habe, und wo die alte Haustochter Cäcilia Fischer und ihr Bruder Gottfried noch am Leben seien und Auskunft geben könnten. Was sie den Fremden damals erzählt hätten, habe jene erfreut und in Erstaunen gesetzt. Die fremden Herren hätten ihnen gesagt, sie seien verpflichtet, was sie von ihren Eltern als Tradition über Ludwig van Beethoven überkommen hätten, alles aufzuschreiben. »Ich nahm die Vorsicht«, sagt Fischer, und so sei auch im Jahre 1838 alles in Grundschrift niedergeschrieben worden. Letzteres mag in Beziehung auf den Anfang der Arbeit richtig sein; aber eine Durchsicht des Haupttextes sowohl wie der dazu gehörigen Brouillons zeigt, daß Fischer in allen folgenden Jahren weiterschrieb, daß er mit letzteren 1842 noch nicht fertig war, und daß er an ersterem z.B. im Jahr 1857 beschäftigt war, da er darin einmal sein Alter auf 77 Jahre angibt.

Der gute Alte legte auf sein Manuskript großen Wert und verlangte von Thayer drei- bis vierhundert Taler für dasselbe, worauf dieser auf die Benutzung verzichtete1. Auch mit Buchhändlern war er in Unterhandlung getreten, da er den Text alles Ernstes für den Druck bestimmt hatte. Nach seinem Tode erwarb der jetzt verstorbene Oberbürgermeister [435] Kaufmann die gesamten Papiere für das Archiv der Stadt Bonn und überließ sie dem Herausgeber zur Benutzung, wobei er letzterem über verschiedene darauf bezügliche Fragen dankenswerte Auskunft erteilte. Gegenwärtig befindet sich das Manuskript in den Sammlungen des »Beethovenhauses« in Bonn2.

Die vorhandenen Aufzeichnungen bestehen nun zunächst, wie bemerkt, in einem zusammenhängenden Texte, worin über den Großvater Beethoven, über Johann van Beethoven, über Ludwigs Jugend und über die Familienbeziehungen Bericht gegeben wird. Dazu kommt dann eine Masse von Entwürfen und Brouillons, teils ebenfalls in zusammenhängender Form, teils auf losen Zetteln und nur auf einzelnes bezüglich. In diesen liest man alles im Haupttexte schon Erzählte nicht etwa noch einmal, sondern häufig noch drei-, vier-, fünfmal; zuweilen findet man darin auch noch Einzelheiten erzählt, die in dem Haupttexte weggeblieben sind. Außerdem enthalten sie auch weitere Mitteilungen über Persönlichkeiten, die auf Beethoven keinen oder nur entfernteren Bezug haben, über welche aber Fischer aus Familientradition Nachrichten zu haben glaubte, die anderen unbekannt seien; so namentlich über den Kurfürsten Klemens August, über den Sänger Raaff, über die Familie des Theaterdirektors Großmann. Unter diesen ist vieles aus gedruckten Büchern abgeschrieben, von welchen der Alte meinte, sie seien keinem anderen zugänglich. So finden sich über Großmanns lange Mitteilungen aus Neefes Biographie der Frau Großmann (Göttingen 1784), von welcher beim Tode der letzteren auch die Familie Fischer ein Exemplar zum Andenken erhielt; über die Bonner Kriegsgeschichte hat er aus Vogels Chorographia Bonnensis lange Stücke abgeschrieben; aus Hofkalendern finden sich Verzeichnisse der Hofmusiker, sowie aus Musikzeitungen Gedichte und Äußerungen über Musik und über Beethoven. Noch andere Blätter beziehen sich eingehender auf die Frage nach dem Geburtshause, eine Frage, die den guten Alten, welcher unerwartet das vermeintliche Recht seines Hauses gefährdet sah, eindringlich und ängstlich beschäftigte. Eine Reihe von Zeugnissen hat er sich darüber zusammenzubringen gesucht, deren Beweiskraft uns später deutlich werden wird.

Scheint nun dieser Nachlaß auf den ersten Blick eine Menge unzusammenhängender und teilweise wertloser Mitteilungen zu enthalten, [436] so wird man bei näherer Einsicht fast noch mehr durch die Form derselben abgeschreckt. Man erkennt sehr bald, daß man es mit der Schreiberei eines völlig ungebildeten Mannes zu tun hat, der sein ganzes Leben lang kein ordentliches Deutsch sprechen, geschweige schreiben konnte; seine Sprache ist ein seltsames Gemisch des rheinischen Volksdialekts, welcher dem Schreiber gewohnt und geläufig ist, und des Hochdeutschen, welches er mit vergeblicher Mühe zu schreiben sich befleißigt. Dieser Bildungsmangel erstreckt sich, wie man erwarten kann, weit in das Sachliche; der Mann hat keinen Begriff von dem, was wichtig oder gleichgültig ist, hält sich ausführlich bei kindischen oder doch unwesentlichen Dingen auf, teilt eigene Familienbeziehungen mit, die niemanden interessieren, und fügt Betrachtungen und Exklamationen der abgeschmacktesten Art seinen Erzählungen bei, welche stellenweise die Mitteilung zu bestätigen scheinen, daß es in seinen letzten Lebensjahren mit seinem Geisteszustande nicht ganz richtig gewesen sei. Sicherlich konnte, wenn er eine derartige Anlage in sich trug, dieselbe durch diese ihm gar nicht natürliche Tätigkeit nur unterstützt werden. Man sieht, wie wichtig er sich erschien, da er sich als den zur Aufbewahrung der Erinnerung an Beethovens Jugend vorzugsweise Berufenen ansah, und ferner erkennt man, in wie hohem Grade ihn die immer stärker hervortretenden Zweifel affiziert hatten, daß sein Haus wirklich das Geburtshaus des großen Komponisten gewesen sei.

Aus dem Gesagten ergibt sich, mit wie ungemeiner Vorsicht die Fischerschen Mitteilungen zu benutzen sind, und daß bei ihrer Verwertung strenge kritische Sonderung zu üben ist. Man möchte fast versucht sein (wie es auch Thayer erging), sie als wertlos ganz beiseite zu lassen. Doch ein genauerer Einblick in den eigentlichen Text läßt bald erkennen, daß sich in dem wunderlichen Geschreibe wirkliche und wertvolle tatsächliche Erinnerungen finden, die teils auf Erzählungen der Eltern Fischers, teils und vorzugsweise auf die seiner Schwester Cäcilia zurückgehen. Man bedenke, daß der Anfang der Niederschreibung sieben Jahre vor dem Tode der letzteren geschah, und man beachte, daß sie fortwährend als Quelle, als Trägerin der meisten Erinnerungen in dem Manuskripte figuriert, und daß also der Hauptbestand völlig unter ihren Augen und nach ihren Erzählungen zustande gekommen ist. Ebenso hatten die Eltern ihm manches erzählen können, und ihm selbst konnten, wenngleich aus frühester Knabenzeit, dunkle Erinnerungen zu Gebote stehen. Cäcilia aber war in jenen Jahren der ersten Niederschrift, nach dem Zeugnisse des Dr. Hennes in einem später zu nennenden Aufsatze, bei völlig gesundem und rüstigem [437] Geiste; sie war, wie andere würdige Freunde ihr bezeugten, rechtschaffen und wahrheitsliebend, und sie konnte von den Dingen, welche sie erzählt, wenn jemand, eine gute Kenntnis haben. Sie mußte eine, wenn auch dunkle Erinnerung an den Großvater Beethoven haben und konnte sich jedenfalls mancher Erzählung ihrer Eltern über denselben erinnern; das Familienleben im Hause des Vaters aber und das Treiben des heranwachsenden Sohnes beobachtete sie als völlig erwachsenes Mädchen.

Die eine Bedingung für die Glaubwürdigkeit der Quelle ist also vorhanden; die Verfasser konnten das, was sie über Beethovens Leben im Hause erzählen, aus eigener Anschauung und aus authentischer Mitteilung wissen. Soweit das Fischersche Manuskript die Erzählungen der Schwester zur Grundlage hat, ist es eine unverächtliche Quelle. Es tritt nun die weitere Frage ein: wollten sie die Wahrheit sagen, und waren sie imstande, das von ihnen Wahrgenommene und Erkundete richtig zu verstehen? ordnet es sich in das sonst Bekannte ohne Anstoß ein? Ist die Lauterkeit dieser Quelle durch des Schreibers Verwirrungen, Phantastereien, Verwechselungen und namentlich durch die Tendenz, seinem Hause die Ehre des Geburtshauses zu retten, wieder verdunkelt worden? Denn so vieles in den Mitteilungen überrascht und als unzweifelhaft glaubwürdig sich darstellt, so ersichtlich unrichtig und unmöglich ist wieder anderes. Nach einer Vergleichung der Erzählungen untereinander und mit anderweitig Bekanntem beantworten wir diese Frage in folgender Weise.

Nirgendwo tritt die geringste Spur absichtlicher Erfindung hervor; sie würde sich auch mit dem allgemeinen Bildungsstandpunkte der Leute nicht vereinigen lassen. Fischer schreibt seine oder seiner Schwester Erinnerungen nach bestem Wissen und Können nieder und will nur das geben, was er weiß. Alles, was er erzählt, trägt die unzweideutigen Spuren persönlicher Erinnerungen und Traditionen, wie sie sich in dem Kopfe von Leuten dieses Bildungsgrades darstellten. Das zeigt sich in der Wiedergabe kleiner, bedeutungsloser Szenen, die niemand erfunden hätte; es zeigt sich in der Darstellung und Sprache bis in die Schreibung der Eigennamen hinein; diese letzteren sind in der Regel so geschrieben, wie sie im Dialekte der Familie gesprochen wurden, und es wird kein Versuch gemacht, nach ihrer richtigen Schreibung zu suchen. Viele Namen, die uns aus den Dokumenten und Verzeichnissen bekannt sind, gibt Fischer. der sie nur aus der Erinnerung haben konnte, in unrichtiger, oft abenteuerlicher und durch den Dialekt beeinflußter Orthographie und zeigt, [438] daß er für dieselben keine andere Quelle hatte, als die Tradition seiner Familie. Wenn er z.B. ein Fräulein »Gazinells Güpp« als Johann von Beethovens Schülerin nennt, die wir aus den Düsseldorfer Dokumenten und den Kirchenbüchern als Josepha Gazzinello kennen; wenn er in gleicher Weise von der Sängerin Haffertons, dem Violinisten Ruffangtini (Averdonk, Rovantini) spricht; wenn unter den Gönnern Beethovens ein Herr von Menizar aus Oberkassel begegnet (Herr von Meinertzhagen, s. u.), so hat man darin den deutlichen Beweis, einerseits, daß seine Quelle lediglich die mündliche Familientradition ist, und andererseits, daß diese Tradition auf tatsächlichen Grundlagen ruhte. Dasselbe sehen wir aus Mitteilungen, die mit anderweitig Bekanntem übereinstimmen oder wenigstens darin eine Erweiterung oder Erklärung finden oder selbst eine solche gewähren, wo aber die uns zugängliche Quelle dem alten Fischer sicher nicht zugänglich war. Dahin gehört z.B. das über den Musiker Rovantini Erzählte, welches in mehreren Hauptpunkten in den Kirchenbüchern und in den Düsseldorfer Dokumenten Bestätigung findet; ferner die Mitteilungen über Pfeiffer; und so sind alle die Freunde des Beethovenschen Hauses, die er an einer Stelle aufzählt und zum Teil ganz unrichtig schreibt, uns aus den genannten und anderen Quellen wohlbekannte Personen, ohne daß man nachweisen könnte, daß der alte Fischer einer anderen Quelle als seiner und seiner Schwester Erinnerung folge. Was über die Herkunft des Großvaters, über die Trunksucht der Großmutter als Tradition mitgeteilt wird, ist anderweitig beglaubigt. Über die holländische Reise, über welche Thayer aus anderer Quelle eine unbestimmte Andeutung bringt, gibt Fischer weitere, völlig glaubhafte Mitteilungen. Der Franziskaner-Bruder Willibald, den er als Lehrer Beethovens nennt, ist den Düsseldorfer Dokumenten und der Bonner Tradition in ähnlicher Weise bekannt, wie ihn Fischer schildert, ebenso der Minoritenpater Hanzmann; und was er von Anton Raaff erzählt, fügt sich, einige Verwechselungen abgerechnet, ebenfalls in das sonst über diesen Sänger Bekannte bequem und angemessen ein. Auch die Nachricht über die Verwandtschaft des Musikers Rovantini mit der Familie Beethoven erweist sich nach den Kirchenbüchern als richtig. Wo er wirklich einmal Näheres anzugeben wünschte, es aber wegen mangelnder Erinnerung nicht konnte, gesteht er einfach sein Nichtwissen ein, wie z.B. in bezug auf die Herkunft der Großeltern; wichtige Ereignisse läßt er ohne Zeitbestimmung, wenn er diese nicht zu wissen glaubt; und von den meisten Bonner Künstlern der späteren Zeit, als die Familie die Wohnung [439] verlassen hatte, wie den beiden Romberg, ferner von Graf Waldsteins Verkehr mit Beethoven, von der Familie von Breuning sagt er nichts und bemüht sich nirgendwo um einen Schein, alles wissen zu wollen, auch das, was seiner eigenen Kenntnis entrückt war. Alles das bestärkt die Überzeugung, daß an absichtliche Erfindung oder Täuschung nicht entfernt zu denken ist; Fischer wollte die Wahrheit sagen, und, fügen wir hinzu, er war in den Dingen, die seiner (oder seiner Schwester) Beobachtung nahe lagen und verständlich waren, auch imstande, sie zu erkennen. Wenn sich daher offenbare Fehler und Verwechselungen in den Berichten finden, so sind dieselben auf andere Ursachen zurückzuführen.

Eine dieser Ursachen ist nun vor allem die natürliche Unsicherheit aller Erinnerung und mündlichen Tradition, wenn sie eine längst vergangene Zeit betrifft; und diese mußte sich in dem Kopfe ungebildeter Leute nur noch höher steigern. Dieselbe zeigt sich besonders in der Zeitbestimmung und der Aufeinanderfolge der Ereignisse, wo große Verwirrung herrscht, und wo man fast nirgendwo festen Boden hat; hier muß meistens das anderweitig Bekannte zur Kontrolle herangezogen werden. Auch in den Namen und Personen kommen mehrfach Verwechselungen und Unrichtigkeiten vor, die wir aus anderen Quellen berichtigen können. Ferner wird man namentlich bei den Charakterschilderungen den Bildungsgrad der Leute zu bedenken haben; so ärmlich und ungeordnet auch die Verhältnisse in Beethovens elterlichem Hause gewesen sind, so wenig der Vater im öffentlichen Leben geachtet sein mochte, so stand doch die Familie gesellschaftlich weit über der einfachen Bäckerfamilie. Der Großvater war Kapellmeister gewesen; der Vater war angestellter Hofmusiker, hatte als solcher zuweilen bei Hofe zu erscheinen und war außerdem Musiklehrer in geachteten und gebildeten Familien; angesehene Personen besuchten das Haus; und so war die Beethovensche Familie für die Fischersche immerhin Gegenstand eines gewissen Respekts, und man wird die Äußerungen hoher Achtung vor Beethovens Eltern nur so weit gelten lassen dürfen, als sie anderen Angaben nicht widersprechen. Hier wird es als Gewinn zu betrachten sein, daß das edle Bild der Mutter Beethovens, wie es zerstreute Andeutungen an anderem Orte nahe bringen, eine nur noch vorteilhaftere Beleuchtung erhält. Im allgemeinen aber ist hier Vorsicht geboten.

Die Tendenz, das Haus zum Geburtshause zu stempeln, hat seltener zu Unrichtigkeiten geführt, als man vermuten möchte; dieselbe äußert sich mehr in Verschweigungen als in positiven Angaben. Unter anderem fällt [440] es auf, daß über die ersten Jahre der Ehe Johanns van Beethoven und über die Geburt der ersten Kinder keine bestimmte Erinnerung vorhanden ist, sondern nur kurze, sicherlich irgend woher zusammengeschriebene Notizen gegeben werden. Wir wissen, daß um 1767, in welchem Jahre Johann heiratete, der Großvater eine andere Wohnung bezog, und daß gleichzeitig auch Johann das Fischersche Haus verließ. Letzteres wird nun hier weder gesagt, noch auch bestimmt in Abrede gestellt, sondern durch das Schweigen soll gleichsam als selbstverständlich hingestellt werden, daß Johann in der Wohnung blieb; und doch will später Cäcilia »keinen Eid darauf ablegen«, daß die Familie 1770 wirklich da gewohnt habe. Sicherlich waren Fischers auch wirklich hierin anfangs in gutem Glauben, wenn auch ihre Erinnerung über jene Jahre, in denen Cäcilia ein kleines Kind war, sie gänzlich verlassen hatte; es lag ihnen ganz fern, eine andere Annahme als möglich gelten zu lassen, und erst als die Gegenbeweise immer schlagender hervortraten, wurden sie selbst unsicher.

Diese Betrachtungen mußten vorausgeschickt werden, um den Wert von Fischers Mitteilungen aus Beethovens Jugend ins rechte Licht zu stellen. Wo keine Absicht den Schreiber beirrt, wo die Erinnerung an bestimmte Tatsachen klar und deutlich ist oder gar Bestätigungen oder wenigstens Anknüpfungen in sonst Bekanntem empfängt, dürfen die Angaben Fischers oder vielmehr seiner Schwester als durchaus glaubwürdig angenommen werden. Sie haben uns manche neue und interessante Beiträge zur Geschichte von Beethovens Kindheit und Jugend geliefert: so über die näheren Umstände bei des Vaters Heirat, über die Persönlichkeit der Mutter, die Kinderspiele des Knaben, die Lehrer desselben und seine Beziehungen zu einzelnen Künstlern, Festlichkeiten im Elternhause, Reisen in die Umgegend und anderes. Alles dieses ist in der obigen Darstellung an seinem Orte verwertet. Natürlich muß sich in jedem einzelnen Falle die Prüfung wiederholen; auch darum schien es erwünscht, das Manuskript in seinen Hauptteilen noch einmal zusammenhängend mitzuteilen, damit auch der Leser jedesmal in den Stand gesetzt sei, zu urteilen3.

Nach dem früher Gesagten kann nun das Manuskript unmöglich so, wie es ist, mitgeteilt werden, da sowohl der Dialekt, wie die große und oft kindische Breite der Erzählung nur lästig sein und das Urteil [441] behindern würde. Mitteilungen über die Fischersche Familie, bei welchen Beethoven gar nicht oder nur ganz äußerlich vorkommt, haben vollends für andere gar kein Interesse. Dem Herausgeber lag daher zunächst die Aufgabe ob, das Unwesentliche auszuscheiden und das Breite zusammenzuziehen; dann, das Mitzuteilende unbeschadet des Sinnes in einigermaßen lesbares Deutsch umzusetzen, ohne doch den Charakter des Originals völlig zu verwischen. Dazu kam dann die Durchsuchung der Masse von Brouillons, um zu erkennen, ob außer dem im Haupttexte schon Gesagten sich noch Angaben finden könnten, welche als Zusätze der Einschaltung wert sein möchten. Er glaubt bei dieser Arbeit nichts Wesentliches übersehen zu haben, und kann versichern, daß er sich in dem eigentlichen Texte, abgesehen von jener »Verdeutschung« und den notwendigen Kürzungen, keinerlei weitere Änderungen erlaubt hat. Nur sind jetzt einzelne Stellen, welche im Texte der neuen Auflage selbst Aufnahme gefunden haben, weggelassen, um Wiederholung zu vermeiden; das wird jedesmal angegeben werden.

Um jedoch dem Leser die deutliche Einsicht von der Beschaffenheit des Materials zu lassen, ist die folgende Mitteilung so eingerichtet, daß alles, was in Fischers eigenen Worten gegeben ist, mit Anführungszeichen versehen ist, deren Fehlen also anzeigt, daß das Mitgeteilte nur einen Auszug enthält. Was aus den Brouillons der Beifügung wert erachtet wurde, ist in Klammern [] eingeschlossen und mit »Br.« bezeichnet; ohne diesen Zusatz bezeichnen diese Klammern etwaige kurze Zusätze des Herausgebers zur unmittelbaren Erläuterung; eingehendere Erläuterungen sind unter dem Texte gegeben.


Das Fischersche Manuskript.

Nachdem über das Haus Rheingasse 934 und die früheren Besitzer desselben, die Vorfahren des Schreibers, kurze Nachricht gegeben ist, heißt es: »Zur Zeit des Churfürsten Clemens August, den 1724ziger Jahren4, wohnten in oben besagtem Hause der Hofkapellmeister und gute Sänger Maria Joseph Balluinesius [Balduin?] Ludwikus van Beethoven mit seiner Ehegemahlin; sie hatten ein Kind, einen Sohn, Johann van Beethoven; sie wohnten auf der zweiten Etage zur [442] Miethe.« Die einzelnen Räume, die sie innehatten, werden aufgezählt. »Das Porträt des Herrn Hofkapellmeister Ludwig van Beethoven in männlicher Größe hing in einem vergoldeten Rahmen in der Mitte des Zimmers links nach der Straße, wo gegenüber rechts sein Klavier stand, sitzend auf einem Sessel, Pelz, Kleidüberzug mit Schlängeln, sammtne Pelzkappe mit goldner Troddel, und eine Rolle Noten in seiner rechten Hand.«

»Statur des Hofkapellmeisters: ein großer schöner Mann, gelängtes [längliches] Gesicht, breite Stirn, runde Nase, große dicke Augen, dicke rothe Wangen, sehr ernsthaftes Gesicht.«

»Er war ein sehr respectabler Mann, in seinem Umgange ein herzensguter Mann, seine Ehegemahlin eine stille gute Frau, die aber dem Trunk stark ergeben war, womit er so viel heimliche Leiden ertragen hat, daß er zuletzt auf den Gedanken gekommen war, sie nach Cöln in Pension zu thun, wo sie auch starb. Ihre Namen und Herkommen mögen wohl unsere Eltern gewußt haben, aber wer hat ehemals gedacht zu fragen? deswegen sind sie uns unbekannt geblieben.«

»Tradition: daß der Hofkapellmeister aus Gent in Belgien herstamme. Als der Churfürst Clemens August ehemals zu Lüttich im Seminar war, hat er den Ludwig van Beethoven als guten Musicus und guten Sänger erfahren und wahrgenommen, weshalb er ihn nachher auf seinen Tucksaal [Doxal] als Hofkapellmeister annahm5

»Des Hofkapellmeisters Sohn Johann van Beethoven war schon früher von seinem Vater auf dem Klavier und zum Singen angeführt, und wurde daher auch später als Hof-Tenorist angestellt.«

»Hofkapellmeister van Beethoven hatte liegende Gelder. Er hatte zwei Keller mit Wein [wo er faßweise verkaufte Br.]; ob nun seine Eltern oder die seiner Frau Kaufleute gewesen, die mit Wein gehandelt, so daß er sich mit Wein und mit seinem Faßbindermeister zu beschäftigen wußte, oder um seine liegenden Gelder rentbar zu machen. So kam er [443] auch mit dem Hofkellerschreiber Baum in Bekanntschaft, den er vermuthlich oft über seinen Wein zu Rathe gezogen, und der ihm die hiesigen Lagen angezeigt hat, wo guter und haltbarer Wein wachse6. Er verkaufte seinen Wein ins Niederland, wo er seine Kenner hatte, Kaufleute, die ihm den Wein abkauften; und so schlug er, bei einem guten Jahrgang, wieder neuen Wein ein.«

»Johann van Beethoven verstand sich auch früh auf die Weinproben; er war aber auch zu rechter Zeit ein guter Weintrinker, dann war er munter und fröhlich, hatte alles genug; er hatte keinen üblen Trunk an sich.«

Das Fischersche Haus hatte nach hinten Stallungen und einen Ausgang nach der Giergasse; hier hatte Kurfürst Klemens August Jagdpferde mietweise stehen. Als später der kurfürstliche Hofstall erbaut worden war, zog ein Steinhauermeister zu Fischers und hatte in den früheren Stallungen seine Werkstätte. Hier wurden die Marmorarbeiten für die heilige Treppe auf dem Kreuzberge und das Schloß zu Röttgen gefertigt. Theodor Fischer [Gottfrieds Vater] und Johann van Beethven, Knaben eines Alters, haben diesen Arbeiten oft zugesehen und später davon gesprochen.

Kurfürst Klemens August wollte in der Poppelsdorfer Allee eine Messe nach Art der Frankfurter einrichten; sie wurde mit großen Kosten ins Werk gesetzt, doch war der Absatz gering. Der Kurfürst kaufte selbst viel ein, ließ es aber bei diesem einen Versuche7.

»Zu derselben Zeit wohnte auch eine Hofsängerin im Hause auf dem ersten Stock, Antonia Gottwalds, ledig; sie war aus Böhmen und starb im Hause, hat der Frau Fischer ihr schönes Gebetbuch zum Andenken verehrt«, welches mit ihrer eigenen Inschrift noch vorhanden ist8.

[444] Durch Unvorsichtigkeit der Beethovenschen Magd war auf dem Speicher des Hauses ein Brand entstanden, welcher von dem alten Johann Georg Fischer [Theodors Vater] entdeckt und bald gelöscht wurde. »Kapellmeister Beethoven hat seine Magd gleich fortgejagt.«

»Anno 1746, den 18. Juli, hat Churfürst Clemens August auf dem Kreuzberg den ersten Stein gelegt. Anno 1751 war alles in Stand gesetzt, da hörte die Arbeit auf. Anno 1752 ließ J. G. Fischer auf seinem Hofe die Stallungen zum Theil abbrechen« und ein neues Hintergebäude (Giergasse 950) an deren Stelle erbauen, mit besonderem Ausgange. Hier wohnte zuerst Herr Wilhelm Klütsch, Quartiermeister der kurfürstlichen Leibgarde, ein großer Musikfreund (er spielte Klavier), der auch mit dem Kapellmeister Beethoven und seinem Sohne Johann bekannt wurde. Bei festlichen Gelegenheiten sah er gern Freunde bei sich, unter denen immer auch die Familie Beethoven war. Er hatte drei schöne Töchter, welche später noch von Beethovens erzählten, wie sie gern hinübergingen sie einzuladen, namentlich um den »schönen und geschickten« Vetter von Beethovens, den Hofmusikus Franz Ruffangtini [so fast immer für Rovantini] zu sehen, dessen liebenswürdiges Wesen sie nie hätten vergessen können. [»Und in späteren Jahren wurde auch der Herr Ludwig van Beethoven, Compositor, und Beethovens rechter Vetter, Hr. Franz Rovantini, Hofmusicus, mit eingeladen, wo denn nach der Tafel Herr Ludwig auf dem Klavier spielte, und Franz Rovantini auf seiner Violine dagegen variirte, und Johann van Beethoven sang, und die auf Noten singen konnten, sangen mit.« Br.9]

»Der Hofkapellmeister Beethoven hat einst im Unterhause zufällig gesagt: da stehen passend drei Johannese wie ein Kleeblatt zusammen; der Lehrbursch ist Johannes der Fresser, den sieht man immer fressen; [445] und der Gesell im Haus ist Johannes der Schwätzer; und (indem er mit der Hand auf seinen Sohn wies) das ist Johannes der Läufer, lauf' nur, lauf' nur, du wirst doch einmal an dein End' laufen. Johann van Beethoven hatte einen flüchtigen Geist, machte gelegentlich kleine Reisen, nach Köln, Deutz, Andernach, Koblenz, Thal Ehrenbreitstein, und wer weiß wohin noch mehr. Dies that er, wenn er wußte, daß sein Vater zwei oder drei oder vier Tage verreis'te; er suchte zu freien, auch anzulanden; welche? und wo? wußte man damals noch nicht.«

»Der Haussohn Theodor Fischer und Johann van Beethoven waren einer Klasse Jungen im Hause. Theodor Fischer hatte eine Zither, und hatte von einem Meister das Zitherspielen, Musik und Gesang nach den Noten erlernt. Johann van Beethoven konnte es auch, beide spielten oft, einer nach dem andern, auf der Zither, beide mit Gesang, nach den Noten; einer glaubte es besser zu können wie der andere. Sie sangen dann solche Lieder, die ihnen am besten gefielen, Jägerlieder, Hochzeitslieder, um die Wette. Sie waren zuletzt so weit gekommen, daß sie unter sich sagten; Wir schiffen jetzt noch im Reich der Liebe, wo mögen wir beide noch anlanden? magst du der erste sein oder ich? denn beide waren selbständig, und gesinnt sich zu verheirathen. – Die Zither ist noch vorfindlich und in gutem Stande.«

Der erste war Theodor Fischer, welcher sich am 24. Juni 1761 mit Maria Susanna Katharina Rheindorf aus Ersdorf, die bei ihrem Oheim, dem Amtsverwalter Tevelich in Vilipp (Amt Gudenau) lebte, verheiratete. Zu der Hochzeit, welche in dem Hause des letzteren gehalten wurde, war auch Kapellmeister Beethoven eingeladen worden. Bei der Trauung vergoß er Tränen, und darüber befragt, antwortete er, daß er dabei an seine Trauung und Heiratslage gedacht habe. Die Hochzeit dauerte vier Tage, Kapellmeister Beethoven ließ durch mehrere seiner Musiker Hochzeitslieder anstimmen und bei einer Nachfeier noch einmal musizieren; nach der Rückkehr wurde in Bonn noch vier Tage lang gefeiert, und Kapellmeister Beethoven hat noch später von den Freuden gesprochen, die er auf dieser Hochzeit genossen habe10. Später wurden Fischers auch vom Kapellmeister Beethoven eingeladen. »Wie sie ihren ersten Besuch abstatteten, war alles [446] so schön und propper und wohl eingerichtet, mit Pretiosen, die sechs Zimmer alle mit schönen Möbeln versehen, viel Malereien und Schränke, ein Schrank mit silbernen Servicen, ein Schrank mit sein vergoldetem Porzellan und gläsernem Geschirr, ein Vorrath der schönsten Leinwand, die man durch einen Ring hätte ziehen können«; die geringsten Artikel hätten alle wie Silber geblinkt.

Diesen Fischers wurden 9 Kinder geboren, von denen Cäcilia (geb. 1762) das älteste und Gottfried (geb. 1780) das jüngste war. Frau Fischer erinnert sich, von ihren Schwiegereltern gehört zu haben, »daß Herr Hofkapellmeister Ludwig van Beethoven und seine Frau nach allem ihrem Anschein und Benehmen müßten von einer schönen Erziehung und schönem Herkommen gewesen sein«.

»Als Cäcilia ein wenig herangewachsen war, war der Hofkapellmeister ihr sehr geneigt. Einst nahm er sie im Unterhaus auf seinen Arm, nahm sie mit herauf auf sein Zimmer, setzte sie auf sein Knie und hatte eine Weile Spaß mit ihr, gab ihr dann Conditorwaaren und schickte sie durch die Magd wieder herunter. Als sie allein laufen konnte, nahm er sie an der Hand mit heraus. Einmal machte er ihr beim Herunterkommen so große Augen, daß sie bange wurde und zur Mutter lief; die Mutter sagte: wovor bang, der Kapellmeister will mit dir etwas spaßen, geh gleich hin und gib dem Herrn Kapellmeister das rechte Händchen und sag: guten Morgen, Herr Kapellmeister; was sie dann auch thun mußte.« –

»Von den zwei genannten Zitherspielern war unterdessen Johann van Beethoven auch angelandet, und wo? im Thal Ehrenbreitstein, bei Coblenz.«

»Als Johann van Beethoven seinem Vater seine Geliebte persönlich vorstellte, daß diese sein Sinn wäre, worauf er bestände, und wovon er nicht abgehen wolle, daß sie seine Braut werde; da erschien sie seinem Vater nicht angemessen, nicht gewichtig genug; Herr Hofkapellmeister ließ es bei der Vorstellung bewendet sein und wollte weiter nichts wissen; obschon sie eine schöne schlanke Person war, und keiner etwas auf sie bringen konnte, und von bravem, rechtschaffenem bürgerlichen Herkommen war, und durch alte Urkunden aufweisen konnte, daß sie bei vornehmen Herrschaften gedient, wobei sie eine schöne Erziehung und Bildung erhalten.«

»Als aber Herr Hofkapellmeister sich über sie erkundigt, und erfahren hatte, daß sie ehemals Kammermädchen gewesen, war er sehr dagegen, und sagte zu ihm: das hätte ich nie von dir geglaubt und erwartet, daß [447] du dich so heruntergesetzt hättest. Aber was wollte er machen, es war sein Sinn, er bestand darauf, er mußte es geschehen lassen. Thu du nur, sagte der Alte, was du willst, so thue ich auch was ich will, ich überlasse dir hier das ganze Quartier und ziehe aus. Und Herr Hofkapellmeister van Beethoven zog auf die Kölnstraße, an den ehemaligen alten Gudenauer Hof (das jetzige Posthaus), das zweite Haus nebenan, No. 38711. Von da aus zogen die Beethovens wieder aus, an die Rheinseite (denn die Beethovens liebten den Rhein), auf den Belderberg, an den alten Bornheimerhof, wo er an die Rheinstraße anstößt, No. 971; wo Herr Hofkapellmeister auch Anno 1773 gestorben ist. Bei seinem Tode war Cäcilia Fischer 11 Jahre alt, und sie hat den Großvater Ludwig van Beethoven auf dem Belderberg noch gut gekannt12.« [Hier folgt die Beschreibung der Statur der beiden Ehegatten, welche bereits in die Erzählung aufgenommen ist.]

»Der Sohn des Hofkapellmeisters, Johann van Beethoven, Hoftenorist, ist zu Bonn in der alten Remigius-Pfarrkirche am 12. November 1767 getraut worden mit Anna Maria Magdalena Keferig genannt Beethovens, gebürtig aus dem Thal Ehrenbreitstein; seine Schwiegereltern, der Vater Heinrich Keferig, die Mutter Anna Klara Wessdorf13

»Nach der Trauung sind sie mit einem Wagen nach Koblenz, ins Thal Ehrenbreitstein gefahren, um da ihren Verwandten anzuzeigen, daß sie getraut wären. Nachdem sie sich drei Tage aufgehalten, sind sie wieder nach Bonn gefahren, wo ihnen denn von allen Bekannten gratulirt wurde. Madam van Beethoven sagte später, daß sie von ihrer Seite eine gute Hochzeit hätten halten können, aber ihr Schwiegervater würde ihr aus Eigensinn nicht beigewohnt haben, deswegen sei die Sache kurz abgemacht worden.«

»Madam van Beethoven hatte zwei rechte Schwestern, die eine nannte sie Madam Herrberg, ihr Mann war Conditor, sie war Wittwe, wohnte im Thal Ehrenbreitstein und war eine vermögende Frau; sie hatte einen Sohn, Franz Herrberg, der bei Herrn von Weichs in Bonn (Oberjägermeister) im Dienst stand. Madam Herrberg kam alle Jahre im Mai oder Juni zum Besuche zu Beethovens, und blieb dann einige Tage da; aber vorher schickte sie ihrem Schwager Beethoven und Madam Beethovens [448] schöne werthvolle Geschenke.« [Wenn sie kam, beschenkte sie alle Kinder, die von Beethovens sowohl wie von Fischers, reichlich. Sp.] »Sie war eine gute Frau.«

»Madam v. Beethovens andere Schwester hatte einen Mann Anselmus Rovantini geheirathet, der Regimentsdoctor war, nach der Aussage der drei Söhne hatten sie ehemals in Coblenz gewohnt, beide Eltern seien früh gestorben. Sie hinterließen drei Söhne und eine Tochter. Ein Sohn, Franz Rovantini, war Hofmusikus bei Churfürst Maximilian Friedrich in Bonn. Ein Sohn, Bertus [Hubert], war Wundarzt. Ein Sohn, Johann Nicola Rovantini, war Doctor der Medizin in Würzburg. Eine Tochter, Anna Maria Magdalena Rovantini, war in Holland, in Rotterdam, bei einer reichen Dame, die Wittwe war und ein Töchterchen hatte, Gouvernante. Madam v. Beethoven war ihre Taufpathin, und ihre Tante. Diese Kinder von Mad. v. Beethovens Schwester haben Beethovens oft besucht, Cäcilia Fischer war mit ihnen gut befreundet14

[449] Das erste Kind des neuvermählten Paares war ein Sohn, Ludwig Maria, geb. 2. April 1769, bald gestorben. Dann folgte Ludwig, 17. Dez. 1770; Paten: der Großvater und Frau Anna Gertrud Baum. Dann Kaspar, 1774, und Nicola 1776. Kaspar starb. 17. Jan. 1848. [vielm. Nicola, und zwar am 12. Januar 1848.]

Cäcilia Fischer will, als sie etwa 8 Jahre alt war, Ludwig van Beethoven als Kind in ihrem Hause gut gekannt haben und mit ihm viel umgegangen sein. [»Sie bezeugt, daß ihre Mutter ihr ehemals gesagt, daß sie in ihrem Hause dem Taufschmause bei H. Beethoven beigewohnt. Cäcilia, fast 8 Jahre alt, habe sich um Geburt nicht gekümmert, und könne keinen Eid darauf ablegen15.« Br.] Ludwig habe als Kind einen Fehler gehabt, mit welchem er lange behaftet gewesen sei; seine Mutter habe sich darüber nicht äußern wollen, zuletzt aber habe sie Frau Fischer um Rat gefragt; diese habe ihr ein Mittel angegeben, welches auch geholfen habe.

»Als der Beethovenschen Kinder drei waren, wurden sie an schönen Sommertagen von den Mägden an den Rhein oder in den Schloßgarten getragen, wo sie auf dem Sandboden mit anderen Kindern spielten, und [450] sich dann zu gehöriger Zeit wieder einfinden mußten. Wenn die Witterung nicht günstig war, spielten die Kinder auf Fischers Hofe mit den Kindern von Fischers und andern aus der Nachbarschaft; sie hatten da eine Schaukel, auf der sie sich schaukelten. Cäcilia erzählte ehemals, daß, wenn Johann van Beethoven Besuch erhielt und die Kinder wegen der Unruhe auf Seite haben wollte, die Magd dieselben ins Unterhaus brachte, auf die bloßen Steine setzte und dann ihrem Vorwitze nachlief; dann krochen die Kinder auf Händen und Füßen nach der Hausthüre zu. Durch Erkältung habe Nicola Beethoven am Kopfe ein Geschwür erhalten, und davon einen Schaden davongetragen, den man immer an ihm sehen. konnte.« Frau Fischer machte auch Frau van Beethoven auf die Gefahren aufmerksam; diese gab ihr recht, ließ es aber dabei. [Die Mägde, welche Beethovens Kinder trugen, waren, nach Cäcilias Zeugnis: 1. Christina aus Rheinbach; 2. Margreta aus Meckenheim; 3. Maria Catharina aus Coblenz; 4. Gertraud Kutz aus Bonn. Br.16.]

»Beethovens Kinder wurden nicht weichlich erzogen; sie waren den Mägden oft überlassen; der Vater war gegen sie sehr streng. Wenn die Kinder mit ihres Gleichen waren, konnten sie sich lange friedlich unterhalten. Ludwig ließ sich gern Huckepack tragen, da konnte er recht lachen.«

Bei des alten Kapellmeisters Tode fand Johann van Beethoven, sein einziger Sohn und Erbe, in den Büchern des Vaters noch viele offenstehende Schuldforderungen, an Bauern, die Geld geliehen, oder an Weinbauern, die auf ihren Wein Vorschuß erhalten und denselben nicht abgeliefert hatten. Diese leugneten ihm jetzt die Sache ab und verlangten, ihre Handschrift zu sehen, welche er ihnen nicht zeigen konnte. Johann v. B. klagte dies dem Theodor Fischer und sagte: »ich habe mich mit den Bauern so viel herumgefochten und richte doch nichts aus, und wenn ich sie auf einen Eid hätte kommen lassen, so hätten sie mir geschworen, dann hätte ich die Kosten noch dazu. Ich habe es mir so oft gedacht, daß es so kommen würde. Mein Vater war hierin ein eigener Mann, hielt immer auf Wort und wörtliche Bedingungen, nichts[451] Schriftliches. Wenn Bauern ein Anliegen brachten, die seine gute Seite kannten, und eine schöne frische Butterklütte und schönen faulen Käse brachten, dann war er erkenntlich, lieh ihnen Geld und Vorschuß auf ihren Wein, und so bin ich um vieles gekommen.«

Die beiden Hofmusiker Franz Rovantini und Christoph Brand schickte Kurfürst Max Friedrich auf seine Kosten nach Berlin und Dresden, damit sie sich weiter ausbilden sollten; sie kamen dann später wieder auf des Kurfürsten »Tucksaal«, und er hatte viel Ehre von ihnen. [Franz Rovantini wohnte »wieder« bei Beethovens und erhielt seitdem viele Scholaren in und außer dem Hause17.]

Wenn Fischers oft wegen übertriebenen Zulaufes oder großer Unruhe durch die Kinder der Familie Vorstellungen wegen der Hausordnung machten, wurde Madam Beethoven gleich »jähhitzig und gegensprüchig«; war das aber vorüber, dann kamen Herr und Frau van Beethoven gleich zu Fischers, gestanden den Fehler ein, taten Abbitte, und man war beiderseits befriedigt.

»Madam van Beethoven war eine geschickte Frau«, usw. [das Weitere, das hier folgt, s. o. S. 119].

»Johann van Beethoven, Hoftenorist, behauptete sein Amt pünktlich; er gab den Söhnen und Töchtern der hiesigen englischen, französischen und kaiserlichen Gesandten, den Herren und Töchtern vom Adel, auch angesehenen Bürgern Lehrstunden auf dem Klavier und im Singen; er hatte oft mehr zu thun, als er thun konnte; er erhielt auch oft Neben-Präsente, da ihm viele gewogen waren; dadurch konnte seine Haushaltung gut bestehen. Die Gesandten waren ihm sehr zugethan, sie hatten ihren Hofmeistern erlaubt, wenn es ihm am Wein mangele, solle er nur zu ihnen schicken, dann brachten die Kellerdiener ihm ganze Paussen [Schalen] Wein ins Haus. Doch übte Beethoven bei dieser Erlaubnis auch Bescheidenheit.«

Johann van Beethoven hörte einigemal die Cäcilia Fischer für sich singen, und da er eine starke Stimme bei ihr wahrzunehmen glaubte, erbot er sich, sie zur Sängerin auszubilden, ohne etwas dafür zu begehren. Sie wollte es auf die Zustimmung ihrer Eltern ankommen lassen. [452] Unterdessen begann sie bei ihm Unterricht zu nehmen und lernte bald zu seiner Zufriedenheit nach Noten singen und Klavier dazu spielen; auch schwere Lieder erlernte sie durch öfteres Repetieren. Doch konnte sie sich nicht entschließen, Sängerin zu werden, und führte mehrere Beispiele von Hofsängerinnen an, die sie kannte, »die zwei schönen jungen Geschwister Salomons, die Herrn Beethoven so oft besucht haben, die junge Fr. Gottwald, die in unserem Haus wohnte, wie meine Mutter mir gesagt, und die junge Fr. Haffertons18 aus Bonn«, die wegen vieler Anstrengungen so jung gestorben seien; es könne ihr auch so ergehen. Beethovens Zureden fruchteten nichts; doch sagte sie ihm zuletzt zu, wenn Gäste bei ihm wären, auf seine Aufforderung Lieder zu singen.

»Als Ludwig van Beethoven etwas herangewachsen war, ging er in die Neustraße [Neugasse], die an die Rheinstraße anstößt, No. 1091 zu H. Lehrer Huppert19 in die Elementarschule, später in die Münsterschule; er hat nach seines Vaters Aussage nicht viel in der Schule gelernt, deswegen hat ihn sein Vater so früh an das Klavier gesetzt und ihn so streng angehalten. Cäcilia Fischer sagte, als sein Vater ihn zum Klavier anleitete, habe er auf einem Bänkchen stehen und spielen müssen. Das hat Oberbürgermeister Windeck auch gesehen (und Köln. Zeitung 1838 No. 191 nachgewiesen20). – Ludwig van Beethoven hat später noch oft von seiner Elementarschule und von dem alten Hrn. Lehrer Huppert gesprochen und gelacht. Dieser habe, vermuthlich um den Kindern Freude zu machen, Aktion spielen lassen, wobei ein alter Musicus, genannt Koemönch, auf dem Baß und ein Musikus Höppge [?] die Violine spielte; dazu sang Hr. Lehrer Huppert mit Kraft und Eifer das Lied: Herr Pastorum gens bigatum [?] und so weiter. – Nun hörten wir Kinder alle in größter Stille mit Ernst und großer Aufmerksamkeit zu; nach geendeter Aktion gingen wir dann alle muthig nach Haus, und wußte [453] doch keiner, was das bedeutete, als zu sagen: wir haben Aktion gehabt.«

»Ludwig van Beethoven erhielt auch täglich Lehrstunde auf der Violine. Einmal spielte er zufällig ohne Noten, da kam sein Vater herein und sagte: was kratzest du da wieder für dummes Zeug durcheinander, du weißt, daß ich das gar nicht leiden kann, kratz' nach den Noten, sonst wird dein Kratzen wenig nutzen. Wenn Johann van Beethoven zufällig Besuch erhielt, und Ludwig kam darüber herein, so streifte er gewöhnlich um das Klavier herum und machte mit der rechten Hand Griffe aufs Klavier; dann sagte sein Vater: was sprudelst [?] du da wieder, geh weg, sonst geb' ich dir Ohrfeigen. Sein Vater wurde doch zuletzt aufmerksam, wenn er ihn Violine spielen hörte; er spielte einmal wieder nach seinem Sinne ohne Noten, da sagte sein Vater: hörst du denn gar nicht auf nach all' meinem Sagen? er spielte wieder, und sagte zu seinem Vater: ist denn das nicht schön? da sagte sein Vater: das ist nun was anderes, allein aus deinem Kopf, dafür bist du noch nicht da, befleißige dich auf dem Klavier und der Violine, mach' richtige Angriffe auf die Noten, daran ist mehr gelegen; wenn du es einmal so weit gebracht hast, dann kannst du, und mußt du mit dem Kopf noch genug arbeiten. – Ludwig van Beethoven erhielt nachher auch täglich Lehrstunde auf der Bratsche.« [Nach einem Br. unterrichtete ihn Rovantini auf der Violine und Bratsche.]

Im Jahr 1776 ließ sich Madam v. Beethoven durch den Hofmusikus Brandt bereden, zu ihm in die Neugasse (992) zu ziehen, da wären sie näher bei Hofe, am Markte, bei der Kirche. Johann v. B. war es nicht recht, er fürchtete, seine »Baarschaft« dort nicht unterbringen zu können, auch war ihm die Aussicht auf die Franziskanermauer zu traurig. Bei dem großen Schloßbrande 1777 fürchtete Beethoven für sein Haus und kam klagend zu Fischers, und da das Quartier leer stand, zogen sie dort hin: »Beethovens Kinder waren froh und sagten: das ist gut, daß wir wieder hier sind, am Rhein ist Wasser genug für zu löschen.«

»Ludwig van Beethoven war, als er etwas herangewachsen war, oft schmutzig und gleichgültig, so daß ihm Cäcilia sagte: wie siehst du wieder so schmutzig aus, du solltest dich etwas propper halten. Dann sagte er: was liegt daran, wenn ich einmal ein Herr werde, dann wird mir das keiner mehr ansehen.« –

»Als Ludwig van Beethoven durch seinen Vater am Klavier gut zugenommen hatte, und er bald fühlte, der Noten und des Klavierspiels [454] Meister zu sein, erhielt er Muth und Luft, Orgelspielen zu lernen. Daher ging er zum Versuche ins Franciscanerkloster zum Herrn Bruder Willibald, der ein tüchtiger Meister war und der seinen Vater gut kannte. Dieser nahm ihn, mit Erlaubnis des Pater Guardian, gefällig an, gab ihm Unterricht, belehrte ihn in den kirchlichen Riten und brachte ihn so weit, daß er ihn als seinen Gehülfen brauchen konnte21. Die Orgel mit der nämlichen Bank, auf welcher Ludwig van Beethoven oft gesessen hat, ist noch in der Pfarrkirche divi Petri in Dietkirchen befindlich.« Ludwig fragte den Bruder Willibald, warum er, als ein so guter Musikmeister, sich in diese Einöde begeben hätte; jener erzählte ihm ausführlich, wie er mit einem musikliebenden Kaufherrn aus Köln auf der See nach Indien gefahren sei, und bei großem Sturme das Gelübde getan habe.

»Als Ludwig van Beethoven später auf der Orgel kühner wurde, mochte er auch gern auf einer größeren Orgel spielen, und machte den Versuch in dem Minoritenkloster; er wurde mit dem Organisten befreundet, und machte sich fest, Morgens um 6 Uhr in der Messe die Orgel zu spielen. Die Bank, auf der er oft gesessen, findet sich daselbst noch vor. In dem Minoritenkloster war ein Pater Hanzmann, ein guter Organist. Wenn nun Beethovens Konzert im Hause hatten, fand sich Pater Hanzmann immer ein. Ludwig konnte ihn nicht leiden, und sagte zu Cäcilia: der Mönch, der findet sich auch immer hier ein, der könnte auch wohl in seinem Kloster bleiben und sein Brevier beten22

»Cäcilia Fischer wuchs als hübsches Mädchen heran und hatte mancherlei Neckereien zu erfahren, so z.B. von den Söhnen des Hofmeisters [455] beim englischen Gesandten, Facius. Dieser hatte drei Söhne und eine Tochter, welche Beethovens oft besuchten23

»Herr Johann van Beethoven gab keine Lehrstunden im Hause, nur dreien aus der Nachbarschaft, dem Nicola Veit, dem August Kunz, und einem Fräulein Gacinells Güpp24, im Klavier und im Singen. Nicola Veit. wurde nachher Organist an S. Remigius, und wegen seines ausgezeichneten Spielens nach Cöln berufen, wo er blieb und starb. Er war vorher Lehrer des Sohnes des alten Mompour. Mompour wurde Organist in der Münsterkirche, und oft nach Cöln berufen, wenn dort Konzert war. Ludwig van Beethoven wollte den Sohn des alten Mompour mit nach Wien nehmen, weil er großes Talent zur Musik hätte; aber er hatte nicht genug, mitzureisen. August Kunz ließ sich in Mastricht nieder, hatte dort eine Musikhandlung; nach allgemeiner Aussage war er ein guter Klavierspieler; in der französischen Zeit hat er einmal ein Konzert auf der Minoritenorgel gegeben.« Beide haben später Fischers in der Rheingasse öfter besucht und sich dankbar über Johann van Beethovens Unterricht ausgesprochen.

Wenn Ludwig ein Frauenzimmer singen hörte, die eine schlechte Stimme hatte, so konnte er sich bei der Cäcilia recht derb darüber aufhalten.

»Wenn Herr Johann van Beethoven auf dem Hoftucksaal singen mußte, nahm er Morgens ein frisches rohes Ei und schluckte es aus, oder zwei Pflaumen; dazu rieth er auch, das wäre gut zum Singen.«

»Alljährlich am Magdalenentag wurde der Namens- und Geburtstag der Madam van Beethoven herrlich gefeiert25.« – –

Johann van Beethoven sah gern aus seinem Fenster einem Gewitter zu. Ihm gegenüber wohnte ein Trinkgenosse von ihm, der Hoffischehändler Klein; wenn nun beide im Fenster lagen, neckten sie sich oft zum Scherz, ohne daß es andere bemerken konnten.

»Wenn Herr Johann van Beethoven sein monatlich Gehalt, oder [456] von seinen Scholaren Gelder erhielt, hatte er Spaß, wenn er heim kam; er schüttete dann das Geld seiner Frau in den Schoß und sagte: nun Frau, nun haus' damit. Dann gab sie ihm eine Flasche Wein und sagte: man muß die Männer doch nicht so leer abziehen lassen, wer könnte das übers Herz bringen. Er sagte: ja, so leer! sie sagte wieder: ja so leer, aber ich weiß du hast lieber ein volles Glas, wie ein leeres. Ja ja, die Frau hat Recht, und sie behält auch ihr Recht.«

»Herr Johann van Beethoven war ein ernsthafter Mann; wenn er aber guter Laune war, und die kleine Haustochter Cäcilia bei ihm war, vexirte er sie und sagte: Cäcilia, unsere Musik-Patrönerin, ich hab' dich gern, du mußt mir ein Küßchen geben. Dann weigerte sie sich und sagte: ich bin kein Mädchen zum Küssen, Sie haben ja eine Frau, die küssen sie. Herr Joh. v. B. sagte: du bist eine schlimme Hex', du weißt wohl zu antworten, ich habe doch meine Freud' an dir. Einmal vexirte er sie wieder, sie weicht ihm aus, er stößt auf den Ofen, und der Ofen mit dem Feuer und der Pfeife fällt ins Zimmer. Da fing sie an zu lachen und klatschte in die Hände, er mußte mit lachen. Darüber kommt ein Studiosus, ein Jurist, mit seinem Degen an der Seite, Namens Steinmüller, und sagt: ›was ist hier zu thun?‹ Nachdem es ihm erzählt worden war, konnten sie alle nicht aus dem Lachen kommen. Herr v. Beethoven ist oft noch darüber geneckt worden. Madam van Beethoven sagte selbst zu Cäcilia Fischer: ›das war recht, so mußt' es auch kommen.‹«

In Bonn war ein Mensch namens Stommb [?]26, ehedem Musiker, der auch komponiert hatte; er war irrsinnig geworden; man sah ihn oft mit einem Taktstocke und einer Rolle Noten durch die Stadt gehen, ohne ein Wort zu reden. Wenn er zuweilen, ohne daß jemand daran dachte, ins Fischersche Haus kam, schlug er mit dem Stocke auf den Tisch, und wies oben auf Beethovens Wohnung, ohne zu reden, und schlug dann den Takt. Ludwig van Beethoven lachte oft darüber und sagte: »da können wir sehen, wie es den Musikern ergeht, dieser ist schon durch Musik irre geworden, wie mag es uns noch ergehen.« Es scheint, als hätte dieser schon andeuten wollen, daß Beethoven einmal groß werden würde.

»Die drei Knaben von Hrn. Johann van Beethoven, Ludwig, Caspar [457] und Nicola, waren sehr auf die Ehre ihrer Eltern bedacht. Wenn ihr Papa bei Gelegenheit in Gesellschaft, was nicht oft geschah, ein wenig zu viel getrunken hatte, und seine Söhne hörten das, so waren sie alle drei gleich da, und suchten ihren Papa auf die feinste Art, daß es nur kein Aufsehen gäbe, still nach Hause zu begleiten, indem sie ihm schmeichelten: ›O Papächen, Papächen!‹ er ließ es sich dann auch sagen. Er hatte keinen üblen Trunk an sich, war lustig und munter, und so wurden wir im Hause wenig davon gewahr. – Die Musiker versammelten sich abends auf der Stockenstraße No. 2 beim Hoflakaien Häuser, der eine Weinschenke hatte.« –

Am Cäcilientag gratulierte Johann v. B. und seine Frau der Cäcilia feierlich, Johann pflegte dabei einen stehenden Spruch zu sagen. So gratulierte sich die Familie gegenseitig, wobei Wein und anderes präsentiert wurde.

Ludwig glaubte nun bald seinem Vater gleickzustehen in der Musik; auch sein Bruder Kaspar hatte in der Schule das Nötige gelernt, und dann die »Kräuterkenntnisse«, um später Apothekerlehrling werden zu können; beide hatten Mut und Lust. An Bubenstreichen konnten sie sich recht erfreuen und tüchtig lachen, »und der Ludwig nach seiner Gewohnheit einen krummen Katzenbuckel machen«. Ein derartiger Streich war folgender: Frau Fischer hatte sich schon lange gewundert über die Abnahme der Zahl von Eiern, die ihre Hühner legten; einst ertappte sie Ludwig van Beethoven im Hühnerhaus; derselbe gab vor, er wolle seines Bruders Sacktuch wiederholen. Frau Fischer sagte, nun sehe sie, warum sie so wenig Eier bekomme. Ludwig antwortete: »O, Frau Fischer, die Hühner verlegen oft die Eier, wenn Sie sie dann wiederfinden, freuen Sie sich umsomehr. Es gibt auch Füchse, wie man sagt, die die Eier holen.« Frau Fischer sagte: »ich glaube, Du bist auch einer von den schlauen Füchsen; was wird aus Dir noch werden!« Ludwig sagte: »O, das weiß der Himmel, nach ihrer Aussage bin ich noch bis dato ein Notenfuchs.« »Ja, auch Eierfuchs!« sagte Frau Fischer. Die beiden liefen wie Schelme fort und lachten, Frau Fischer mußte mitlachen und ließ es als Bubenstreich hingehen. (Später hat Ludwig der Cäcilia diesen Streich aus seiner Kindheit eingestanden.)

Ein anderes Mal hatten Ludwig und Kaspar einen fremden Hahn, der auf den Fischerschen Hof geflogen war, durch List gefangen, die Knaben brieten und verzehrten ihn, verheimlichten es aber sorgfältig vor den Eltern. Ludwig sagte, zu alten Zeiten sei es Recht gewesen, daß man das, [458] was einem von Vieh morgens zuerst in seinem Hause entgegenkäme, behalten dürfe. –

Da ihn nun sein Vater in der Musik nicht mehr weiter bringen konnte, auch Talent zur Komposition bei ihm vermutete, nahm er zuerst einen betagten Meister Santerrini27, der den Knaben eine Zeitlang unterrichtete; doch hielt der Vater nicht viel auf diesen, glaubte nicht, daß er der rechte Mann wäre, und wünschte eine Veränderung. »Er wendete sich an den hiesigen Bonner Theaterdirektor Großmann, der aus Sachsen war, mit dem er intim befreundet war, der die Musiker und Komponisten kannte. Der hat ihm einen Komponisten besorgt, eines Predikanten Sohn aus Sachsen, Namens Pfeifer. Er betitelte sich: Herr Musikdirektor de Past Pfeifer [! offenbar Tobias], war 28 Jahre alt, ein junger schöner Mensch28. Er war bei Beethoven in Kost und Logis. Er nahm den Ludwig in seine Lehre, und als er ihn eine Zeitlang unterrichtet hatte, sagte er zum Vater, er sähe ein, daß er gut begreifen könne, er wolle auch sein Bestes thun.« Ludwig hat später oft gesagt, Pfeiffer sei sein Hauptlehrer gewesen, dem er alles verdanke.

Cäcilia traf einmal bei Beethovens mit Pfeiffer zusammen; Johann v. B. erzählte, wie er sie vergeblich habe bereden wollen, Sängerin zu werden. Pfeifer sagte: »da haben sie unwohl daran gethan, nehmen sie meinen guten Rath an, ich will sie auch unentgeltlich weiter am Klavier und im Gesang anführen, und wenn ich eine ausnehmende Sängerin aus ihr gemacht, wird sie meine Frau, und ich nehme sie mit nach Sachsen.« Cäcilia aber blieb bei ihrem Willen. Doch sang und spielte sie ihm vor, und er sagte: »Schade für ihr so gutes Talent.«

Johann van Beethoven ließ jährlich ein schweres Schwein schlachten; dann schickten sich Madam van Beethoven und Fischers gegenseitig die Proben ihrer Würste zu.

»In der Weihnachtszeit, wenn der Churfürst um Mitternacht, als Erzbischof, in der Hofkapelle von 11 bis 12 Uhr das heilige Meßopfer verrichtete, mußten die Musiker und Hofsängerinnen auf dem Hoftucksaale ihre größte Kraft und Thätigkeit beweisen. Dann erscheint der ganze [459] Hof-Adelstand sammt Dienerschaften in der größten Galla, die Churfürstlichen Leibgarden stehen auf beiden Seiten in Parade, das ganze Regiment vom Koblenzer Thore bis zur Schloßkapelle in Parade. Und nach dem ersten Evangelium, und bei halber Messe, und nach dem letzten Evangelium geben sie dreimal Feuer, und die Kanonen auf den Wällen folgen ihnen nach. – In der Zeit war es oft sehr kalt; wenn nun nach der Feier Beethoven mit den seinigen und anderen nach Hause kam, wurden nach altem Brauche frische Würste gebraten, dazu war warmer Wein, Punsch, Kaffee bereit, so wurde der ankommende Tag gefeiert und beschlossen.«

»Musikdirektor Pfeifer hatte besondere Launen. Er ging oft die halbe Nacht in schweren Stiefeln, die damals Mode waren, im Zimmer auf und ab, vielleicht über Musik nachdenkend. Meister Fischer, der unter ihm schlief, ließ ihm sagen, er möge doch die Stiefeln ausziehen, um nicht andere im Schlaf zu stören. Pfeifer zog einen Stiefel aus, ließ den andern an; Fischer ließ ihm nun nichts mehr sagen.« Ein andermal warf er seinen Friseur Triputt, einen groben Mann, die Treppe herunter. Beethoven nahm einen andern Friseur, namens Hennseler.

Pfeifer fragte einmal die Cäcilia im Unterhause, ob sie auch wieder zu ihnen herauskommen wolle. Sie sagte: »wenn die Mutter es erlaubt, wenn sie dann auch die Flaut' blasen.« »O die Flaut' (sagte Ps.), das Instrument interessirt mich nicht sehr, da bläs't man seinen guten Athem für andere aus, das kann mir gar nicht gefallen.« »Director Pfeifer blies selten die Flaut, oder er mußte gar dringend darum gebeten sein. Wenn er aber blies und Ludwig variirte dagegen auf dem Klavier, dann hörten auf der Straße die Leute aufmerksam zu, und lobten die schöne Musik.«

Einmal war Pfeifer krank und wurde sorgsam von Beethovens gepflegt, da sie viel auf ihn hielten. Das verdiente er auch, er war ein guter Mensch, und nichts an ihm auszusetzen. Nur beklagte sich die Magd von Beethovens oft, daß sie ihm noch spät abends Kaffee machen müßte, oder Wein, Bier und Branntwein holen, das tränke er dann, wie sie glaubte, alles durcheinander, und doch könnte man nicht sagen, daß man ihn betrunken fände, immer bei gutem Verstande und ruhig, – Seine Anträge an die Cäcilia hat er noch einmal wiederholt.

Im Jahre 1784 war die große Rheinüberschwemmung, der Rhein stand im Unterhause plötzlich 4 Fuß hoch, alle fürchteten sich; Madam v. Beethoven sagte: »was seid ihr hier so bang', was ist denn diese [460] Wasserhöhe, ihr Leutchen, das seid ihr nicht so gewohnt, bei uns im Thal Ehrenbreitstein haben wir oft Wasserhöhe, daraus machen wir uns nichts.« Als das Wasser aber bis an den zweiten Stock stieg, wurden doch alle bange, nun wollte auch Frau van Beethoven nicht warten, sondern in der Stadt ein Unterkommen suchen. Man mußte aus der Beethovenschen Wohnung auf einer Leiter in den Hof, die Kinder wurden getragen; dann auf Brettern durch das Hinterhaus nach der Giergasse. Beethovens zogen auf die Stockenstraße, in die goldene Kette, Nr. 9, zu einem Musikus Philippart, der dort zur Miete wohnte und Beethovens so lange bei sich aufnahm, bis sie ihr Quartier wieder beziehen konnten. – Direktor Großmann besuchte später Beethovens und sagte zu Meister Fischer: welche Veränderung, welchen Schaden hat ihnen das Wasser angerichtet!.– Ludwig und Kaspar Beethoven haben noch oft von dem Jahr 1784 erzählt.

Ludwig van Beethoven, Pfeifer und Rovantini spielten häufig zusammen (Klavier, Flöte und Violine); das war eine so schöne Musik, daß die Leute auf der Straße am Hause stehen blieben und meinten, denen könne man Tag und Nacht zuhören. Rovantinis Spiel gefiel Ludwig außerordentlich. Rovantini pflegte viel von Dresden, Potsdam und Berlin zu erzählen.

Zuletzt nahm Pfeifer vom ganzen Hause, von jedem einzeln, Abschied; Herr und Frau van Beethoven sagten ihm größten Dank, sie müßten nächst Gott ihm den Ruhm geben für die Fortschritte Ludwigs. [Von Musikdirektor Steifensand hörte Fischer 1840, daß Pfeifer zuletzt in Düsseldorf gelebt habe und dort gestorben sei.]

»Man konnte später nicht sagen, daß Ludwig ehemals viel auf Kameraden oder auf Gesellschaft hielt; nun gar, wenn er über Musik nachdenken oder sich allein beschäftigen mußte, nahm er eine ganz andere Fassung an, wurde sehr auf seinen Respect; das waren ihm die glücklichsten Stunden, wenn er von aller Gesellschaft befreit war, wenn die Seinigen alle heraus waren und er sich allein befand. Er kam soweit, daß er im 12 ten Jahre bereits als Komponist auftrat, und im 15 ten als Organist ernannt wurde, nach dem Range seinen Degen an der linken Seite trug, wenn er mit seinem Vater, und seinem Herrn Vetter Franz Rovantini den Hoftucksaal bestieg29

[461] »Hofmusiker in Galla. Kleidertracht (Ludwig van Beethoven): Seegrüner Frackrock, grüne kurze Hofe mit Schnallen, weißseidene oder schwarzseidene Strümpfe, Schuhe mit schwarzen Schleifen, weißseidene geblümte Weste mit Klapptaschen, die Weste mit ächter goldener Kordel umsetzt, [weiße Kravatte Br.], frisirt mit Locken und Haarzopf, Klackhut unterm linken Arm, seinen Degen an der linken Seite, mit silberner Koppel.«

»Ehemalige Statur des Herrn Ludwig van Beethoven«: (s. o. S. 17130).

Herr Mompour stimmte Beethovens Klavier; die Magd, welche denselben bestellen mußte, blieb dabei gewöhnlich lange aus, und man neckte sie darum. Einmal bat sie Ludwig, während ihrer Abwesenheit auf einen gerade über dem Feuer stehenden Braten zu achten: er achtete nicht darauf und merkt erst am Geruche, daß der Braten verbrannt sei. Er ruft Cäcilia zu Hilfe, welche sich dabei die Hand verbrennt, und raisonniert dabei gewaltig über die Magd. Bei Tische merkte man das Unglück nicht vollständig31.

Zu gleicher Zeit mit Beethoven verschrieb Kurfürst Max Franz den Musikus Ignaz Willmann, der im Dienste des Kaisers zu Wien stand und aus Sachsen gebürtig war, mit zwei Söhnen und zwei Töchtern nach Bonn; dieselben mieteten das Fischersche Hinterhaus, Giergasse 950. Die Töchter nannte man Kabinettsängerinnen, sie sangen im gemeinen nicht, oder der Kurfürst mußte sie in einer Oper oder im Konzert bestellt haben. Johann und Ludwig van Beethoven lobten Willmanns sehr und sagten, die Töchter seien echte Sängerinnen; es war eine hochgeachtete Familie. Ost, wenn sie an den Hof geladen waren, kamen sie über die Höfe in das Fischersche Haus und erwarteten dort den Hofwagen, der in der Giergasse nicht vorfahren konnte; hier stiegen sie dann auch wieder aus. – Einer der jungen Willmanns, der Violinspieler war, konnte auf seiner Violine aller Instrumente Ton nachahmen; das hörte einer der Fischerschen Söhne, dem jener auch erzählte, in Wien seien ihm [462] 2000 Kaisergulden auf seine Violine geboten worden, doch sei sie ihm nicht feil. Ein Sohn Willmann starb im Hause. Als Max Franz Bonn verließ, wurde Herr Willmann, wie man sagte, nach London berufen32.

Alle Jahre vom 1. Mai an wurde in dem Schloßkapellchen des h. Florianus, den man als Beschützer vor Feuersbrunst verehrte, eine 8 tägige Andacht gehalten; beim Anfang und beim Schluß dieser Feier mußten die Hofmusiker mit Musik und Gesang mitwirken. Dieses Kapellchen blieb bei dem großen Brande 1777 unversehrt33.

Auch war eine jährliche 8 tägige Andacht in der Poppelsdorfer Schloßkapelle zu Ehren der Maria, wobei ebenfalls zum Anfang und zum Beschluß die Hofmusiker tätig waren.

»Unterschiedenemale hielten die jungen adlichen Herren und Damen unter sich zu ihrem Vergnügen im Poppelsdorfer Schloß Komödie, in einem Saale, der dazu eingerichtet war; dann wurden zum voraus einige der Musiker bestellt. Dann mußten Herr Johann van Beethoven und Herr Ludwig van Beethoven und Herr Franz Rovantini und noch mehrere dort musiciren. Herr Ludwig van Beethoven erzählte oft, daß die adlichen Herren und Damen ihre Rollen sehr gut gespielt hätten.«

»Ludwig van Beethoven lag eines Morgens im Fenster seines Schlafzimmers nach dem Hof zu, hatte den, Kopf in beide Hände gelegt und sah ganz ernsthaft aus. Cäcilia Fischer kam über den Hof und rief: wie siehts aus, Ludwig? erhielt aber keine Antwort. Später fragte sie ihn einmal, was das bedeute? keine Antwort sei auch eine Antwort. Er sagte: O nein, das nicht, entschuldige mich, ich war da in einem so schönen tiefen Gedanken beschäftigt, daß ich mich gar nicht stören lassen konnte.« [»Ludwig lag in seinen Lehrjahren oft nach dem Hofe zu in einem Fenster, hatte beide Hände um den Kopf geschlagen, sah starr auf einen Flecken hin, vermuthlich über Musik nachdenkend. Wenn man ihn anredete, erhielt man keine Antwort.« Br.]

Wie die Magd von Beethovens erzählte, war Franz Rovantini ein [463] sehr religiöser und guter Mensch, der sein Morgen- und Abendgebet kniend mit ausgestreckten Armen im Stillen verrichtete; eine Jungfer Schwalb, die im Unterhause wohnte, hat ihn auch oft in der Münsterkirche sein Gebet andächtig verrichten sehen. Nach dem Zeugnisse der Frau Fischer sind alle Rovantinis (mehrere Söhne und eine Tochter) nette und wohlerzogene Kinder gewesen.

Franz Rovantini gab viele Stunden, so einem Fräulein Walburga v. Gruben, die er auf der Violine weit brachte. Die Söhne und Töchter v. Gruben hatten oft Konzert in ihrem Hause, wo Beethoven, Vater und Sohn, und Rovantini immer mit dabei waren34. Ein v. Gruben war später Landrat, ein anderer Bischof von Paderborn, Hildesheim und Osnabrück; dieser spendete 1795 in S. Remigius in Bonn das Sakrament der Firmung.

Der Kurfürst mußte ein Vierteljahr in Münster residieren; dann war der »Tucksaal« frei, und die Musiker hatten Vakanz. Um diese Zeit gingen Beethoven, Vater und Sohn, und Fr. Rovantini meist zum Besuche zu Musikliebhabern, welche sie eingeladen hatten; das taten sie aber nicht für Geld, »denn das litt Hr. Beethoven sein Karakter nicht«, sondern zu beiderseitigem Vergnügen. In solcher Zeit ging Cäcilia Fischer viel zu Madam van Beethoven, welcher es ganz recht war, eine Zeitlang der großen Unruhe ledig zu sein; sie beschäftigte sich dann viel mit Handarbeit, Einkäufen usw.

Nun waren jene schon früher eingeladen zu Herrn von Dalwigk nach Flamersheim, zu welchem sie in einer solchen Vakanz reisten35. Er war am Bonner Hofe »einer der schönsten Kavaliere«; er hatte eine [464] Tochter, beide waren Musikfreunde. Von da reisten sie weiter und besuchten einen Pastor Olef in der Sürst, einen Jugendfreund Johanns van Beethoven, einen munteren Herrn und großen Musikfreund, der ihnen Krammetsvögel vorsetzte, Johanns Lieblingsspeise. Von da gingen sie zum Herrn Pastor Deck in der Pfarre Oendorf, der der Schwager von Frau Fischer und auch großer Musikfreund war; und von da zu dem Gutsbesitzer Deck in Oberdrees, ebenfalls Schwager der Frau Fischer. Dann kamen sie nach Ahrweiler, wo sie den Bürgermeister Schopp und seinen Bruder, den Apotheker Schopp, beides Musikfreunde, besuchten. Von dort kamen sie nach Ersdorf zu Herrn Rheindorf, Bruder von Frau Fischer; der Sohn desselben war später Pastor in Ersdorf, und großer Musikfreund. Von da aufs Röttgen zum Oberförster Ostler, dessen Sohn Musikfreund war. Von da kamen sie dann über Poppelsdorf, wo sie in der Porzellanfabrik bei Herrn Klütsch anriefen und wohl aufgenommen wurden, nach Bonn zurück36.

[465] Von da [heißt es in nachträglicher Hinzufügung] gingen sie auf die andere Seite, nach Hennef zu den Gerichtsherren, nach Bensberg zu dem Herrn, der auf dem Schlosse wohnte, nach Siegburg zu dem Herrn Prälaten; alle waren Musikfreunde37.

Kaum waren sie zurückgekehrt, als sich eine briefliche Einladung des Herrn von Menizar in Niederkassel vorfand; dort blieben sie wieder 14 Tage. Dort fanden sich auch Offiziere vom Bonner Regiment. Herr von Menizar war großer Musikkenner, er besuchte Beethovens oft und hatte seine Freude an Ludwigs Talent; er prophezeite seine Größe38.

Der Sohn des Weinwirts Vogelsang in der Rheingasse neben Fischers erinnerte sich oft an den »alten Musicus Johann van Beethoven«. In heißen Tagen kam dieser dorthin, trank abwechselnd Wein und Brunnenwasser [466] und ging auf und ab durchs Haus, bis beide Flaschen geleert waren. Dann konnte ihn seine Frau aus dem hinteren Fenster sehen und mit ihm sprechen [eine mitgeteilte Unterhaltung zeigt wieder, daß sie die schwache Seite des Mannes kannte].

»Madam van Beethoven erzählte ehemals der Cäcilia Fischer, daß ihr Vetter Rovantini sehr an sie (Cäc.) attachirt gewesen sei, sie hätte ihm am besten von allen Mädchen gefallen; wenn er von den Eltern das Jawort bekäme, möchte er sie gern heirathen. Mad. van Beethoven sagte aber zu ihr: wenn sie meinen guten Rath annehmen wollen, bleiben sie ledig, so haben sie das ruhigste, schönste, vergnügteste Leben. Denn was ist Heirathen? ein wenig Freud', aber nachher eine Kette von Leiden und sie ist noch jung.« Diesen Gedanken sprach Mad. van Beethoven öfter aus, wie unüberlegt sich viele junge Leute verheiraten, die nicht wüßten, was ihnen bevorstände; aber auch den Besten blieben Leiden nicht aus.

Wenn Cäcilia Madam van Beethoven bei ihrer Arbeit besuchte, erzählte ihr diese wohl von ihren Reisen, was für Gefahren sie ausgestanden, und gab ihr dabei guten Rat. Sie war als Mädchen mit vornehmen Herrschaften viel gereist, hatte viel gesehen und erfahren und konnte wohl jungen Leuten Rat geben.

»Damals herrschte in Bonn eine ansteckende Krankheit, die man die weiße Ruhr nannte; an dieser erkrankte auch Franz Rovantini. Beethovens ließen alle ärztliche Hilfe anwenden; er wurde auch zeitig versehen. Madam van Beethoven kam zu ihm und fragte: ›O, mein herzallerliebster Franz, noch nicht besser?‹ ›O nein, meine liebe Tante; ich habe vergangene Nacht einen besonderen Traum gehabt, ich habe meine Todtenbahre, die Lichter und das Kreuz gesehen, ich werde bald sterben.‹ Madam van Beethoven flößte ihm Muth und Trost ein. – Als Cäcilia Fischer vor dem Essen an der Treppe ein Messer schliff, schien es ihr, als wenn sie jemand rückwärts angriffe, sie erschrack, drehte sich um und sah nichts. [Das war Rovantinis Gewohnheit beim Herauf- und Heruntergehen.] Sie erzählte das ihrer Mutter, und sagte, daß sie das nie vergessen werde. Nach dem Essen kam die Magd von Beethovens herunter und sagte Fischers an, daß unser lieber Herr Franz Rovantini Mittag um 12 Uhr im Herrn entschlafen sei. Beethovens, und alle Hausbewohner und alle Freunde in Bonn nahmen großen Antheil. Herr Fr. Rovantini ist vom Herrn Pastor in S. Remigius und mehreren Geistlichen, und Herrn Professoren, und schöner Bürgerschaft, und dem [467] ganzen Hoftucksaal mit schöner Trauermusik beerdigt worden39. – Herr Fr. Rovantini, ledig, war ein bildschöner Mensch, sehr geschickt in der Musik, sehr religiös, von allen geachtet und geliebt. – Beethovens und Fischers konnten ihn gar nicht vergessen. Cäcilia sagte ehemals, wenn sie elternlos geworden wäre, und Herr F. Rovantini wäre noch ledig, hätte sie keinen andern geheirathet als ihn.« –

»Madam van Beethoven schrieb gleich einen Brief an ihre Fräulein Base Anna Maria Magdalena Rovantini in Rotterdam, die da in Diensten stand, über den Tod ihres Bruders.« Diese trauerte sehr und verlangte zu ihrer Beruhigung das Grab ihres Bruders zu sehen. Sie beredete die »Mi Frau« [Mevrouw, den Namen weiß also F. nicht] und ihr Töchterchen »Koge« [Abkürzung für Jacobine?], eine Reise nach Bonn zu machen. Sie kamen alle drei nach Bonn und wohnten einen Monat im Fischerschen Hause bei Beethovens. Es wurden viele Spaziergänge in der Nähe und Touren in die Umgebung gemacht, sogar bis Koblenz kamen sie; abends war oft ein kleines Konzert, wenn es der »Mi Frau« recht war. Ein Hofbackmeister Assbach wollte die »Fräulein Gouvernante«, die sehr schön war, heiraten, aber bei der baldigen Abreise wurde nichts daraus. »Die Mi Frau sagte zu v. Beethovens: das schöne Bonn, und die schönen Aussichten!« – sie würden noch oft an diese Reise denken und sie nie bereuen.

»Als nun die Mi Frau den Tag der Abreise bestimmt hatte, wurden Herr und Madam van Beethoven und Herr Ludwig aufgefordert, mit nach Rotterdam zu reisen. Herr Johann van Beethoven konnte nicht, Madam v. B. und Herr Ludwig v. B. willigten ein, ihrer fünf reisten sie ab. Herr Ludwig hatte sich gelegentlich entschlossen, in Holland ein Konzert zu geben, wo sie glaubten, daß er sich vieles Geld machen würde. Sie blieben eine lange Zeit aus.« Nachdem sie zurückgekommen waren, sagte Ludwig, als Fischer nach seinem Ergehen fragte: »die Holländer, das sind Pfennigfuchser, ich werde Holland nimmermehr besuchen.« Die »Mi Frau« aber erwies ihnen, wie Frau van Beethoven erzählte, viele Ehre. Ein Ereignis in einem gegenüberliegenden Hause, wie ein kleines Kind durch einen Affen, den man in der Familie hielt, geraubt und erst [468] nach vielem Suchen gefunden wurde, hatte sich der Erinnerung besonders eingeprägt40. [Der Gürtler Spenner in Bonn war bekannt mit dem 1813 verstorbenen Pater Braun, der bei Fischers wohnte, und kam dadurch oft ins Haus. Einst besuchte ihn Gottfried Fischer in einer Krankheit und hörte ihn erzählen, daß er ehemals mit Ludwig van Beethoven in seinen Jugendjahren in Rotterdam auf der Straße zusammengetroffen sei und ihm gesagt habe: Ludwig v. B., wie kommst du hierher? und Ludwig habe gesagt: Spenner, ja wie kommst du hierher? jeder habe seine Veranlassung gesagt, und Spenner habe dann den Ludwig bis an das Haus begleitet, wo die reiche Dame, »Mi Frau«, wohnte. Br.]

Als Ludwig so früh durch seine Kompositionen berühmt wurde, besuchten viele fremde Musikliebhaber das Haus. Manche wollten ihn in einem kleinen Konzert spielen hören, dann bestellte Johann v. B. Musiker und ließ es auf seinem Zimmer veranstalten. »Die Herren werden ihm das gut bezahlt haben, wir wissen es nicht.« (Wenn sie großes Konzert hatten, wurde die Tür zwischen den beiden Zimmern nach der Straße geöffnet.) Dem Meister Fischer wurde zuletzt die Unruhe zu groß, und er sagte zu H. van Beethoven: »es thut mir leid es euch zu sagen, sie müssen sich nach einem anderen Quartier umsehen41.« Im J. 1785 zogen Beethovens weg, blieben aber in der Rheingasse und bezogen das fünfte Haus von Fischers links, Nr. 939. Dies war aber nicht von langer Dauer; Johann beredete Fischer, ihn wieder einziehen zu lassen, er habe keinen Raum, er wolle in den Zimmern nach dem Hofe musizieren lassen. Nach ungefähr einem Jahre zogen sie wieder in Fischers Haus. Fräulein Gertrud Merkenich, nachmals Madam Falkenstein, die in ihrem Stammhause Rheingasse 936 wohnte, bezeugt, daß sie das Fischersche Haus oft besucht habe und mit Jungfer Cäcilia gut bekannt gewesen sei, auch Ludwig v. B. als Kind, sowie dessen Großvater gut gekannt habe. Als Johann v. B. auszog, hätten sie untereinander gesagt: »jetzt haben wir doch einmal Ruhe«; das sei aber nicht von langer Dauer gewesen; Beethovens zogen wieder ein; da hätten sie gesagt: »nun geht auch das Musikspektakel wieder an42.« Cäcila erzählte oft, wie große Freude ihr die [469] Musik bei Beethovens gemacht habe, und wie traurig sie gewesen sei, als es nach dem Auszuge so still war. Beethovens hätten sie auch gerne gehabt; wenn sie zufällig zu Herrn Ludwig gekommen wäre, während er arbeitete, sei er immer freundlich und gefällig gewesen.

Großes Wohlgefallen hatte Ludwig an der schönen Aussicht, die man von dem Speicher des Hauses auf den Rhein und das Siebengebirge hatte; »denn Beethovens liebten den Rhein«.

Wenn Johann van Beethoven die Familie Fischer Sonntag abends besuchte, so erzählte er ihnen mancherlei; dann sagte er auch wohl: »mein Sohn Ludwig, daran habe ich jetzt meine einzige Freude, er nimmt in der Musik so zu, er wird von allen mit Bewunderung angesehen. Mein Ludwig, mein Ludwig, ich sehe ein, er wird mit der Zeit ein großer Mann in der Welt werden. Die hier versammelt sind, und es noch erleben, gedenken sie an mein Wort.« Davon waren die Haustochter Cäcilia, welche 1845 mit 83 Jahren starb, und Gottfried Fischer, 77 Jahre alt [also 1857 geschr.] Zeugen.

In der Weinschenke des Hoflakaien Häuser, wo die Hofmusiker zusammen kamen, wurde einmal dem Johann van Beethoven von den übrigen ein böser Streich mit einer Speise gespielt [F. drückt sich mysteriös aus; so viel ist klar, daß man ihm unter dem Scheine einer Lieblingsspeise etwas Ekelhaftes zu essen gab]; auch das erzählte er Fischers. »Weil Herrn Johann van Beethovens Sohn Ludwig in der Lehre der Musik so außerordentlich zunahm, hatte er vermuthlich viele, die ihn darum beneideten und ihm nicht gut waren.«

Joh. van Beethoven war so anhänglich an das Fischersche Haus, daß er dreimal auszog und wieder einzog.

»Der letzte Auszug war 1788 den 15ten Mai43. Ursache war ein bevorstehender Krieg mit den Franzosen, wo er glaubte, der Churfürst könne sein Land verlieren, wodurch er dann gehaltlos werde; daher wolle er sich bei Zeiten etwas einschränken. – Beethoven zog in die Wenzelstraße No. 476; das Jahr, als sie da wohnten, starb Madam van Beethoven. [470] Nach ihrem Tode ließ Herr Johann van Beethoven ihre Kleidergarderobe an die Trödler verkaufen, wodurch sie auf den Markt zur Ausstellung kamen. Cäcilia kam über den Markt und sah die schönen Kleider, die ihr bekannt schienen, sie fragte und erhielt die Antwort: von der verstorbenen Madam van Beethoven. Sie wurde sehr traurig, und brachte ihren Eltern die Nachricht.«

In demselben Hause starb Johann van Beethoven 1792 am Brustwasser, 68 Jahre alt44.

1792 verließ Max Franz Bonn und begab sich nach Münster in Westfalen; es wurde für Bonn eine traurige Zeit. Viele Häuser wurden leer, alle adligen Herrschaften gingen weg. Jetzt trennten sich auch die Beethovenschen Söhne.

»Churfürst Max Franz gab dem Graf von Wallenstein [Waldstein] den Auftrag, den Herrn Ludwig van Beethoven nach Wien zu besorgen. Caspar van Beethoven wurde Apotheker. Johann Nikola van Beethoven, wie man sagte, soll sich nach Frankreich begeben haben und in ein Regimentsmusikcorps eingetreten sein45

Hofmusikus Johann Goldberg reiste dem Herrn Ludwig van Beethoven nach, wurde aber unterwegs krank und starb; seine Mutter klagte es der Jungfer Cäcilia46. –

»Die Freunde, die ihrer Zeit die Beethovensche Familie oft besucht und Fischers gut gekannt haben, sind im Folgenden alle namentlich aufgeführt:

Herr Theaterdirektor Großmann und seine Frau; – sie waren bei Johann van Beethoven erste und intime Freunde.« [In anderen Aufzeichnungen Fischers wird gesagt, daß auch Friederike Flittner das Beethovensche Haus besuchte, und daß sie sowohl, wie ihre Mutter auch mit Cäcilia bekannt gewesen seien. Es werden einzelne Ereignisse mitgeteilt, die hier übergangen werden müssen.]

»Herr Lux, hochberühmter Schauspieler.

Herr Simrock, Hofmusikus, und seine Ehegemahlin.

[471] Die alte Madam Eichhof; ihr Sohn

Herr Eichhof, früher Beisitzer in Paris, nachher Obercontroleur am ganzen Rheinstrom47.

Herr Robsohn, später Friedensrichter in Bonn. – Beide freiten um Hofsängerinnen, die Geschwister (Nees) Grau48.

Herr Neff [Neefe], erster Hoforganist, und seine Frau.

Herr Graf Anton von Belderbusch, ehemals Edelknabe bei Hof.

Herr Mattgoli [Mattioli], Hofmusikdirector, und seine Frau, eine ausnehmende Ballettänzerin.«

[Herr Hanzmann, Minoritenmönch, nachher Richter am Tribunal zu Bonn. Br.]

»Herr von Menizar [v. Meinertzhagen], Rentner zu Oberkassel bei Bonn.

Herr Eilender, nachher Notar in Bonn.

Herr Erhard49 und seine Frau.

Wittwe Madame Keilholz mit ihren zwei Töchtern, Hofschauspielerinnen.

Herr Josefe [Josephi, S. 78], Schauspieler, nicht für Geld, nur für sein Vergnügen, und zwei Töchter; Josefe soll ein englischer Graf gewesen sein.

Herr Stronzki, Hofschauspieler.« [?]

[Herr Bruder Willebalt, guter Organist vom Franziskanerorden.

Fräulein von Gruben, jüngste Tochter (Schülerin Rovantinis). Br.]

»Herr Jurist Steinmüller.

Herr Windeck, nachher Notar, zuletzt Oberbürgermeister von Bonn.

Herr Beckinkammp, Maler, und seine Frau, Hofsängerin.« [Von diesem wird an einer andern Stelle erzählt, daß er einmal auf dem Lande ein wertvolles Gemälde gefunden habe, durch dessen Verkauf er wohlhabend geworden sei. Später sei er nach Wien gezogen.]

[Fräulein Gacinells Güpp, hatte bei Joh. v. B. Stunde im Klavierspiel und Singen. Br.]

»Herr Facius, Hofmeister beim englischen Gesandten, seine drei Söhne und zwei Töchter.

[472] Herr Luchesi, Hofkapellmeister, mit seiner Frau, zwei Söhnen und einer Tochter.

Herr Wilhelm Klütsch, Quartiermeister bei der churfürstlichen Leibgarde, und drei Töchter.

Fräulein Radermacher aus Coblenz.«

[Anselmus Jean Nicola Rovantini, Doctor der Medicin, Taufpathe des Jean Nicola van Beethoven50. – Berthus [wohl Hubertus] Rovantini, Wundarzt.

Joseph Reicha, Hofmusikdirektor.]

»Herr Louis Simonette [Simonetti], Hoftenorist.

Herr Juwelier Mayer und seine Frau, sein Sohn Maler Mayer, dessen Frau blind war.

Herr Spenner, Gürtler.

Herr Matole [?] und seine Frau.

Herr Vincentius Aßbach, Hofbackmeister.

Herr Delombre, Hoftenorist, und seine Frau, Hofsängerin.

Fräulein Hawerdong [Averdonk], Hofsängerin.

Fräulein Neuerin, Hofsängerin.

Herr Johann Goldberg, Hofmusikus.

Herr Spizeder, Hofschauspieler und schöner beliebter Sänger.

Herr Christoph Brand, Hofmusikus, heirathete die Schwester von Madam Großmann.

Herr Buchorni, Hofmusikus51.

Herr Haveck, Hofmusikus.

Die Brüder Georg und Joseph Welsch, Hofmusiker.

August Kunz, Klavierspieler und Organist, nachher Musikhändler in Mastricht.

Herr Nikola Veit, Klavierspieler und Organist, zuletzt nach Köln berufen, wo er auch starb.

Herr Franz Ries, Hofmusikus, der von allen Musikern der letzte lebende war« und den Festlichkeiten bei der Enthüllung des Denkmals noch beiwohnen konnte52.

[473] »In seiner letzten Zeit trug Herr Johann van Beethoven Werkeltags einen braunen Ueberrock und runden Hut, und ein dünnes Haarzöpfchen. Wenn er mir zufällig auf der Straße begegnete, fragte er mich: Gottfried, wo warst du: ich sagte: Herr van Beethoven, ich komme aus der Schule. Er sagte: dann lern' nur zu, dann kannst du auch was. Grüß' mir deinen Vater Theodor Fischer, und deine Mutter. Ich sagte: ich Ihnen auch ebenfalls, Herr van Beethoven, Adieu.«

[In einem Brouillon findet sich dann noch folgende, etwas unklar erzählte »Tradition«:

»Beethoven war einmal auf die andere Seite gereist. Bei der Wiederkunft hielt er sich auf der andern Seite in Vilich sechs Tage auf. Er sah dadurch, daß er sich nicht umkleiden konnte, etwas schmutzig aus; er hatte für Kost und Schläfung noch nichts bezahlt. Die Frau sagte zum Mann: ich muß ihn mahnen. Sie mögen es mir nicht übel nehmen, wir brauchen auch Geld. Er sagte zur Frau: gebt mir Feder, Dinte und Papier; er schrieb ihr etwas und sagte: geht in Bonn zu dem Besagten hin und fordert dafür 3 Karolin. Die Frau geht hin, und bringt zur Antwort: der hat mir 2 Karolin geboten. Er nimmt das Papier und zerreißt es, und wirst es in den Ofen, schreibt ein neues und sagt zu der Frau: geht hin und fordert 4 Karolin. Sie bringt zur Antwort: 2 Karolin. Er zerreißt es und wirst es wieder in den Ofen. Die Frau sagt: 2 Karolin, ist das nicht Geld genug, das könnte uns beiden doch gut helfen [?]. Er schreibt ein neues und sagt: geht hin und fordert 5 Karolin. Die erhält sie auch, da gibt er ihr das Geld; die Frau sagt: ihr könnt aber gut schreiben. Er gibt keine Antwort und geht weg53.«]

Was sich nun ferner in den zahlreichen Brouillons findet, bezieht sich größtenteils auf die Frage nach dem Geburtshause, die den alten Fischer, der von jeher den guten Glauben an die Ehre seines Hauses gehabt [474] hatte, in große Aufregung versetzte. Er hat sich zunächst die Nummern der Kölnischen Zeitung aus dem Jahre 1838 aufgezeichnet, welche sich auf diesen Streit bezogen. Dann findet sich eine Reihe von Zeugnissen älterer Bonner, meist Bewohner der Rheingasse (nicht im Original, sondern in Abschrift), welche für dieses Haus sprechen sollen; dieselben besagen aber alle nur, daß die Aussteller Ludwig van Beethoven als Kind im Fischerschen Hause gekannt haben, während kein einziges ausdrücklich die Tatsache der Geburt daselbst bezeugt; demgegenüber kann es nicht viel bedeuten, wenn dieselben ihr Alter zu der Zeit, wo sie den Kleinen gesehen, ungefähr so angeben, daß es mit dem Geburtsjahre Beethovens übereinkommt; denn nichts kann nach Ablauf so vieler Jahre unsicherer sein, als Bestimmung einer Zeit, wofür die Fischerschen Mitteilungen die gültigsten Beweise liefern. Wir wollen die Personen kurz nennen, welche dem alten Fischer auf sein Verlangen das Zeugnis ausstellten; eine detaillierte Mitteilung hat kein Interesse. 1. Rentner Wandels, geb. 1753, 3. Aug. Seine Eltern wohnten Rheingasse 935, später 912. 2. Kaufmann J.P. Wandels, Bruder desselben, geb. 12. Aug. 1761; beide haben auch den Großvater gekannt. 3. Schreiner Meller, geb. 29. Jan. 1757, wohnhaft Rheing. 905. 4. Elisabeth Köter, gen. Kirch, geb. 9. Nov. 1758, besuchte (mit 11–13 Jahren) eine Nähschule am Rheintor und erinnert sich, am Fischerschen Hause der schönen Musik bei Beethovens zugehört zu haben. 5. Sibilla Nolden, geb. 15. Aug. 1764 in der Nähe der Rheingasse. 6. Michael Vink, geb. 3. Mai 1768, wohnte beim Rheintor, erinnert sich, fast täglich mit Ludwig und Joh. Fischer gespielt zu haben. 7. Gertraud Merkenich, gen. Madam Falkenstein, geb. 4. Febr. 1761 Rheingasse 936, hat im Fischerschen Hause Ludwig und früher seinen Großvater öfter gesehen. 8. Elisabeth Steinbach, geb. den 4. Mai 1761, und ihre Schwester, Johanna Steinbach, gen. Beckmann, geb. 1. Juli 1763. 9. Maria Anna Wüsten, geb. 4. Apr. 1763. 10. Gottfried Maaß, der sich auf den alten Simrock beruft; dieser habe L. v. B. im Fischerschen Hause gekannt und gesagt, er sei wahrscheinlich dort geboren. 11. Wilhelm Heinrich Rheindorf, Pfarrer in Ersdorf und Neffe von Fischers, geb. 10. März 1767, hat seine Verwandten oft besucht und sowohl Johann wie Ludwig v. B. gekannt; er erinnert sich der Bewunderung, die das sich entwickelnde Talent des letzteren fand, und des großen Zuspruches im Hause infolgedessen. 12. Oberpfarrer Funck in Montjoie, geb. zu Bonn 6. Nov. 1770 [also völliger Altersgenosse Ludwigs], der Sohn des aus den Hofkalendern [475] bekannten Calcanten Funck54, bezeugt zunächst, daß er Ludwigs Vater wohl gekannt habe. Dann fährt er fort: »Mit Louis van Beethoven bin ich so zu sagen aufgewachsen, bin nur 6 Wochen vor ihm geboren. In seiner frühesten Jugend habe ich ihn nur als Bewohner von Fischer's Hause Rheingasse 934 gekannt; – von da aus hat er Neugasse 971 bei H. Lehrer Huppert die Elementarschule besucht, und was auffallend beim Louis sein muß, ich kann bezeugen, daß er in der Schule gar nichts gelernt hat, und daß er eben deswegen von seinem Vater früh ans Klavier gesetzt und äußerst streng behandelt wurde. – Später als Louis ein ungefähr 12–13jähriger Knabe war, mußte er in der Minoritenkirche Morgens bei der Messe um 6 Uhr die Orgel spielen.« Er wiederholt dann, daß er ihn bis zu seiner Abreise nach Wien gekannt, daß er nur als 12–13jäh riger Knabe, und dann ganz zuletzt, anderswo, sonst immer in der Rheingasse gewohnt habe; er sehe daher nicht ein, wie man ein anderes Haus als das Geburtshaus bezeichnen könne. [Und doch sagt Jungfer Cäcilia verschiedene Male, einen Eid könne sie darauf nicht ablegen, und fühlt sich in ihrem Gewissen gedrückt, daß sie es einmal zu bestimmt bezeugt habe.] – Warum vermißt man unter diesen Zeugnissen das von Franz Ries, geb. den 10. Nov. 1765, mit dem Fischer doch seiner Angabe nach öfter über die Sache gesprochen hat?

Fußnoten

1 Vgl. Thayers Aufsatz Toujours perdrix in der Deutschen Zeitung vom 28. Mai 1879. Thayer hatte, wie sich nachher ergab, den Wert dieser Quelle, die er nur rasch durchblättert hatte, weniger geschätzt, als sie verdiente.


2 Führer durch das Beethovenhaus von Schmidt und Sonnenburg, S. 44, Nr. 291.


3 Der Herausgeber glaubt hier mitteilen zu dürfen, daß auch Otto Jahn, mit welchem er bei Gelegenheit der ersten Ausgabe über den Gegenstand sprach, die Wichtigkeit und Glaubwürdigkeit dieser Quelle vollständig anerkannte.


4 »1750er Jahren« in einem Brouillon; im Texte ist 1724 über eine Rasur geschrieben. Letztere Zahl ist natürlich unmöglich.


5 In einem Brouillon wird, mit Berufung auf Dr. Kist aus Utrecht, Redakteur der Nederlandsch Muziek Tijdschrift, welcher 1843 das Beethovenhaus besucht habe, hinzugefügt: L. v. Beethoven sei mit seiner Mutter in Zwietracht gekommen, warum, habe man nicht erfahren, und sei weggegangen; da er lange ausblieb, habe seine Mutter ihn aufsuchen lassen, und als man ihn nicht fand, habe man ihn für tot gehalten. Das Haus »in Holland oder Belgien« sei noch jetzt im Besitz eines reichen Pumpenhändlers desselben Namens van Beethoven; über der Tür sei eine Tafel angebracht. (In der Tat befindet sich an dem Stammhause in Antwerpen eine Tafel mit der Aufschrift Sphera Mundi, s. o. S. 105.)


6 In einem Brouillon, in welchem von der Geburtshausfrage die Rede ist, wird dasselbe wieder erzählt, so daß der Verdacht entsteht, Fischer wolle durch die Angabe einer schon alten Bekanntschaft zwischen Baums und Beethovens den Beweisgrund entkräften, der aus der Patenschaft der Frau Baum über Ludwig v. B. für das Haus in der Bonngasse, neben welchem Baums wohnten, entnommen werden könnte.


7 Bei dieser Gelegenheit soll nach Fischers weiterer Erzählung jener Scherz vorgefallen sein, den sich der Kurfürst durch Zerstörung von Geschirren usw. erlaubte, und der sonst auf den Jahrmarkt von Pützchen verlegt wird. Die Brouillons erzählen noch andere Scherze dieses Kurfürsten, die natürlich hier keine Aufnahme finden konnten.


8 »Gottwalliz« nennt sie das Manuskript. Der Kammermusikdirektor Gottwald sieht 1759 nicht mehr im Hofkalender, doch findet sich in demselben Judith Godwaldin als Akzessistin, wahrscheinlich seine Tochter. In dem Hofkalender von 1769 steht sie nicht mehr und könnte demnach in dieser Zwischenzeit gestorben sein; in dem Fischerschen Hause aber starb sie dann jedenfalls nicht; von 1759 bis 69 haben wir ihren Namen in den Sterberegistern von Remigius nicht gefunden. Von einer Antonia Gottwald ist aber überhaupt keine Notiz uns bekannt geworden.


9 Hier sind jedenfalls verschiedene Zeiten vermengt. Als der Kapellmeister Beethoven das Haus verließ, war Ludwig noch nicht auf der Welt, und Franz Rovantini, über welchen unten alles Nähere angegeben werden soll, ein Knabe von 10 Jahren. Über diese spätere Bekanntschaft mit der Familie, die um die Zeit von 1780 fallen muß, konnte Fischer aus dem Munde seiner Schwester Erinnerungen haben, nicht aber über eine frühere mit dem Großvater, deren Existenz also dahingestellt bleiben mag.


10 Von dieser Hochzeit hat die Jungfrau Cäcilia offenbar auch dem Dr. Hennes ähnliches erzählt, wie aus seinem Aufsatze Köln. Ztg. 1838 Nr. 196, den wir unten wiederholt haben, hervorgeht. Übrigens war der alte Beethoven am 24. Juni 1761, dem Tage der Hochzeit, noch nicht Kapellmeister, wozu er erst am 16. Juli d. J. ernannt wurde.


11 Natürlich zogen die jungen Beethovens auch weg, was hier verschwiegen wird.


12 Die Angabe, daß der Kapellmeister Beethoven aus der Bonngasse nachmals weggezogen sei, läßt sich mit der Erzählung Wurzers nicht vereinigen. S. o. S. 114.


13 Diese Angabe scheint aus dem Kirchenbuche zu stammen. S. o. S. 118.


14 Hier sind mehrere Verwechselungen begangen. Nach den Kirchenbüchern von Ehrenbreitstein hatte der Hauptkoch Heinrich Kewerich außer der einen Tochter, seinem jüngsten Kinde, nur noch drei Söhne. Die Familie Herrberg kommt in Ehrenbreitstein im vorigen Jahrhundert öfter vor, aber weder ein Konditor dieses Namens, noch einer, welcher eine Kewerich geheiratet. Hier ist also wohl eine gute Bekannte der Familie zu einer Verwandten gemacht. Dagegen scheint es mit der Verwandtschaft der Familien Beethoven und Rovantini seine Richtigkeit zu haben; der Herausgeber nimmt Bezug auf seine Anmerkung zum Texte der Biographie oben S. 117. Der am 20. Nov. 1766 in Bonn verstorbene Hofmusiker Johann Konrad Rovantini, welcher 1765 von Ehrenbreitstein dorthin übergesiedelt war, hatte sich 1755 mit Anna Margaretha Daubach verheiratet, welche 1730 geboren war; ihr Vater war der »scabinus« Georg Adam Daubach († 1749). Das älteste Kind derselben war Maria Magdalena (1755 geboren), offenbar die von Fischer genannte, nur daß die damals neunjährige Magdalena Kewerich wohl nicht Patenstelle bei ihr vertrat; ihre Patin war vielmehr Frau Daubach, ihre Großmutter. Der Sohn Franz Georg, der uns bekannte Musiker, wurde am 7. Mai 1757 geboren; bei seiner Taufe vertrat der Hauptkoch H. Kewerich den eigentlichen Paten, Herrn von Boos. Nun war die Frau des Kewerich, Anna Klara, nach dem Kirchenbuche ebenfalls eine geborene Daubach; sie starb 1768 im Alter von 63 Jahren. Der Vorname weist darauf hin, daß es dieselbe Persönlichkeit war; auch findet sich ein anderer Kewerich nicht im Kirchenbuche. Sie war also um 1705 geboren und mutmaßlich die Tante der Frau Rovantini; daraus erklärt sich auch die stellvertretende Patenschaft des Mannes, und so konnte auch, in weiterem Gliede, der junge Rovantini Frau van Beethoven seine Tante nennen. Franz Rovantini wurde schon im 14. Jahre (14. März 1771) Akzessist bei der »Secund violin« in Bonn und erhielt am 13. Dez. die Erlaubnis, das Toxal und die Komödien gegen Genießung gewöhnlicher doucerurs zu frequentieren; das Gnadengehalt der Mutter († 1772) verblieb den Kindern, für deren Erziehung Hofmusikus Salomon sorgen sollte; 1773 erhielt Franz Urlaub auf 2 Jahre zu weiterer Ausbildung: 1776 erhielt er 40 Tlr, Gehalt; erst 1778 erscheint er als Hofmusikus im Hofkalender; er starb am 9. September 1781. Mit den beiden anderen Söhnen bei Fischer wird es dann auch wohl richtig sein; daß einer nach Würzburg kam, findet einen Anhalt in einer Eingabe der Kinder des verstorbenen Hofmusikanten [Johann Konrad] Rovantini von 1793 um die für sie früher von Johann v. Beethoven bezogenen drei Malter Gnadenroggen, zu deren Erhebung sie durch Vollmacht von Würzburg vom 15. Febr. 1793 den Ernst Haveck ermächtigt hatten.


15 Daß Cäcilia sich erinnert habe, den kleinen Louis in der Wiege gesehen zu haben, was in dem erwähnten Aufsatze von Hennes gesagt wird, haben wir in den Fischerschen Papieren nicht gefunden. Alles, was über diese früheste Kindheit gesagt wird, trägt den Charakter großer Unsicherheit; jener Taufschmaus kann sich auch auf ein anderes der Kinder beziehen; und man beachte wohl, daß alle bestimmten Erinnerungen der Cäcilia, die hier erzählt werden, einen heranwachsenden Knaben von 6 bis 8 Jahren voraussetzen, während die frühere Zeit offenbar umgangen wird. Man wird bei genauer Prüfüng dieser Fischerschen Erzählungen aus denselben einen weiteren Beweis gegen das Fischersche Haus als Geburtshaus ableiten können, wenn es eines solchen noch bedürfte. – Übrigens bemerken wir noch, daß die Mitteilungen, welche Dr. Hennes von Fischers erhalten hat, unvollständig waren und von ihm theilweise mißverstanden sein müssen; denn einige seiner Angaben sind mit dem hier Gegebenen nicht zu vereinigen.


16 Wichtiger als diese Nachricht ist folgende Anzeige des Bonner Wochenblatts von 1840, 31. Jan. »Heute Morgens um 8 Uhr starb hier an Altersschwäche im städtischen Krankenhause Catharina Nusbaum, verehelichte Krumscheit, geb. zu Bonn den 25. April 1757: (nach ihren Aussagen war sie das Kindermädchen unseres hochverehrten Künstlers Ludwig van Beethoven, geb. den 17. Dec. 1770 in der Bonngasse in dem Hause des Herrn Dr. Schild, No. 515).


Bonn den 29. Januar 1840.

Der Beigeordnete Haast.«


17 Hier darf als Erläuterung hinzugefügt werden, daß am 28. Jan. 1778 dem Franz Rovantini ein Urlaub von 2 Jahren, und ebenso dem Christoph Brandt am 12. Mai ein fünfmonatlicher Urlaub bewilligt wurde, nach welchem er 1774 hier Fischers Angabe bestätigen.


18 Johanna Helena Averdonk, geb. in Bonn am 11. Dez. 1760, anfangs Schülerin Johanns v. Beethoven, bei dessen Sohne Nicola sie Gevatter stand, und der sie am 26. März 1778 in einem Konzert in Köln auftreten ließ (vgl. S. 130), in demselben Jahre auf sei nen Bericht zu ihrer Ausbildung zu Sales nach Koblenz geschickt, 1780 Hofsängerin, 1784 wieder von Max Franz angestellt, gestorben in Bonn am 13. Aug. 1789 (Kirchenb. v. S. Remigius). Jungfer Cäcilia hat sich, wie es scheint, in ihrer Erinnerung ihren Tod früher gedacht.


19 Ein Lehrer Huppert findet sich in jener Zeit in Bonn nicht; dagegen kommt unter den Lehrern von Trivialschulen der Name Rupert vor (nach Mitteilung meines Herrn Kollegen Buschmann). Diesen kann Fischer gemeint haben.


20 Damit ist der Hennessche Aufsatz (Nr. 196 K. Z. 1838) gemeint.


21 Der Bruder Willibald, den wir hier als Lehrer Beethovens kennen lernen, war seinerzeit durch sein Spiel und seine Kenntnis in Bonn bekannt. Unter den Düsseldorfer Dokumenten findet sich ein Bericht des Hofkammerrats Isaak vom 29. Juli 1784 über den Bau einer neuen Hoforgel (auf welchen der oben S. 201 mitgeteilte Bescheid erging); derselbe sagt, er habe sich, um über die Angaben des Orgelbauers Riedlen sich ein klares Urteil zu bilden, »demnach bei hiesigem Franciskanerbruder und Organisten Willibald Koch, welcher bekannter Dingen hierinn viele Wissenschaft besitzt, auch dergleichen Arbeit an unterschiedlichen Ort- und Plätzen öfters mitbearbeiten, einrichtigen und aufsetzen geholfen, desfalls genau erkundiget«. Alte Bonner erzählten, daß man in die (dem kurfürstlichen Schlosse gegenüberliegende) Franziskanerkirche ging, um den Bruder Willibald spielen zu hören.


22 Auch der Pater Hanzmann war der späteren Bonner Tradition noch wohlbekannt. Er verließ später den geistlichen Stand, verheiratete sich und wurde Richter an dem von Napoleon in Bonn eingesetzten Tribunal; als solcher installiert am 5. Mai 1811, vgl. Bonner Archiv II, S. 7.


23 Über Facius mag der Brief Meefes (oben S. 100) nachgelesen werden.


24 Süpp (Jüpp), rheinische Abkürzung für Joseph oder Josephine. Maria Josepha Gazzenello, ged. in Bonn den 4. April 1764 (Kirchenbuch von S. Remigius), wurde am 22. Juli 1783 als Akzessistin angestellt (od. S. 66). Joh. v. Beethoven mag ihr zuerst Unterricht gegeben haben; in ihrem Besuche nennt sie sich Schülerin des Kapellmeisters Graff im Haag.


25 Die weitere Beschreidung ist oben S. 143 in den Text der Erzählung aufgenommen.


26 Vermutlich Stumpf, welcher Name in der Bonner Hofkapelle ja mehrmals vorkommt.


27 Bei der Großmannschen Gesellschaft unter Max Friedrich findet sich im Jahre 1780 auch ein Schauspieler Santorini (oben S. 78), von dem weiter nichts angegeben wird. Sicherlich findet hier eine Namensverwechselung statt, und es kann kein anderer gemeint sein, als der alte van den Eeden, der bestimmt um die Zeit, als Beethovens bei Fischers wohnten, Ludwigs Lehrer war.


28 Tobias Friedr. Pfeiffer war 1779–30 in Bonn, s. oben S. 80.


29 Da Rovantini 1781 starb, und Beethoven frühestens 1783 Hoforganist wurde, so liegt auch hier wieder Verwechselung vor.


30 Es folgen hier eine Reihe von Angaben der Geburts- und Todeszeiten von Mitgliedern der Beethovenschen und Fischerschen Familie, teils sonst bekannt, teils ohne Interesse. Bei dem Sterbedatum Johanns v. B. steht der sonderbare Zusatz »hat mit Mozart akvtirt« (= akkordiert), der auf verschiedenen Brouillons wieder begegnet. Ob man daraus auf Verabredungen mit Mozart vor Beethovens erster Wiener Reise schließen dürfe, entscheiden wir nicht. »Im Hause Rheinstr. 934 bei Beethoven wurde oft von Mozart gesprochen«, heißt es in einem andern Br.


31 Von dieser unverständigen und flüchtigen Magd (Maria Katharina) werden noch fernere Geschichten erzählt.


32 Fischer nennt ihn Ignaz Willmann und bezeichnet beide Töchter als Sängerinnen; eine seiner beliebten Verwechselungen. Es war doch wohl die Familie des Maximilian Willmann, s. o. S. 241. 1767 aber war Ignaz Willmann als Violinist berufen worden (oben S. 46) [Anm. H.R.]. Die Personen scheidet Fischer offenbar nicht. Im Fischerschen Hinterhause, Giergasse 050, wohnten nach den Willmanns »ein Hofmusikus Haweck mit seiner Frau, beide starben im Hause, er wurde mit schöner Trauermusik begraben.« Br. Der Bratschist Haveck steht noch in den Verzeichnissen von 1794. Er ist derselbe, der oben (S. 193) erwähnt wurde.


33 Das Floriansfest war am 4. Mai.


34 Ein Fräulein v. Gruben nennt auch Neefe in einem seiner Berichte (S. 212). Constantin von Gruben war Direktor des kurfürstlichen Akademierats; außer ihm erscheint in älteren Bonner Verzeichnissen noch ein Kanonikus von Gruben.


35 Nach der nicht sehr klaren Ausdrucksweise Fischers handelt es sich im folgenden um mehrere, zu verschiedenen Zeiten ausgeführte kleine Reisen. Die zuerst beschriebene, in die Rheinbacher Gegend unternommene, wird man wegen der Nachbarschaft der Orte als eine einheitliche ansehen dürfen. Bei dem Versuche einer Zeitbestimmung für diese Ausflüge sind wir auf einen kleinen Zeitraum beschränkt. Die Darstellung scheint vorauszusetzen, daß Pfeiffer nicht mehr in der Familie war (er verließ Bonn 1780), sagt aber, daß Rovantini teilnahm, welcher im September 1781 starb. Der Kurfürst war, wie aus dem Schweigen des Intelligenzblattes zu schließen ist, 1780 überhaupt nicht abwesend, wohl aber im Sommer 1781 (in Westfalen); von dieser Reise kehrte er am 11. Sept. 1781 nach Bonn zurück. (Kobl. Intelligenzbl. vom 17. Nov. 1781.) Dann wäre für die ausgedehnteste der Reisen der Sommer 1781 anzunehmen. Irrtümer in der Erinnerung bleiben aber nicht ausgeschlossen.


36 Sowohl die Ortschaften, als mehrere der Personen, welche hier genannt werden, können auch jetzt noch festgestellt werden. Flamersheim ist ein bekannter Ort im Kreise Rheinbach; Herr der Burg daselbst war zu Beethovens Zeit Friedrich Wilhelm Freiherr von Dalwigk, geboren 1749, gestorben 1814, Kurkölnischer Kämmerer und Deutschordens-Komthur der Ballei Utrecht. Sürst heißt ein hinter Rheinbach nach der Eifel zu gelegener Landstrich (vgl. Rhein. Geschichtsblätter 4. Jahrg. S. 127), welcher die Gemeinden Neukirchen und Queckenberg umfaßt; ein Pfarrer Olef ist freilich dort nicht gewesen (der Name Alef kommt in der Gegend vor), so daß hier jedenfalls Verwechselung vorliegt. Odendorf (in der Volkssprache Oendorf) und Oberdrees sind Dörfer bei Rheinbach. In Odendorf war Hilger Joseph Dick 1767–1810 Pfarrer; sein Bruder Wilhelm Heinrich Dick war Gutsbesitzer und Schultheiß in Oberdrees. Die Schwester beider, Anna Gudula Dick, heiratete 1763 den Karl Joseph Rheindorf, in dem gleichfalls nahe gelegenen Ersdorf; ihr Sohn war Wilhelm Heinrich Rheindorf, von 1805 bis 1839 Pfarrer in Ersdorf. Fischer spricht nach seinem Dialekt den Namen Deck aus, hat ihn aber auf einem Totenzettel in seinen Papieren richtig Dick geschrieben. Er konnte über die Verhältnisse unterrichtet sein, da er mit jenem Ersdorfer Rheindorf nahe verwandt war; die Quellen aber, aus denen wir die obigen Nachrichten schöpfen, sind von seiner Erzählung ganz unabhängig. Von jenen Orten ist es nicht weit nach Ahrweiler; dort wurde am 1. Mai 1779 der Schöffe Matthias Schopp zum Bürgermeister ernannt. Die Ernannten blieben ein Jahr im Amte, führten aber den Titel weiter. Derselbe Name findet sich in Ahrweiler öfter, ein Apotheker des Namens freilich nicht. Die vorstehenden Mitteilungen verdankt der Herausgeber der Güte des Herrn Landrat von Groote in Rheinbach und des Herrn Professor Dr. Hauptmann in Bonn; sie erläutern, wie man sieht, die Unbefangenheit und Glaubwürdigkeit des alten Fischer in sehr erwünschter Weise. – Die Namen Ostler und Klütsch waren in Bonn bekannt.


37 Hennef liegt nicht weit (7 km) von Siegburg. In dem unmittelbar mit dem Orte zusammenhängenden Dorfe Warth waren die drei Gerichtsbezirke des Amtes Blankenberg vereinigt (seit 1812 war Hennef Sitz des Gerichts), so daß es dort an »Gerichtsherren« nicht fehlte. Ignaz Joseph Stein, 1766 in Geistingen (ebenfalls nahebei) geboren, welcher das Bonner Gymnasium besuchte und später auch noch dort studierte, wurde mit 23 Jahren Advokat und später Fiskal des Amtes Blankenberg. Es ist nicht unmöglich, daß dieser Beethoven in Bonn kennen gelernt und gelegentlich nach Geistingen (oder Warth-Hennef) eingeladen hat. In Siegburg bestand auch später noch die Tradition, daß Beethoven einmal auf der Abtei gewesen und auf der schönen Orgel der Abteikirche gespielt habe. Äbte waren von 1772 bis 1787 Franz Ferdinand von Seraing, Freiherr zu Eybach, und von 1787 bis 1793 Johann Speyart von Woerden; die Äbte führten kraft päpstlicher Gestattung den Titel Prälaten. In Bensberg bei Köln befand sich ein Bergisches Lust-und Jagdschloß (jetzt Kadettenanstalt), auf welchem in den Jahren 1730–90 der Burgvogt Monreaux saß; das war also wohl der »Herr, der auf dem Schlosse wohnte«, welchen Beethoven besuchte. Das Vorstehende verdankt der Herausgeber freundlichen Mitteilungen aus Siegburg und dem Düsseldorfer Staatsarchiv.


38 Derselbe wird weiter unten noch einmal genannt, als sein Wohnort aber Oberkassel, was das richtige ist; in Niederkassel bei Bonn kommt ein ähnlich lautender Name nicht vor. In Oberkassel besaß die Familie von Meinertzhagen (diesen Namen hat Fischer nach seinem Dialekt in Menizar verdreht) ein Gut; der Besitzer Gerhard von Meinertzhagen starb 1761. Der Erbe (mutmaßlich der Sohn) Abraham von Meinertzhagen, Geheimer Regierungsrat und Landrentmeister in Cleve, hatte eine Tochter Elisabeth Johanna (1752 geboren), welche 1770 Gattin des Grafen Friedrich Wilhelm zur Lippe wurde. Durch Testament setzte sie 1803 die Bruderskinder ihres Gatten zu Erben ihres Vermögens ein, und so kam das Gut in den Besitz der gräflichen Familie zur Lippe, in welchem es sich noch jetzt befindet. Dieser Abraham von Meinertzhagen dürfte der Gönner Beethovens gewesen sein. Vgl. Rhein. Antiquar. Abt. III, Bd. 13, S. 122.


39 Kirchenbuch v. S. Remigius, 9. September 1781:obiit D. Franciscus Rovantini, Adolescens et musicus Aulicus. Er war demnach 24 Jahre alt. Daß übrigens Fischer keine Jahreszahl angibt, zeigt wiederum die Unbefangenheit seines Sinnes und die Abwesenheit jedes Strebens, mehr sagen zu wollen, als er weiß.


40 Nach Maßgabe der obigen Zeitangabe wird diese Reise in den Oktober oder November 1781 zu setzen sein. Dazu stimmt auch die große Kälte auf dem Schiffe, von der Thayer S. 135 erzählte.


41 Dasselbe wurde auch dem Dr. Hennes erzählt, der es in dem mehrfach erwähnten Aufsatze anführt.


42 Dieselbe Madam Falkenstein bezeugte auch, wie dem Herausgeber dieser Mitteilungen erzählt wurde, eine wie große Unordnung in der Familie geherrscht habe, und wie sie mehrmals gewisse Liebesdienste der Reinlichkeit, welche die Eltern versäumten, an dem kleinen Ludwig ausgeübt.


43 Im Manuskript ist 1788 aus 1780 verbessert; beides wäre gleich verkehrt. Frau van Beethoven starb 1787 im Juli; damals wohnte die Familie aber schon in der Wenzelgasse, wie aus der Biographie hervorgeht. Vielleicht ist 1785, in welches Jahr der vorübergehende Umzug gesetzt wurde, das Datum des Auszugs in die Wenzelgasse, jener erste würde dann etwas früher anzusetzen sein. Siehe S.167


44 Unrichtig, er war erst 52 Jahre alt.


45 Hier sind die beiden Brüder verwechselt; Nicola wurde Apotheker, Tag der andere in ein französisches Musikcorps eingetreten wäre, davon ist nichts bekannt,


46 Entweder findet hier eine Verwechselung statt, oder dieses Nachreisen geschah mehrere Jahre später. Johann Goldberg (geb. in Bonn 1762) steht noch im Hofkalender von 1794, und in dem 1794 von Max Franz entworfenen Verzeichnisse (s. o. S. 343) heißt es: »Johann Goldberg – bei Theatern engagirt«.


47 S. o. S. 189f. Auch hier also bestätigen sich Fischers Angaben, der sie in seiner Sprache mitteilt.


48 Anna Gertrud Grau, und Eva Franziska Grau, beide 1775 als Hofsängerinnen angestellt; erstere ist später Frau Robson (Hofkal. v. 1792), letztere Frau Eichhof, als solche schon in den Berichten von 1784. S. o. S. 190 u.f.


49 Schauspieler bei Großmanns Gesellschaft, oben S. 78.


50 Verwechselung; die Taufpaten Johann Nicolaus' van Beethoven (geb. 2. Okt. 1776) waren Nicolaus L'Apostole und Johanna Helena Averdonk.


51 Thomas Pokorni, Hofgeiger zuf. Dekret vom 19. Febr. 1790.


52 Man wird unter den obigen Namen eine Menge der aus der Biographie bekannten Persönlichkeiten finden, was bei jedem einzelnen ausdrücklich hervorzuheben zu ausführlich gewesen wäre. Wenn es im allgemeinen schon aus der Orthographie der meisten Namen hervorgeht, daß Fischers ihren Erinnerungen folgten, so mag doch leicht ein Hofkalender oder ein sonstiges Verzeichnis dabei als Kontrolle gedient haben; aus dem Hofkalender von 1792 hat sich Fischer die Musiker mehrmals in den Brouillons abgeschrieben. Daraus kann sich erklären, daß einige in obiges Verzeichnis gekommen sind, die gewiß erst nach dem Umzuge der Familie Beethoven nach Bonn kamen, deren sich aber Fischers sonstwie erinnern mochten. Überhaupt wird auch hier die Möglichkeit großer Verwechselungen nicht auszuschließen sein.


53 Da früher von überrheinischen Ausflügen Beethovens (nach Hennef, Bensberg usw.) erzählt wurde, so kann diese Tradition mit einem solchen zusammenhängen.


54 »Der Vater des Pastor Funck«, sagt F. auf einem andern Brouillon, »mußte ehemals auf dem Hoftucksaal alles besorgen. Der Pastor war ehemals als Junge seinem Vater viel behülflich. Später als Pastor nahm er seine Eltern zu sich.« Der Kalkant wird der in dem Berichte von 1784 genannte jüngere Funck, damals 43 Jahre alt, sein. Bei dem Pastor Funck, wird weiter erzählt, hielt sich später die ehemalige Hofsängerin Madam Delombre wegen ihrer Gesundheit häufig auf.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 1, 3. Auflage, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1917.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Nachtstücke

Nachtstücke

E.T.A. Hoffmanns zweiter Erzählzyklus versucht 1817 durch den Hinweis auf den »Verfasser der Fantasiestücke in Callots Manier« an den großen Erfolg des ersten anzuknüpfen. Die Nachtstücke thematisieren vor allem die dunkle Seite der Seele, das Unheimliche und das Grauenvolle. Diese acht Erzählungen sind enthalten: Der Sandmann, Ignaz Denner, Die Jesuiterkirche in G., Das Sanctus, Das öde Haus, Das Majorat, Das Gelübde, Das steinerne Herz

244 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon