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[328] Kein Instrument ist so allgemein verbreitet, wie das Klavier. Und das mit Recht. Es übertrifft alle anderen an harmonischem Umfang, durch seine bequem gelegene Klaviatur erlaubt es die vollsten Accorde des Orchestersatzes ebensogut als den Fugensatz der Orgel oder die schnellsten Läufe der Saiteninstrumente wiederzugeben, so daß die gesammte Tonkunst dadurch interpretirt werden kann. Außer dieser Reproductionskraft hat es aber zugleich eine ihm eigene Klangkraft, welche hinreicht, um auch den ergreifendsten Originalconceptionen der größten Meister ein Feld der schöpferischen Wirksamkeit zu eröffnen. Daher finden wir auch, daß die größten Heroen der Tonkunst, Bach und Händel, Mozart und Beethoven, Weber und Mendelssohn, gerne und reichlich für dieses Instrument schrieben, ja oft ihre herrlichsten Gaben über seine Klaviatur ausschütteten, während es andern, weniger begabten, aber doch eines höheren Schwunges fähigen Tonsetzern, deren technische Befähigung nicht bis zum Orchestersatze reicht, in den Stand setzt, ihren musikalischen Ideen und Empfindungen den entsprechenden Ausdruck zu verleihen. Dazu kommt, [329] daß auch die Vokalmusik durch kein anderes Instrument so wirkungsvoll begleitet werden kann, als durch das Klavier, welches noch überdieß durch die Reduction der Orchesterbegleitung die dramatische Vocalmusik in den Bereich des Dilettanten zu bringen vermag. Daher das ungeheure Feld der Tonkunst, das dieses Instrument dem Musikfreunde vermittelt und erschließt, daher seine Verbreitung über alle Theile der gebildeten Welt.
Für dieses Instrument theils allein, theils in Verbindung mit Streichinstrumenten, hat nun auch Mozart gerne und reichlich geschrieben, und da er selbst technisch und geistig dasselbe in einer bisher ungeahnten Vollkommenheit zu behandeln verstand, so brach er in seinen Sonaten und Klavierkonzerten diesem Instrumente eine neue Bahn, und leuchtet noch in unseren Tagen als klassisches Vorbild in dieser Gattung von Musik.
Wenn wir in diesem Wegweiser seine schönsten Compositionen für das Klavier bezeichnen, wollen wir den Leser nicht sowohl zum Genuß derselben einladen, als vielmehr es ihm an's Herz legen, daß das Studium derselben jedem Spieler nothwendig wird, der sich ein klares, legates, abgerundetes und der klaviergemäßen Tonbildung fähiges Spiel erwerben will. In einer Zeit, wie die unsrige, in welcher das Klavierspiel durch das Virtuosenthum der Konzertgeber zur Taschenspielerkunst ausgeartet ist, und der Dilettantismus es sich zur höchsten Aufgabe macht, diese Virtuosität nachzuäffen, um damit in der Gesellschaft glänzen zu können, in einer Zeit, in welcher die empfindelnde Weichheit der Gefühlszersetzung und der zuckende Aufschwung der Blasirtheit auch in den Saiten des Klaviers lispelt und tobt, in einer Zeit, in welcher der Klavierunterricht mit handwerksmäßiger Gleichgültigkeit und technischer Unkenntniß von so vielen Stümpern ausgeübt wird, da thut es hauptsächlich noth, zurückzukehren zu jenen Meistern, welche[330] die Grenzen der allgemeinen technischen Ausführbarkeit zwar bis zum Künstlerthume erweitert, aber dennoch innerhalb derselben alle Stufen, von der einfachsten an, mit holden Gaben für den Dilettanten angefüllt haben, zu jenen Zeiten, in welchen das Pianoforte das Centrum des häuslichen Kreises und die Vermittlung eines reinen, gesunden, erhebenden Kunstgenusses zum Behufe geistiger Erholung war. Dieses Bedürfniß der Rückkehr zu der älteren Klaviermusik ist ein allgemein gefühltes, und schon beginnen einsichtsvolle Musiklehrer und gediegene Musikschulen39 diesem Bedürfniß entgegenzukommen.
Dazu kommt der erfreuliche Umstand, daß gerade in neuester Zeit die klassischen Klavierwerke in äußerst billigen Ausgaben dem größeren Publikum zur Anschaffung erleichtert werden. Nicht nur haben in Folge der Concurrenz die früheren Verleger Mozart'scher Werke ihre Preise für seine Klaviercompositionen herabgesetzt, sondern es sind auch bis an die möglichsten Grenzen der Billigkeit gehende neue Ausgaben veranstaltet worden. Den Anfang dazu machte Holle in Wolfenbüttel, welcher 19 Sonaten, die vierhändigen Stücke und auch die kleineren Klavierstücke gesammelt herausgab. Darauf folgte E. Hallberger in Stuttgart mit einer Prachtausgabe der Klassiker Beethoven, Clementi, Haydn und Mozart in ihren Werken für das Pianoforte allein, welche nicht nur bei äußerst billigem Preise mit wahrem [331] typischen Luxus ausgestattet, sondern auch von Prof. Moscheles in Leipzig mit Bezeichnung des Zeitmaßes und Fingersatzes versehen worden ist, was für das Privatstudium so erwünscht ist.
Für Mozart's Klavierkonzerte, die zwar für Künstler berechnet, aber dennoch in der technischen Möglichkeit jedes gut geschulten fertigen Klavierspielers liegen, ist leider bis jetzt noch keine billige Ausgabe unternommen worden; sie sind daher weniger bekannt, obschon sie einen solchen Schatz erhabener Musik und eine solche Menge herrlicher Melodien, ausdrucksvoller Figuren und charakteristischer Passagen enthalten, daß man den höchsten Kunstgenuß aus ihnen schöpfen kann. Hummel, der sich sowohl als Componist als auch als Pianist ganz an Mozart herangebildet hat, veranstaltete eine Sammlung dieser Klavierkonzerte, die auf 12 bis 15 bestimmt war, von welcher jedoch blos 7 erschienen sind (Mainz bei Schott). Diese Ausgabe hat den großen Vorzug, daß die Orchesterbegleitung in einem durchaus klaviergerechten Auszuge mit dem Solosatze so innig verwoben wird, daß das Werk in seiner Totalität auch für den Dilettanten genußreich wird; auch schrieb er herrliche Cadenzen dazu, in welchen die Motive auf meisterhafte Weise zu glänzenden Klaviersätzen verarbeitet sind. Diese vortreffliche Sammlung enthält:
Außer diesen sieben von Hummel bearbeiteten Konzerten sind noch als vorzüglich zu nennen:
Ueberdieß sind als empfehlenswerth zu nennen:
Von den übrigen Klaviercompositionen möchten wir als die vorzüglichsten bezeichnen:
Von den eigentlichen Sonaten, welche, wenn auch nicht stets ästhetisch hervorragend, doch in technischer Beziehung von großem Werthe sind, möchten wir als die schönsten bezeichnen:
Von den vierhändigen Klaviercompositionen, in denen er das polyphone Spiel von den steifen Fesseln des Herkommens erlöst und zu poetischer Darstellung gebracht hat, sind besonders zu nennen.
Noch sind wir mit den Klaviercompositionen nicht fertig, denn noch gibt es eine große Anzahl von Compositionen für Klavier und Streichinstrumente, in welchen wiederum der unbegreifliche schöpferische Geist ein Füllhorn von herrlichen Gaben ausgeschüttet hat. Hier in's Einzelne zu gehen, erlaubt der Raum nicht. Wir können nur die Sammlungen nennen, welche davon veranstaltet worden sind, und sie als die schönste Hausmusik empfehlen, und dabei wünschen, die deutsche Familie möchte solche Hausmusik mehr in Ehren halten, und statt der stark gewürzten, Unbehagen und Ueberdruß erregenden modernen Modemusik zu so gesunder Hausmannskost greifen, damit der deutsche Sinn auch in Sachen der Tonkunst unversehrt unserer Nation erhalten werde.
Unter diese Rubrik fallen:
Wir glauben jetzt, daß wir dem allgemeinen Leser und Musikfreunde das Schönste und Bedeutendste derjenigen Werke Mozart's hervorgehoben haben, welche für den Familienkreis, für die höhere Kammermusik, sowie für den Konzertsaal jetzt noch, ja wir dürfen es wohl prophezeihen, für alle Zeiten einen dauernden Werth haben. Noch bleiben eine Menge kleinerer Compositionen für verschiedene Instrumente zurück, noch haben wir die kleineren Opern, die wir auch einer Analyse zu unterwerfen gedachten, unerwähnt gelassen. Allein wollten wir die ersteren auch noch aufzählen, so würde unser Wegweiser zu einem vollständigen Kataloge anschwellen, und die kleineren Opern sind nun von O. Jahn so in's kleinste Detail analysirt und kritisirt worden, daß uns nichts mehr darüber zu sagen übrig bleibt40. Auch läßt sich schwer über Musik sprechen, wenn der besprochene Gegenstand nicht in der Realität des Notensystems vorliegt. Wir haben versucht, bei den Messen solche Anhaltspunkte zu geben, hätten wir dasselbe consequent auch auf die übrigen Compositionen ausgedehnt, so wäre der uns vergönnte Raum überschritten worden. Denn man könnte ein ganzes Buch mit Mozart'schen Motiven und Ideen füllen, und es wäre[339] nicht unmöglich, daß eine solche, von diesem Werke ganz unabhängige Arbeit in Bälde zur Ausführung kommen dürfte. Ist es ja ein längst gefühltes Bedürfniß der Musikfreunde, eine Sammlung von allen jenen herrlichen musikalischen Motiven zu haben, die wie mit einem Zauberschlage die Erinnerung an das längst Gehörte auffrischen, und Einen einigermaßen für den Mangel der vollständigen Werke entschädigen können. Möge nur inzwischen Ulibischeff's Werk immer mehr dazu beitragen, dem verbildeten und verdorbenen Kunstgeschmack jenen göttlichen Meister entgegenzustellen, der mehr als ein Anderer – mehr als Bach und Beethoven, der Tonkunst unter allen Klassen der civilisirten Welt eine Heimath bereitet hat.
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1889 erscheint unter dem Pseudonym Bjarne F. Holmsen diese erste gemeinsame Arbeit der beiden Freunde Arno Holz und Johannes Schlaf, die 1888 gemeinsame Wohnung bezogen hatten. Der Titelerzählung sind die kürzeren Texte »Der erste Schultag«, der den Schrecken eines Schulanfängers vor seinem gewalttätigen Lehrer beschreibt, und »Ein Tod«, der die letze Nacht eines Duellanten schildert, vorangestellt. »Papa Hamlet«, die mit Abstand wirkungsmächtigste Erzählung, beschreibt das Schiksal eines tobsüchtigen Schmierenschauspielers, der sein Kind tötet während er volltrunken in Hamletzitaten seine Jämmerlichkeit beklagt. Die Erzählung gilt als bahnbrechendes Paradebeispiel naturalistischer Dichtung.
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