Verkehr mit dem Herzog Emil Leopold August

[372] Der Herzog und seine Gemahlin (Caroline Amalie, Prinzessin von Hessen-Homburg) begrüßten Weber mit unverkennbarer Freude. Der Verkehr mit dem Herzog war ganz dafür geeignet, eine klare, bewußt schaffende, bestimmte Zwecke consequent verfolgende Künstlerseele, wie die Weber's, zu ermatten und abzujagen, wie ein edles Roß, das ein unschlüssiger Reiter bald rechts, bald links wirst, bald ausgreifen läßt, bald parirt, in Schweiß geräth und ermüdet. Des Herzogs unbezweifelbare Genialität war, wie oben erzählt, mit eben so viel Excentricität gemischt und die Fülle seiner Gedanken quoll ihm in einer Regellosigkeit zu, ließ seine Bestrebungen und Ideen so momentan von einem Objecte zum andern springen, daß es für Personen von consequenten geistigen Funktionen oft nur mit größter Anstrengung möglich war, einigermaßen dem wunderbaren Walten dieser reichen Seele zu folgen. Der Styl in seinem unvollendeten Romane »Panedone«, in seinem »Kyllenion«, in seinen Gedichten ist das beste Bild seiner Ideenwelt mit ihrem unendlichen, überüppigen Gestaltenzudrang und ihrer Farbengluth, der Fülle unverarbeiteter Gedanken, der Zerfahrenheit der Plane, der Inconsequenz seines Wirkens, zugleich aber auch der Höhe seiner Gefühle und der Noblesse seiner Anschauung.

Bei aller Liebe und Verehrung, die sein Wesen bei seiner Umgebung erweckte, wurde dasselbe doch oft, besonders für den künstlerischen Theil derselben, zur Qual.

Weber, oft auch Spohr, und zu jener Zeit auch der anwesende Methfessel, mußten rastlos mit ihm von Gotha nach Reinhardtsbrunn, nach Friedrichsroda und zurück, wie es ihm in den Sinn kam, ziehen, und da galt es denn, bald ein eben vom Herzoge niedergeschriebenes Gedicht melodramatisch begleiten, oder zu einer Erzählung, die er aus dem Stegreife sprach, Accorde auf Piano und Guitarre greifen, bald fiel es dem Herzoge ein, wie die Melodie zu jenem oder diesem sentimentalen Liede sich wohl als Marsch ausnehmen müsse, und er ließ dann nicht ab, bis einer der Musiker sie ihm in gewünschter Weise umgestaltete und instrumentirte. Er schonte dabei auch seine eigenen Compositionen nicht. Dann ließ er diese Musik von seinen Militärsignalisten blasen, sprach den Liedertext dazu und konnte herzlich über[373] den Contrast lachen. In dieser Weise hat sich selbst der in solchen Beziehungen sehr strenge Weber dazu verstanden, mehrere Lieder seiner eigenen Composition, unter andern das sehr bekannte »Maienblümlein«, zu Märschen, wie er sich ausdrückte, zu »derangiren«.

Sehr dankbar erkannte es auch der Herzog, wenn ein Musiker leise auf dem Piano phantasiren wollte, während der Fürst sich in die Lektüre eines guten Buchs versenkte. Die Zusammenwirkung der Eindrücke konnte ihn dann bis zu heimlichen Thränen erschüttern.

Der tägliche Umgang mit einer Individualität so eigner Art, besonders wenn sie ein Fürst ist, mußte nervenaufregend auf eine so sein besaitete Seele, wie die Weber's, wirken, und dies steigerte sich noch, als der Herzog wenige Tage nach seiner Ankunft in Gotha erkrankte und, an's Zimmer gefesselt und gereizt, seine Umgebung noch mehr als sonst beschäftigte. Er erkannte die Mühe, die er dadurch verursachte, auch in wahrhaft rührender Dankbarkeit durch kleine Geschenke, oft wunderlichster Art, an, die er Weber machte, bald schenkte er ihm ein schönes Petschaft, ein Tintezeug, Westen, seidene Strümpfe, einen Mantel, und, wenn er sich besonders gütig zeigen wollte, ein Ringelchen oder sonst einen, für jeden andern als einen Liebhaber fast werthlosen Gegenstand aus seiner, von ihm außerordentlich werth gehaltenen Antiquitäten- und Curiositäten-Sammlung.

Ganz anderer Art war der Verkehr und das Leben mit dem Prinzen Friedrich, der ein leidenschaftlicher Verehrer italienischer Musik und guter Sänger, nicht müde wurde, italienische Opern mit seinem aus Italien mitgebrachten Lehrer de Cesaris, durchzunehmen, wobei die ihn umgebenden Sänger und Sängerinnen und Musiker das Ihre leisten mußten und Weber halbe Tage lang an das Piano gebannt war. Wenn nun auch das Bekanntwerden mit einer Masse italienischer, guter Musik nicht ganz ohne Nutzen für ihn sein konnte, so stand doch die Ausbeute in durchaus keinem Verhältnisse zu dem darauf gewandten Opfer an Zeit und Mühe.

So verlor Weber Zeit und Arbeitskraft während eines ganzen Monats und gewann statt der Erholung, auf die die Einladung des Heezogs abgezielt hatte, Abspannung. Es war daher natürlich, daß[374] er mit besonderer Sehnsucht des geistig so reich ausgestatteten Lebens der letzten Monate in Berlin und des dort versammelten Freundeskreises gedachte und in wehmüthiger Heiterkeit ein Bulletin an seine geliebten »Baschkirenvölker« niederschrieb, das wir, nebst dem Briefe, in dem er es nach Berlin an Lichtenstein sandte, hier folgen lassen:


»Gott zum Gruß! und trauter Handschlag zuvor.


Es ist mir wie ein Traum, daß ich Berlin und Alles das verlassen habe was mir so lieb und theuer geworden ist. – Ich kann mich noch immer gar nicht überzeugen daß es für eine lange Zeit ist daß ich mich von euch trennte ich glaube auf einer Spazierfahrt zu sein wo ich dann beim nach Hause kommen desto mehr würde zu erzählen haben. Der Himmel erhalte mir noch lange diesen glücklichen Wahn, der mir erlaubt mit mehr Frohsinn an euch zu denken als es wohl sonst geschehen würde. Bis jetzt hat auch kein widriger Zufall meine Ruhe gestört, und fast fange ich an fürchten, – da es mir seit geraumer Zeit wirklich zu gut geht, – es möchten derbe Gewitterstürme auf mich warten.«

»Nun! in Gottes Nahmen ich habe schon manchen derben ausgehalten, bin schon durch und durch genezt und in scharfen Wassern gebadet worden, es hat mir nichts geschadet, mich nicht gebeugt, und hätte es auch eine kleine Erkältung zur Folge gehabt, so braucht es wahrlich nur eines Anstoßes wie mein Berliner Aufenthalt, und mein Glaube an gute Menschen, den ich so gern fest halte, bekommt neue Stüzzen, und mit ihm neue Blüthen die Hoffnung meines Lebens. Ich kann es wohl sagen daß Du mir vor vielen lieb geworden bist. Wir haben nicht viel zusammen verkehrt und doch glaube ich wir haben uns verstanden. Auch Du bist nicht blos in der Vaterstadt von gewöhnlichen Tanten und Basen Zufällen gerüttelt worden, nur im großen Strudel lernt man sich selbst finden, und freudig reicht man dann dem die Hand, den das Schicksal auch mit in den Pfuhl warf, und der Kraft genug hatte nicht darin zu erstikken. – ich habe Dir im Geiste schon lange, so freundlich die Hand entgegen gestreckt, laß mir die schöne Hoffnung, daß Du Sie mit eben der Wärme ergriffen und fest halten[375] wollest als ich Sie darreiche. Ganz unwillkürlich bin ich ernster geworden als ich wollte. ich muß mich davor hüten denn es verstimmt mich sehr und hier habe ich keinen andern Stimmer als mein eigenes Gemüth. Also zu etwas andern.«

»Emilie Gabain habe ich den Brief gegeben, die Zeit meines Aufenthaltes war aber zu kurz, als das ich dem ganzen Hause etwas näher hätte kommen können, als wie gewöhnlichen Bekannten, Du weißt daß geht bei uns so schnell nicht. Ich habe Deinen Abschiedspruch dem Redacteur der Eleganten Zeitung lesen lassen. Sie wünschen ihn in Ihrem Blatte abzudrucken, würdest Du es wohl erlauben? So schreibe mir es bald daß ich eine Abschrift nach Leipzig schicke, und ob Du Deinen Nahmen darunter sezen willst oder nicht. ich glaube ja. Wenn Du es zufrieden bist, machst Du mancher guten Seele herzliche Freude damit.«

»Ich bin von dem Herzog äußerst gütig aufgenommen worden, und man sorgt mit einer Aufmerksamkeit, für alle die kleinsten Bedürfniße, die mir Freude macht. Er verreißt heute auf 7 Tage, und da habe ich viele Zeit zum Arbeiten die mit Gottes Hülfe tüchtig benutzen will. ich habe viel, sehr viel zu thun. die Ruhe die an Todtenstille gränzt, ist mir wohlthätig und Nothwendigkeit, hat man sich die ersten paar Tage an den Schreibtisch gezwungen geht es die übrigen von selbst. Beiliegendes Bülletin bringe an die Behörden, ich dachte mich recht in Eure Mitten wie ich es schrieb, und ist es Allen eine fröhliche Erinnerung an den Entfernten, so ist mein Zweck erreicht.«

»Schreibe mir, wenn Du Zeit und Lust hast, und sieh meine Briefe nicht als Wechsel an die Du durch schuldige Antwort zu honoriren brauchst. Freunde müssen sich frei bewegen können, und die Freundschaft muß ihnen durch Formen keine Fesseln aufzwingen. auch wenn Du mir ein Jahr nicht schreibst, würde ich an Dich glauben.«

»Grüße besonders Amalie Sebald und alles in Pankow herzlich von mir. an Flemming und Koch schreibe ich von Leipzig aus. Lebe wohl und behalte lieb


Gotha den 12. Sept. 1812.

Deinen Weber.«[376]


Erstes Bulletin.

Völker! Baschkiren!!!


Des Himmels Segen, schwebte über meinen Sizzen, – leitete die Zügel der muthigen Postklepper und schwächte den berauschenden Schnapps der Postknechte, – damit unaufhaltsam ich dem großen Ziel – dem Hotel de Baviere – entgegen eilte.

Noch waren nicht zwei volle Tage verfloßen, schon hatte ich viermal so viele Mahlzeiten überwunden, und ihr staunt mit Recht die raschen Schritte des Schicksals an.

Mein erstes Geschäft den 2. Sept. in Leipzig war einen alten Feind, den Musickverleger Kühnel, in seinem Lager hinter den bekannten Verschanzungen der schlechten Zeiten und des geringen Absazzes, anzugreifen. Mein bloses Erscheinen bewog ihn sie zu verlassen und gutwillig den Artillerie Park der Ouvertüre, der Beherrscher der Geister, – ein noch zu errichtendes Clavier-Concert, – ein leichtes Bataillon eben mobil zu machender Variationen, von Joseph angeführt, – und ein Concertino für Clarinette, in seine Staaten aufzunehmen und zu verlegen. Nach diesem leichten Sieg besuchte ich den verbündeten Baschkiren Freund Gabain, und überlieferte deßen Tochter die anvertrauten Afrikanischen Depeschen, nahm den 4. bei ihm ein fröhliches Mahl ein, und setzte darauf meinen Zug nach Weimar weiter fort.

Die Großfürstin verlangte mit Ungeduld die Auslieferung einer größern berüchtigten Sonate, die ich so eben zusenden werde und nach meinem Gothaschen Aufenthalt höchst selbst vordresche.

Den 6. langte ich in Gotha an, und erlaubte dem Herzog mich gütigst zu empfangen. Reißte den 8. mit ihm nach Reinhardtsbrunn zur Revue meiner Truppen, und erhielt da das schönste Terrain, meine Lungenflügel und Hände vom frühen Morgen bis späten Abend im Feuer manövriren zu lassen. den 10. kam ich wieder zurück und eilte nun meinen lieben Getreuen alle diese höchst merkwürdigen Dinge kund und zu wissen zu thun.[377]

Mit gerechtem Unwillen muß ich aber sagen, daß Ihr in Eurer Mitte ein Subjet beherbergt, welches durch eine vorsäzliche Zurückbehaltung meinen ganzen Zorn auf sich geladen hat. Ich habe zu seiner Habhaftwerdung nachstehenden Steckbrief ausfertigen lassen, und indem ich Euch dessen Verbreitung schärfstens befehle, seegne ich alle Baschkiren und deren Anhänger aufs feierlichste und erwarte mit Sehnsucht einen genauen Rapport Ihres Thuns und Treibens. Auch verordnen Wir schließlich, daß – da von vielen Seiten unsers Reiches, Klagen über die Schwierigkeit des Lesens unserer Handschriftlichen Zeichen eingelauffen – der Unglückliche der solche vorzulesen bekömmt, und sich glücklich ohne Anstoß seines Auftrags entledigt, ein Glas Kümmel, extra aus den Händen der liebenswürdigen Haustochter erhalten soll.


So geschehn d. 12. Sept. 1812 zu Gotha.

Maria.


Steckbrief.


Der Musik-Weber-Geselle Kielemann, der einige Zeit zwar nicht gerade in Lehre aber doch in Arbeit bei dem Weber Maria gestanden, und eines vertrauten Umgangs mit demselben gepflogen, – hat sich einer vorsätzlichen Veruntreuung höchst verdächtig gemacht. Er hatte nehmlich ein Stückchen Zeug von eigner Originaler Erfindung verfertigt und selbes zum Eigenthum dem Weber vermacht14, indem es sehr dazu geeignet war, sich zu Zeiten darein zu hüllen, und dadurch schöne Erinnerungen zu erwekken, hat aber solches ihm nicht eingehändigt, sondern wahrscheinlich mit Willen zurückbehalten, da er von jeher von heimlicher und verstokter Gemüthsart gewesen.

Da nun unterzeichneter Behörde sehr viel daran gelegen ist des zierlichen Gewebes habhaft zu werden, so ersucht sie hierdurch alle Baschkiren und anderweitige Behörden, auf besagten gefährlichen Kielemann ein wachsames Auge zu haben, und ihm betretenden Falls, das Stückchen abzunehmen und gegen Erstattung aller Unkosten, und Erbietung[378] Gegendienstlicher Handlungen, einzuliefern. Die Grundfarbe des Gewebes war D dur. Die Hauptbilder Laune und Herzlichkeit, das Ganze aus Liebe und Freundschaft gewebt muß jedem dem es zur Anschauung kommt ein freudiges Thränenlächeln abzwingen.


Signalement.


Der Musick Weber Geselle Kielemann ist lang und trokken. Von Statur einem Pariser Violinbogen nicht unähnlich. schwärzliches Gesicht, vom vielem Gebrauch des colosoniums. Geht viel ohne Hut, und ist vorzüglich daran kenntlich daß er mit den Violoncell einen vertrauten Umgang pflegt, und häufig auf dem krummen Sande15 betreten worden ist. Ist übrigens ein herum ziehendes Leben gewohnt, und weis Wechsel und andere wichtige Papiere auf das richtigste zu machen.

Seine Kleidung ist nicht genau zu bestimmen, nur daß er zuweilen Hofuniform trägt und den Wirth macht, muß bemerkt werden. Ueberdem singt er gewöhnlich Alt, als ob er dazu arrangirt wäre.


(L. S.)


Die Einfachen und doppelten Contra

Punkts Gerichte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 372-379.
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