Gottfried Weber

[178] Mit einem seltenen Dilettanteneiser trat man zu Aufführungen zusammen, die nach und nach, zuerst unter Fränzl's, dann Ritters Leitung und mit dem Namen »Liebhaberconcert« Regelmäßigkeit, consolidirte Verhältnisse und eine künstlerische Vollendung erhielten, die sie weit über die Sphäre der Dilettantenleistungen erhoben. Im Jahre 1809 nahm diese Gesellschaft den Namen »Museum« an oder verschmolz sich mit einem so genannten Vereine, dem ein sehr schöner akustischer Saal zu Gebote stand, nachdem, schon geraume Zeit vorher, Gottfried Weber die musikalische Leitung aus des trägen Ritter Händen übernommen hatte.

Die Gesellschaft wurde, neben dem Theater, an dessen Spitze als Intendant der Freiherr von Dalberg stand, der Mittelpunkt des musikalisch geselligen, ja des geselligen Lebens in Mannheim überhaupt. Die Mitglieder der Capelle, unter denen der geniale Violinist Frey, die Hornisten Dickhut und Ahl, der Flötist Appold, der Clarinettist Ahl II. vor allen zu nennen sind, unterstützten die Bestrebungen der Liebhaber mit ihren bedeutenden Talenten, denn, obwohl das Virtuosenthum ex professo sich im Anfange dagegen sträubte, nach des »Dilettanten« Gottfried Weber Taktstock zu schauen, so ließen sie sich endlich doch herbei, einige als Mitglieder des »Museums«, andere gegen Honorar. Gottfried Weber verstand seine Leute trefflich zu behandeln und auf die geschickten Blasinstrumentisten des Orchesters, deren Mitwirkung die »Liebhaber«, bei eignem Mangel an Vortragenden auf diesen Instrumenten, am Nöthigsten hatten, übte er durch seine akustischen Kenntnisse einen ganz besondern Einfluß, da sie sahen, daß er die Natur und Construction ihrer Instrumente besser kennte, als sie selbst, und sie sich gar oft bei ihm, in Bezug auf Klappen, Mundstücke, Einsätze etc., Rath erholen konnten. Der unvergleichliche Frey, ein Künstler, der weit über dem gewöhnlichen Virtuosen stand, fehlte nie an der Spitze der Violinen als eine Hauptsäule des Concertes, und auch des trefflichen Contrabassisten Keil Anwesenheit am Baß tröstete Gottfried Weber stets, obwohl diesen fortwährend zerstreuende Nahrungssorgen beugten.

Gottfried Weber, der liebenswürdige, congeniale Mensch, im[179] Jahre 1810 einunddreißig Jahre alt, Fiskalprokurator in Mannheim, war der Mann dazu, eine musikalische Gesellschaft mit Feuereifer zu durchglühen und, Kraft seiner gründlichen, musikalischen Kenntnisse und wahrhaft eminenten Talents für die Führung von Orchester und Gesangschören, den Eifer so zu leiten, daß er Gediegenes hervorbrachte. Er war eine kraftvolle, gedrungene Erscheinung, der Energie und Spannkraft aus jeder Bewegung leuchtete und sich wohl bewußt, daß die Bahn, die er in der Kunst zu wandeln habe, nicht eigentlich im Praktischen läge, sondern das Forschen, Reformiren, zuerst Schaffen und dann Festhalten einer reinen Theorie, scharfe, gesunde Kritik, im Technischen wie im Aesthetischen, seine Aufgabe sei, zu deren Lösung er sich damals schon, nachdem er früher schöne Fertigkeit auf Flöte und Cello erworben hatte, mit eisernem Fleiße, unausgesetzten Studien hingab. Diese Klarheit des Strebens, diese gediegenen Kenntnisse machten ihn zur Autorität unter den Musikern, während die juristischen Behörden der Pfalz Geist genug besaßen, nicht, wie so viele moderne Aristarche, die Leistung in einer Kunst für unvereinbar mit der fachwissenschaftlichen und dienstlichen Pflichterfüllung zu halten. Gott hatte ihn, in ganz besondrer Gnade, vor dem Kampfe mit dieser Form der Dummheit beschützt! –

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 178-180.
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