Weber in Dresden

[717] Beim Abendgrauen bedeckten sich die Straßen vom Quai bis nach dem katholischen Kirchhofe in Friedrichsstadt-Dresden, mit unabsehbarer, aber mit wunderbarem Takte fast lautlos harrender Menschenmasse. Wie ein Reif von dunklem Gold um einen Edelsteinring, schlang sich ein Halbkreis von Pechfackeln um den Ring von weißleuchtenden Wachslichtern, der den großen, schwarzen Teppich am Ufer umgab, auf dem die Künstlerschaft Dresdens zum Empfang der Leiche bereit stand. Düster und feierlich von den Fackeln angeglüht, wogte im dunklen Nachthimmel ein mächtiges Banner, mit der Inschrift: »Weber in Dresden« von der Raa des Schiffes herab, auf dem der Katafalk stand.

In tiefem Schweigen umgab das dunkle Gewoge des Menschenmeeres die Lichtmasse. Welcher Augenblick dann, als der Sarg vom Tauwerk des Schiffes unsichtbar getragen, im Lichte von hundert Fackeln, vom mächtigen Festgesang begrüßt, langsam emporstieg, und sich nach dem Ufer zu senkte, als schwämme er, von dem Geiste der Harmonie getragen, auf den Wellen des Tönemeeres daher nach der Heimatherde! War der Mann, dessen Leiche der kleine Sarg umschloß, doch ein so mächtiger Erreger und Sänftiger dieser Wogen gewesen, hatte er sich doch so unaussprechlich gesehnt, den Heimathboden zu berühren!

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 717.
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