Ueber: »Das Lotterieloos«,

[145] Oper von Isouard.


(7. Mai 1817.)


Sonntag den 11. Mai zum ersten Male: Das Lotterieloos, Oper in 1 Akte, nach dem Französischen, mit Musik von Nicolo Isouard.

Diesen Lieblings-Componisten der jetzigen französischen Musikwelt, der sich Familienverhältnisse halber, früher meistens blos Nicolo de Malte nannte – habe ich nicht das Vergnügen zum ersten Male dem hiesigen Publikum vorzuführen, indem seine erste Oper: L'avviso ai maritati, die er zu Florenz schrieb, schon 1795 hier aufgeführt wurde.

1775 zu Malta geboren, machte er auch da seine ersten musikalischen Studien, die er sodann in Palermo, Neapel, Florenz, und später in Paris fortsetzte. Den Resultaten derselben zu Folge, scheint ihn sein lebendiger, reger Sinn mehr zu dem auf der Bühne Wirkenkönnenden, als zu der vollendeten Herrschaft über alle Geheimnisse der harmonischen Baukunst in ihrer klassischen Vollkommenheit gezogen und gebracht zu haben.

Reiche Erfindungsgabe und eine gewisse Frische von Ideen bei Bezeichnung der Charaktere haben bei nahe allen seinen Werken den entschiedensten Beifall erworben, wenn gleich der Mangel an innerer Vollendung und Feile sie dem strengeren Forscher nur als geistvolle Skizzen durch die mit wahrhaft regem Leben bezeichneten Melodie-Contoure zeigt, denen aber jene begründete Haltung fehlt, die allein dem Meister angehörig ist.

In Italien und Malta schrieb er 10 bis 12 Opern, die sich wenig verbreitet haben. In Frankreich hingegen 20 bis 22, von denen die meisten sich großen Beifalls erfreuten. Namentlich des ausgezeichnetsten seine Cendrillon (Aschenbrödel, 1810), die in Paris[145] 90 Mal hinter einander gegeben wurde, und auch in Deutschland beinahe durchgehends großes Glück machte.

Ganz etwas Charakteristisches möchte aus der Bemerkung hervorgehen, daß, trotz des Beifalls, den diese Oper überall erhielt, doch vielleicht die wenigsten Hörer derselben wissen, wer sie componirt hat; und daß – besonders in Deutschland – seine Opern gern gesehen werden, ohne daß sein Name bedeutend verehrt würde. –

Un jour à ParisMichel Ange – Le Médecin turcCimarosa und neuestens Joconde haben sich bei uns am meisten verbreitet.

Das Lotterieloos gehört offenbar mit zu den lieblichsten Schöpfungen, in welcher er sein, aus schließend der Conversations-Oper angehöriges, Talent auf das Bestimmteste durch blühende Melodieen und wahrhaft dem reinsten Frohsinne angehörige Farbengebung bewährt.

Isouard privatisirt zu Paris, wo er auch als vorzüglicher Clavierspieler geschätzt wird, und man erwartet gegenwärtig von ihm auf dem großen Operntheater die von Etienne gedichtete Oper: Aladin, ou la lampe merveilleuse.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 145-146.
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