Plötze (Leuciscus rutilus)

[292] Die Plötze, welche auch, abgesehen von allen dem Rothauge zukommenden Namen, Bleier, Schwalen, Schwal und Rothaltel genannt wird (Leuciscus rutilus, prasinus, decipiens, pallens, rutiloides, Pausingeri und Selysii, Cyprinus rutilus und rubellio; Abbildung auf Seite 290), vertritt die Sippe der Rohrkarpfen (Leuciscus), hat einen seitlich etwas zusammengedrückten, mehr oder weniger gestreckten Leib mit endständigem Maule und großen Schuppen, ändert aber, je nach Aufenthalt und Nahrung, in den Leibesumrissen und in der Färbung vielfach ab und bildet Abarten, welche mehr oder weniger Ständigkeit erlangen. Der Rücken ist gewöhnlich blau oder grünschwarz gefärbt, die Seite heller, gegen den Bauch hin silberglänzend; Bauch- und Afterflosse sehen oft fast ebenso roth aus wie die des Rothauges; die Brustflossen sind graulichweiß, die Rücken- und Schwanzflosse grau mit röthlichem Anfluge. In der Rückenflosse zählt man drei und neun bis zehn, in der Brustflosse einen und funfzehn, in der Bauchflosse einen und acht, in der Afterflosse drei und zehn, in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen. Die Länge beträgt selten über funfzig Centimeter, das Gewicht bis anderthalb Kilogramm; Pennant hat auch ein Stück von zweiundeinhalb Kilogramm Gewicht gesehen.

Unter den Karpfen gehört die Plötze zu den verbreitetsten und gemeinsten. Ganz Mitteleuropa, einschließlich Großbritannien, und ein großer Theil des Ostens unseres heimatlichen Erdtheiles sowie Nordwestasien bilden ihr Vaterland, Seen, Teiche, größere und kleinere Flüsse, ebenso schwachsalzige Meere ihren Aufenthalt. In der Nordsee tritt sie selten, in der Ostsee dagegen ungemein häufig auf. Ihre Lebensweise stimmt mit der des Rothauges fast in jeder Hinsicht überein. Sie hält sich stets scharenweise zusammen, nährt sich von Würmern, Kerfen, Fischroggen, kleinen Fischen und Wasserpflanzen, wühlt nach den ersteren im Grunde, schwimmt rasch, ist lebhaft, scheu, jedoch nicht besonders klug, und mengt sich, nicht immer zu ihrem Vortheile, gern unter andere Fische, so daß sie sogar zu Sprichwörtern Veranlassung gegeben hat. Den Hecht, ihren ärgsten Feind, kennt sie[292] übrigens sehr wohl; denn so behaglich sie sich fühlt in Gesellschaft anderer Fische, so unruhig wird sie, wenn sie dieses furchtbarsten Räubers unserer süßen Gewässer ansichtig wird. Sie laicht im Mai oder Juni, manchmal auch schon im März und April und ebenso noch im Juli, und verläßt dann in dicht gedrängten Scharen die tieferen Seen, in denen sie den Winter verbrachte, steigt in den Flüssen empor und setzt auch an grasigen Plätzen unter lebhaftem Hin- und Herschwimmen, Plätschern und Aufspringen ihren Laich ab. Nach Lund soll sie in regelmäßigen Zügen auf den betreffenden Plätzen erscheinen, zuerst funfzig bis hundert Milchner, sodann Roggener und hierauf wieder Milchner, worauf dann das Ablegen der Eier beginnt. Die Milchner tragen um diese Zeit ebenfalls auf Scheitel und den Schuppen vereinzelt stehende kleine, kegelförmige Knötchen von weißlicher Färbung. Beim Laichen soll die Plötze übrigens vorsichtiger sein als verwandte Fische, wenigstens sofort in die Tiefe tauchen, wenn sie jemand auf dem Wasser bemerkt. Die Vermehrung ist sehr stark, weil schon kleine, scheinbar noch nicht halb erwachsene fortpflanzungsfähig sind.

Hinsichtlich ihres Fleisches und der Verwerthung desselben läßt sich genau dasselbe sagen wie vom Rothauge. Das Fleisch wird nirgends geschätzt und das Kilogramm desselben höchstens mit einer Mark, durchschnittlich aber nur mit vierzig Pfennigen bezahlt; gleichwohl fängt man den allerorts gemeinen Fisch massenhaft, verzehrt ihn frisch oder gedörrt, führt ihn von Pommern aus ins Innere des Landes, selbst bis Russisch-Polen, und verwendet ihn endlich zur Fütterung anderer Fische oder der Schweine.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 292-293.
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