Nase (Chondrostoma nasus)

[298] Nase oder Näsling, Nösling, Spehling, Speier, Eßling, Oehrling, Schnabel, Schnappel, Kräuterling, Rachenzahn, Sunter, Schwarzbauch, Schwall- und Mundfisch (Chondrostoma nasus, coerulescens und Dermaei, Cyprinus nasus; Abbildung auf Seite 285) heißt die in Süd- und Ostdeutschland häufige Art dieser Sippe. Die Nase ist langgestreckt, rundlich, seitlich wenig zusammengedrückt und mit kleinen Schuppen bekleidet, ihre Färbung außer der Laichzeit auf dem Rücken schwärzlichgrün, an der Seite und auf dem Bauche glänzend silberweiß, auf den Flossen, mit Ausnahme der dunklen Rückenflossen, röthlich. Gegen die Laichzeit hin nehmen alle Körpertheile eine lebhaftere Färbung an, und es tritt namentlich auch in beiden Mundwinkeln und an den Brustflossengelenken ein schönes Orangegelb hervor; der Rücken wird dunkler und erhält ein schwarzstreifiges Ansehen. In der Rückenflosse zählt man drei und neun, in der Brustflosse einen und funfzehn bis sechzehn, in der Bauchflosse zwei und neun, in der Afterflosse drei und zehn bis elf, in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen. Die Länge kann bis funfzig Centimeter, das Gewicht bis anderthalb Kilogramm betragen; doch gehören so große Nasen zu den Seltenheiten.

Im Norden Deutschlands ist die Nase ein wenig bekannter Fisch, im Süden unseres Vaterlandes und in der Schweiz dagegen häufig; auch kommt sie in der Oder und in der Weichsel in namhafter Menge vor. Im Donau- und im Rheingebiete bevölkert sie fast alle Flüsse und Seen. Sie lebt gesellig, meist in großen Scharen beisammen, hält sich fast stets am Grunde, längere Zeit auf einer und derselben Stelle auf und wälzt sich hier, wie Schinz bemerkt, oft um und um, so daß man ihre silberglänzende Unterseite auf weithin schimmern sieht. Im Sommer [298] nähert sie sich den Mauern, mit denen das Ufer eingefaßt ist, und wälzt sich hier über Steine, welche kaum vom Wasser bedeckt sind. Ueber die unteren Stufen von Treppen, welche ins Wasser führen, streicht sie in ähnlicher Weise mit so großer Regelmäßigkeit weg, daß die Katzen hierauf aufmerksam werden und an solchen Stellen einen mehr oder minder ergiebigen Fang betreiben. Die Nahrung besteht aus Pflanzenstoffen, namentlich verschiedenen Wasseralgen, welche Steine und andere im Wasser liegende feste Gegenstände überziehen und von den scharfen, harten Kieferrändern der Nasen leicht abgelöst werden können. In Würzburg haben die Fische, wie Siebold mittheilt, den Namen »Speier« erhalten, weil sie, frisch eingefangen, stets vielen Schlamm ausspeien, wahrscheinlich eben jenen pflanzlichen Schleim, welchen sie im Augenblicke des Gefangenwerdens noch in den Schlundzähnen festgehalten haben.

Gegen die Laichzeit hin, welche in die Monate April und Mai fällt, versammeln sich die Näslinge und ziehen in zahllosen Scharen von dem Hauptstrome in die Nebenflüsse, von diesen aus in Zuflüsse und Waldbäche, auch selbst in solche, welche trübes Wasser haben, suchen sich hier kiesige Stellen auf, über welche der Strom schnell dahinfließt, und legen auf ihnen ihre zahlreichen Eier ab. Sie haben zu dieser Zeit ihr Hochzeitskleid angelegt und wie so viele andere Karpfen einen Hautausschlag erhalten, welcher namentlich den Scheitel und den oberen Theil der Kiemendeckel sowie die seitlichen der Schnauze und des Gesichtes bedeckt. Die Jungen sollen bereits nach vierzehn Tagen ausschlüpfen und dann nach und nach den größeren Flüssen zuschwimmen.

Mehr zum Vergnügen, als um sie zu benutzen, fängt man die Nase an Angeln, welche mit Stubenfliegen geködert werden. Während der Laichzeit geben ihre Massenversammlungen zu reichem Fange Veranlassung. In der Wertach bei Augsburg werden, laut Grundauer, alljährlich innerhalb zwei bis drei Wochen gegen funfzehntausend Kilogramm und darüber erbeutet. An der Mündung der Birs und am Eintritte der Glatte in den Rhein finden alljährlich ähnliche Fischzüge statt. Das Kilogramm ihres Fleisches werthet durchschnittlich sechzig Pfennige, höchstens eine Mark. »Bey vns werden sie Frühlingszeit gepriesen«, sagt Geßner, »dann sollen sie fett werden. Item deß Wintermonats, wiewol das ist, daß sie wenig zu loben sind, dann ihr Fleisch ist allezeit lind oder blutt, gar nahe keines oder ödes Geruchs, voller Grädt, vorauß gegen dem schwantz. Werden lieblicher gebraten dann gesotten.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 298-299.
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