Zärthe (Abramis Vimba)

[281] Zärthe, Ruß, Blau- oder Meernase, Näsling, Sündl usw. (Abramis Vimba und Wimba, Cyprinus vimba, carinatus und Zerta; Abbildung auf Seite 280), nennen die Fischer einen Brachsen, welcher weit über Europa verbreitet ist, hauptsächlich dem Norden angehört und nicht bloß in süßem, sondern auch in brackigem und salzigem Wasser gefunden wird. Während sie in einzelnen Süßgewässern nicht zu wandern scheint, steigt sie vom Meere aus im Frühlinge in die Flüsse auf, um zu laichen, verweilt in denselben während des Sommers und kehrt dann nach tieferen Gewässern zurück, um hier den Winter zu verbringen. In den Seen hält sich die Zärthe gewöhnlich in einer Tiefe von zehn bis zwanzig Faden auf, regelmäßig da, wo der Grund schlammig ist; denn auch sie wühlt nach Art ihrer Verwandten nahrungsuchend im Boden und trübt dadurch das Wasser so, daß sie sich selbst verräth. Während der Laichzeit vereinigt sie sich zu sehr großen [281] Scharen und gibt dann Gelegenheit zu ergiebigem Fange. So werden, laut Pallas, in allen russischen Strömen, welche ins Schwarze Meer münden, alljährlich unschätzbare Mengen gefangen, eingesalzen, getrocknet und fuderweise in entfernte Theile des Reiches geführt. Zuweilen ist der Fang so ergiebig, daß die Kaufleute, welche sich mit dem Einsalzen und Versenden beschäftigen, den Fischern eine Bedingung stellen müssen, dahin lautend, daß sie nur verpflichtet sind, bis siebzigtausend Stück von einem Fange anzunehmen. Ihr Fleisch wird dem des Blei gleich geachtet. Nach Bloch legt jeder Roggener gegen dreimalhunderttausend Eier, und zwar auf seichten, steinigten oder kiesigen Stellen der Flüsse. Dies geschieht regelmäßig im Mai und Juni, und die fortpflanzungslustigen Fische gebaren sich dabei ganz wie die Bleie, indem sie sich heftig bewegen und lärmend im Wasser umhertoben.

An der verdickten und verlängerten, weit übergreifenden Nase, dem unterständigen Maule und der weit hinten angesetzten Afterflosse läßt sich die Zärthe leicht erkennen. Die Färbung des Scheitels und des Rückens ist ein unreines Braun oder Blau; die Seiten sind heller, die Unterseiten silberglänzend, die Rücken- und Schwanzflosse bläulich, die Bauch- und Af terflosse gelblichweiß, die Brustflossen an der Wurzel rothgelb. Ganz anders erscheint derselbe Fisch im Hochzeitskleide, welches zu Ende des Mai oder im Anfange des Juni mit dem Eintritte der Laichzeit angelegt wird. Oberleib, Schnauze, Kopf, Rücken und Seiten bis weit unterhalb der beiden Seitenlinien, sind dann, laut Siebold, mit tiefschwarzem Farbstoffe bedeckt, und die dunkler gefärbten Leibesseiten haben einen eigenthümlichen Seidenglanz. Von diesem Dunkel sticht die orangegelbe Färbung der Lippen, Kehle, Brust, Bauchkanten, eines schmalen Streifens unterhalb des Schwanzes sowie der paarigen Flossen lebhaft ab. »Die Farbenveränderung der Zärthen hält gleichen Schritt mit der Entwickelung der Fortpflanzungswerkzeuge und ist nicht etwa abhängig von dem mit der Brunstzeit eintretenden Wechsel ihres Aufenthaltsortes.« Während der Fortpflanzungszeit tragen beide Geschlechter dasselbe Kleid; die Männchen aber zeigen außerdem einen aus vielen, winzig kleinen Erhöhungen bestehenden körnerartigen Ausschlag, welcher namentlich auf dem Scheitel, den Kiemen, den Rändern der Schuppen und den Strahlen der Innenfläche der paarigen Flossen zum Vorscheine kommt. In der Rückenflosse zählt man drei und fünf, in der Brustflosse einen und funfzehn, in der Bauchflosse zwei und neun bis zehn, in der Afterflosse drei und siebzehn bis zwanzig, in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen. An Größe steht die Zärthe hinter dem Blei bedeutend zurück; denn ihre Länge beträgt nur ausnahmsweise vierzig Centimeter, ihr Gewicht selten mehr als fünfhundert Gramm.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 281-282.
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