Schmerle (Cobitis barbatula)

[302] Die Schmerle oder Bartgrundel, auch Schmerlein, Schmerling, Schmirlitt, Smerle, Smirlin, Zirle, Mös, Guse genannt (Cobitis barbatula, fluviatilis und merga, Nemachilus barbatulus), erreicht eine Länge von zehn, höchstens funfzehn Centimeter und ist auf dem Rücken dunkelgrün, auf der Seite gelblich, auf der Unterseite hellgrau gefärbt und auf Kopf, Rücken und Seiten mit unregelmäßigen Punkten, Flecken und Streifen von braunschwarzer Färbung gezeichnet; Rücken-, Schwanz- und Brustflossen sind gefleckt, After- und Bauchflosse gelblichweiß und ungefleckt. Um den Mund stehen sechs Bärtel. Es spannen die Rückenflosse drei und sieben, die Brustflosse ein und zehn, die Bauchflosse zwei und sechs, die Afterflosse drei und fünf, die Schwanzflosse sechzehn Strahlen.

Wie die Verwandten verbreitet sich auch die Schmerle über einen großen Theil Europas. Jenseit der Alpen soll sie, laut Heckel und Kner, nicht mehr vorkommen; nach Osten hin wird sie bis gegen den Ural hin gefunden; in Schweden ist sie, wie Linné angibt, durch Friedrich I. aus Deutschland eingeführt worden. Besonders zahlreich bewohnt sie Sachsen, Brandenburg, Hessen, die Schweiz und Tirol, ohne jedoch in den übrigen Ländern nördlich von den Alpen selten zu sein. Abweichend vom Schlammbeißer hält sie sich, wenn auch nicht ausschließlich, so doch vorzugsweise in Flüssen auf, am liebsten in seichten Bächen mit steinigem oder sandigem Grunde und rasch strömendem Wasser. Hier ruht sie übertages, unter hohl liegenden Steinen verborgen; denn nur ausnahmsweise wagt sie sich freiwillig aus dem sicheren Schlupfwinkel hervor, um eine erspähete Beute wegzunehmen. Gegen Sonnenuntergang beginnt ihre Jagdzeit, und wahrscheinlich treibt sie sich von nun an während der ganzen Nacht umher. Sie schwimmt, entsprechend ihrer großen Schwanzflosse, sehr gut, jedoch immer nur absatzweise, und durchmißt ungern weitere Strecken. Hebt man einen Stein, unter welchem sie verborgen liegt, langsam auf, so verweilt sie noch einige Augenblicke ruhig, schießt dann wie ein Pfeil davon, macht eine plötzliche Schwenkung oder sinkt jählings auf den Boden herab und ist sofort wieder in eine ähnliche schützende Höhlung geschlüpft. Bei Annäherung eines Gewitters zeigt auch sie sich unruhig, gleichsam als ob ihr die elektrische Spannung Unbehagen verursache. Von dem Schlammbeißer unterscheidet sie sich durch ihre leichte Hinfälligkeit: schon wenige Minuten, nachdem sie aus dem Wasser genommen, verendet sie; einen weiten Versandt verträgt sie also nicht. Ihre Nahrung besteht aus Wassergewürme, Kerflarven, Kerbthieren, Fischlaiche und wohl auch Pflanzenstoffen; wenigstens füttert man die in besonderen Teichen gehaltenen Schmerlen mit Leinkuchen und Mohnsamen. Die Laichzeit fällt in die ersten Frühlingsmonate: im März und April strotzen die Eierstöcke von unzähligen kleinen Eierchen; vom Mai bis zum Juli wimmeln gewisse Stellen der Gewässer von der ausgeschlüpften Brut. Das Männchen gräbt, nach Leunis, ein Loch in den Sand, in welches das Weibchen die Eier legt, befruchtet sie und hält dann bis zum Ausschlüpfen der Jungen Wache am Neste.

[302] »Das fleisch dieser Fisch«, sagt Geßner, »behelt den Preiß vnd Lob in allen dingen: denn es ist lieblich zu essen, indem daß sie nit so starck fischeln, matt gesund, gebiret ein gut Gelüt, ist ringer Däwung, werden in viel kranckheiten der mehrer theil erlaubt, von der Weynacht biß zu Ostern werden sie zum besten geachtet, wiewohl sie klein, zu keiner zeit verarget mögen werden.« Dieses in der That köstlichen Fleisches wegen legt man hier und da, beispielsweise in Böhmen, besondere Teiche an, meist kleine Löcher von drei Meter Länge, einem Meter Tiefe und entsprechender Breite, verkleidet sie mit einem Korbgeflechte und bringt Schafmist zwischen dieses und die Wände, um die Entwickelung von Kerbthierlarven zu befördern. Beständiger Zufluß von frischem Wasser ist unumgänglich nothwendige Bedingung zum Gedeihen dieser halbgefangenen Schmerlen, deren Vermehrung günstigenfalles eine außerordentliche, die Anlage also immerhin eine lohnende, obgleich man an wenigen Orten mehr als eine Mark für das Kilogramm dieser Fischchen bezahlt. Leider lassen sich Schmerlen eigentlich bloß an Ort und Stelle verwerthen: man hält ihr Fleisch für schlecht, wenn sie auch nur wenige Minuten vorher abgestanden sind. Am besten sollen sie sein, wenn man sie in Wein oder Milch sterben läßt. Die Bereitung richtet sich nach dem Geschmacke des Liebhabers. Hier und da schätzt man besonders die gesottenen und mit Weinessig gebläueten Schmerlen; an anderen Orten zieht man die gebratenen vor; auch macht man sie ein wie Neunaugen, um sie länger aufzubewahren.

Außer dem Menschen stellen der Schmerle Wasserspitzmäuse und Wasserratten, Enten und viele Sumpfvögel, insbesondere aber der Eisvogel nach, welcher sich wohl den größten Theil seiner Nahrung aus ihrer Mitte nimmt. Unter den Fischen werden ihr diejenigen Arten, welche wie sie auf dem Boden leben, gefährlich.

In wohleingerichteten Behältern leben gefangene Schmerlen lange Zeit. Viele Unterhaltung gewähren sie freilich nicht. Sie liegen, wie in der Freiheit, so auch hier den größten Theil des Tages über auf dem Grunde des Gefäßes, kommen nur bei trübem Wetter zum Vorscheine, steigen dann unter kräftig schlängelnden Bewegungen zur Oberfläche empor, athmen wohl auch einmal frische Luft und geben die eingenommene durch den Darm wieder von sich, halten sich geraume Zeit in der Höhe und lassen sich dann anscheinend schwerfällig der Länge nach wieder auf den Boden herabsinken, zuweilen so ungeschickt, daß sie von einem Steine zum anderen fallen. Von ihrer Gefräßigkeit gewinnt man erst, wenn man sie in solchen Becken hält, eine richtige Vorstellung. Sie vertilgen eine unglaubliche Menge von Würmern und dergleichen und geberden sich dabei, als gelte es, eine ungeheuere Beute zu bewältigen. Sobald sie nämlich ein Opfer gefaßt haben, rühren sie durch heftige Bewegungen ihrer Bauch- und Brustflossen den Grund, auf welchem sie liegen, auf, trüben dabei ihre Umgebung so, daß es unmöglich ist, sie noch zu sehen, fressen die Beute und schießen plötzlich aus dem Trüben auf nach einem ihrer beliebten Versteckplätze zu, gleichsam als müßten sie sich von dem schweren Werke erholen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 302-303.
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