Strichfalterchen (Hesperia comma)

[366] Die Dickköpfe (Hesperidae) unterscheiden sich leicht von allen anderen Tagfaltern durch die in der deutschen Benennung ausgesprochene Eigenschaft und durch zwei Sporenpaare, welche bei den meisten die Hinterschienen bewehren. Ihre Raupenleben zwischen zusammengezogenen Blättern. Es gibt hunderte von Arten, deren meiste wiederum Südamerika bewohnen, von denen viele durch kräftigere Gestalt, lebhafte Farben, lichte Fensterflecke, lange Schwänze an den Hinterflügeln und andere Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet sind. Die Europäer erreichen etwa die mittlere Größe der Bläulinge, sind aber untersetzter und eintöniger in den Farben. Die kurzen Schwingen haben derbe Rippen, die hinteren eine offene Mittelzelle. Am dicken Kopfe stehen große, nackte Augen, je eine Haarlocke an den weit von einander entfernten Fühlerwurzeln, meist eine Krümmung an der Keulenspitze, und in beiden Geschlechtern bleiben die Vorderbeine in ihrer Entwickelung gegen die übrigen nicht zurück. Dies ungefähr die Kennzeichen der artenreichen Gattung Hesperia. In ziemlich raschem und straffem Fluge erscheint der Dickkopf auf einer Blume, an der er saugt, oder auf dem Erdboden, sperrt die Hinterflügel weit auseinander, während er die vorderen in die Höhe richtet. So schnell wie er kam, so schnell verschwindet er wieder. Alle seine Bewegungen weisen auf eine gewisse Federkraft im Körper und Bestimmtheit wie Keckheit im Willen hin. Statt aller werde hier das Strichfalterchen (Hesperia comma, Fig. 6, S. 365) genannt, welches sich im Juli und August überall zeigt und bis zu den höchsten Alpen hinaufgeht. Männchen und Weibchen, oberwärts braungelb, unten grünlichgelb, stimmen im äußeren Ansehen nicht überein. Jenes hat einen dunkelbraunen Saum, fünf lichtere Flecke und eine schwarze schräge, durch eine silberglänzende Linie der Länge nach getheilt erscheinende Mittelschwiele auf den Vorderflügeln, einen dunkeln Saum und lichte Flecke daran auf den Hinterflügeln. Beim Weibchen zieht eine Fleckenreihe über beide Flügel, welche besonders auf den hinteren gelblichweiß erscheint; statt der schwarzen Schwiele hat es auf der Rückseite zahlreichere grüne Schuppen. Die grüne, an den Seiten schwarzpunktirte Raupe lebt auf der Kronwicke.

Zum Schlusse sei es vergönnt, die Zahlen der europäischen und deutschen Tagfalterarten nach den verschiedenen Sippen noch anzuführen. Von den vierzehn europäischen Papilioniden kommen sechs in Deutschland vor, von den einunddreißig Pieriden sechzehn, von den neunundfunfzig Nymphaliden sechsundvierzig, von den fünfundsiebzig Lycäniden neunundvierzig und von den neunundzwanzig Hesperiden achtzehn. Außerdem fliegt Chrysippus (Danais Chrysippus) vereinzelt auf Sicilien als einziger Danaide in Europa und in der kleinsten Perlbinde (Nemeobius [366] Lucina, Fig. 7, S. 365) hat die reiche brasilianische Sippe der Eryciniden für Europa und Deutschland ihren einzigen Vertreter.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 366-367.
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