Graseule (Charaeas graminis)

[408] Verrufener als vorige ist die, wie schon erwähnt, ganz gleiche, nur etwas kleinere Raupe der Graseule (Charaeas graminis, Fig. 3), eines mehr im Norden verbreiteten schönen Falters, den unsere Abbildung gleichfalls vergegenwärtigt. Er hat behaarte Augen wie der vorige, einen [408] schopflosen, wolligen Mittelrücken, das Männchen gekämmte Fühler. Die Vorderflügel zeichnen sich durch eine staubig olivengrünliche Grundfarbe und sehr veränderliche Zeichnungen aus. Das Mittelfeld und die äußere Hälfte des Saumfeldes sind in der Regel dunkler als die Grundfarbe, die drei Flecken heller als diese, mehr oder weniger weiß. Der breitgezogene Ringfleck verbindet sich mit dem besonders hellen Nierenflecke durch die hier fast weiße Mittelrippe. Wellen- und Querlinien lassen sich nicht wahrnehmen, dagegen bisweilen eine Saumlinie, gebildet von dunkleren Längsfleckchen zwischen den Rippen. Die weißgelb befransten, gelblichgrauen Hinterflügel werden nach der Wurzel hin heller. Im Juli und August entschlüpft das zierliche Eulchen seiner glänzend rothbraunen, in zwei Hakenspitzchen endenden Puppe und fliegt manchmal im Sonnenscheine an Wiesenblumen. Schweden und andere Theile des nördlichen Europa, besonders aber Nordamerika, haben öfter von den Raupen leiden müssen, als unsere deutschen Wiesen. Vom Jahre 1771 berichten die Jahrbücher aus der unteren Wesergegend und später (1816 und 1817) aus dem braunschweigischen Antheile des Harzes böse Dinge von ihnen.


1 Futtergras-Eule (Neuronia popularis) nebst Raupe. 2 Mangoldeule (Brotolomia meticulosa). 3 Graseule (Charaeas graminis). Alle natürliche Größe.
1 Futtergras-Eule (Neuronia popularis) nebst Raupe. 2 Mangoldeule (Brotolomia meticulosa). 3 Graseule (Charaeas graminis). Alle natürliche Größe.

Bei Bremen hatten sie in einer Nacht zwei Morgen Wiesen verwüstet und saßen so gedrängt bei einander, daß auf dem Raume einer ausgebreiteten Hand zwölf und mehr Stück gezählt werden konnten. In der Harzburger Gegend zeigten sie sich 1816 in unglaublichen Mengen. Die an ihren Weideplätzen vorbeiführenden Wege wurden schlüpfrig und kothig, und handhoch füllten sich die Wagengeleise. Das Jahr darauf fraßen sie mehr denn dreitausend Waldmorgen Wiese gänzlich ab, da man nichts gegen sie gethan, sondern die Zeit mit Berathungen hatte hingehen lassen. Alle Vorsichtsmaßregeln, welche man für das dritte Jahr gegen sie getroffen hatte, kamen zu spät; denn die Raupen waren auf ihr ursprüngliches Maß zurückgeführt. Man vermuthete, daß ein achtundvierzigstündiger Regenguß Mitte Mai, infolge dessen Flüsse und Bäche aus ihren Ufern traten, den Verheerungen ein Ende gemacht habe. – Wir kennen noch einen schwarzbraunen Schmetterling (Neuronia caespitis), dessen Wellen- und Querlinien wie die Umsäumungen der Flecke fein gelb hervortreten. Er ist viel seltener, seine Raupe dem äußeren Ansehen und der Lebensweise nach aber die dritte im Bunde.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 408-409.
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