8. Sippe: Dorcadioninen, Erdböcke

[172] Die dritte Unterfamilie, die Lamiidae, endlich möchte ich als Spitzböcke bezeichnen, da ihre Taster im Gegensatze zu allen vorigen in ein zugespitztes, weder in ein abgestutztes, noch beilförmiges Endglied auslaufen. Ihre Vorderschienen sind außerdem an der Innenseite mit einer schrägen Furche, die Mittelschienen meist auswendig mit ähnlicher Furche versehen, der Kopf steht senkrecht, und seine Stirn ist gegen den Scheitel mindestens unter einem rechten, wenn nicht sogar unter einem spitzen Winkel geneigt. Kurz, die Glieder dieser Abtheilung haben bei wiederkehrendem Reichthume der Körpertrachten der Auszeichnungen genug, um sie sogleich als hierher gehörig zu erkennen; ihre Gesammtzahl übertrifft die der beiden vorigen Unterfamilien zusammengenommen.

[172] Abgesehen von einer Uebergangssippe, wo der Kopf noch nicht die geforderte Stellung hat, sondern wie bei den Schrägkopfböcken gerichtet, und das Halsschild jederseits mit einer Leiste versehen ist, abgesehen von dieser die Inseln des Indischen Archipels und Polynesien bewohnenden Sippe, tritt uns eine andere, die der Erdböcke, zuerst entgegen. Sie mag an der artenreichen, dem südlichen Europa und dem westlichen Asien bis nach Sibirien hin vorzugsweise eigenen Gattung Erdbock (Dorcadion) erläutert werden, welche die Feistkäfer unter den Schwarzkäfern, die Kurzhörner und andere Erdbewohner unter den Rüsselkäfern in dieser Familie wiederholt. Alle Gattungsgenossen haben die gedrungene Gestalt der nachher namhaft gemachten Art (Fig. 7). Die Fühler sind borstenförmig und ziemlich dick, niemals aber so lang wie der Körper und nehmen nach der Spitze zu in der Länge ihrer Glieder allmählich ab. Das Halsschild ist breiter als lang, in der Mitte jederseits mit einem spitzen Höckerchen versehen. Die Flügeldecken sind an ihrer Wurzel kaum breiter als das Halsschild, erreichen erst in ihrer Mitte die größte Ausdehnung, runden sich einzeln an der Spitze ab und erreichen die doppelte Länge ihrer gemeinsamen Breite, oder übertreffen sie noch. Die Beine sind kurz und dick, die Mittelschienen vor der Spitze an der Außenseite gehöckert. Der ungeflügelte Körper ist meist mit einem Dufte abreibbarer Sammethaare überzogen, welche namentlich auf dem seitlich den Körper enge umfassenden Flügeldecken zierliche Zeichnungen, Striemen, Kreuze, Flecken erzeugen, wegen ihrer Hinfälligkeit aber an älteren Stücken die Artbestimmung ungemein erschweren, zumal nicht selten beide Geschlechter ein und derselben Art nicht unwesentlich in diesen Zeichnungen von einander abweichen. Die Erdböcke erscheinen meist im Frühjahre, kriechen auf Wegen, an Mauern umher und verstecken sich bei unfreundlichem Wetter unter Steinen; sie scheinen im Larvenstande sich von den Wurzeln der verschiedensten, nicht bloß der holzigen Pflanzen zu ernähren.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 172-173.
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