Großes Johanniswürmchen (Lampyris noctiluca)

[108] Das große Johanniswürmchen (Lampyris noctiluca) hat im männlichen Geschlechte vortretende Kinnbacken, keine Fensterflecke auf dem Halsschilde, kleinere Leuchtflecke an der Bauchspitze, daher auch geringeres Leuchtvermögen, und erreicht eine Länge von 11 Millimeter. Dem 15 bis 17,5 Millimeter messenden Weibchen fehlen selbst die Flügeldeckenstumpfe, so daß es vollkommene Larvenähnlichkeit annimmt; durch das größere, besser entwickelte Halsschild, den minder verborgenen Kopf und wesentlich stärkeres Leuchtvermögen unterscheidet es sich jedoch von seiner Larve. Diese Art scheint im Westen Europas (Frankreich) und im Süden Deutschlands häufiger vorzukommen als inmitten unseres Vaterlandes.

Feuchte Gründe und andere durch Buschwerk beschattete Oertlichkeiten in der Nähe von Wasser ernähren zahlreiche Landschnecken und sind daher auch die wahren Brutstätten der Johanniswürmchen. Hier werden an den warmen Sommerabenden Schauspiele aufgeführt, welche die Traumgebilde vom Lande der Feen und Elfen weit hinter sich lassen, Schauspiele, welche einen sentimentalen Dichter wie Klopstock in seiner »Frühlingsfeier« singen lassen:


»Aber Du, Frühlingswürmchen,

Das grünlichgolden neben mir spielt,

Du lebst und bist vielleicht,

Ach, nicht unsterblich!

– – – – – – – – – – – – –

– – – – – Ich lerne dann,

Ob eine Seele das goldene Würmchen hatte«.


[108] Hunderte von Feuerfünkchen zittern durch die würzige Luft, und wenn dem trunkenen Blicke dieses verlöscht, so taucht ein anderes auf im lautlosen und doch feurigen Tanze. Hier und da unten am feuchten Boden strahlt ein zauberhaftes Phosphorlicht, Stengel und Blätter der Gräser, das Moos und die Steinchen des Untergrundes scharf beleuchtend, im schwächeren, immer schwächeren Lichtnebel verschwimmend und der Dunkelheit der Nacht endlich den Sieg einräumend; denn festgebannt ist es an einer Stelle, welche es trotz seines Glanzes nicht zu erwärmen vermag. Die irrenden Sterne sind die Männchen, die sie überstrahlenden Fixsterne im Grase die Weibchen, das Ganze ein wahrer Fackeltanz des hochzeitlichen Hymen. Mit Anbruch des Tages ist der Glanz verschwunden und das Fünkchen, welches heute leuchtete, ist morgen für immer verlöscht, wenn auch ihm Hymen die Fackel angezündet hatte; so lange dies nicht geschah, irrt es allnächtlich von neuem umher. Am Tage hält es sich verborgen im Grase, ernährt sich auch von solchem, wenn ihm ein längeres Leben beschieden sein sollte. In den an Glühwürmchen armen Jahren wird jener wunderbare Fackeltanz durch die geringe Zahl der Theilnehmer wesentlich abgeschwächt, außerdem auch, wenn es sich um die Hochzeitfeier des großen Leuchtkäfers handelt, weil die Männchen ein schwächeres Licht verbreiten als die der gemeinen Art, welche mir, dem früheren Augenzeugen, bei meiner Schilderung vorgeschwebt hat; die Wirkungen des Tanzes bleiben aber stets dieselben. Die an die Erde gelegten kugelrunden, gelbgefärbten Eier entwickeln sich bald zu den uns bereits bekannt gewordenen Larven, welche im erwachseneren Zustande nach der Ueberwinterung nur demjenigen zu Gesicht kommen, welcher sie aufzusuchen weiß; denn obgleich sie auch schwach leuchten, verrathen sie sich wegen der Schwäche des nur dem Boden zugekehrten Lichtes durch dasselbe so leicht nicht. Einige Wochen vor der Schwärmzeit der Männchen wird die Larve schwerfälliger und träger, nimmt keine Nahrung mehr zu sich, zuletzt reißt ihr an den Seitenkanten der drei vordersten Leibesringe das auf dem Rücken bepanzerte Kleid und aus ihm windet sich die Puppe hervor. Selbstverständlich ist dieselbe eine andere, je nachdem ein Männchen oder ein Weibchen aus ihr hervorgeht. Die männliche Puppe zeigt die zukünftigen Flügel als Läppchen und ist in jeder Beziehung wie eine Käferpuppe gebildet, die weibliche stellt eine Mittelstufe zwischen Larve und dem ihr sehr nahe stehenden Weibchen dar, und es würde zu weit führen, wenn die Unterschiede aller drei Entwickelungsstufen hier scharf hervorgehoben werden sollten, daher möge sie kurz als eine wenig eingekrümmte, ruhende Larve bezeichnet werden.

Die Licht verbreitenden Werkzeuge bestehen aus zahlreichen, in zartwandigen Kapseln eingeschlossenen vielseitigen Zellen, welche theils durchsichtig sind, theils eine feinkörnige Masse enthalten, und aus einem dichten Netze zarter Verästelungen der Luftröhren. Kölliker meint nun, die durchsichtigen Zellen seien die leuchtenden Elemente, und das Leuchten selbst werde vom Willen des Thieres und den dahin gehenden Nerven bedingt. Matteucci dagegen glaubt, daß die Leuchtmasse auf Kosten des durch die Luftröhren zugeführten Sauerstoffes verbrenne. So viel ist gewiß, daß die im Ruhezustande nur mäßige Leuchtkraft durch den lebhaften Flug und durch von außen einwirkende Reize bedeutend gesteigert wird, bei Ueberreiz jedoch wieder nachläßt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 108-109.
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