Linden-Prachtkäfer (Poecilonota rutilans)

[97] Bei den echten Buprestiden, deren Fühlerporen sich auf Grübchen der Glieder beschränken, wiederholen sich dieselben Formen. Die Gattung Poecilonota (Lampra) enthält entschieden die schönste deutsche Art in dem smaragdgrünen, an den Außenrändern kupferrothen Linden-Prachtkäfer (Poecilonota rutilans). Die Flügeldecken sind mit schwarzen Querstricheln und Fleckchen besäet und der Rücken des Hinterleibes schön stahlblau gefärbt, so daß der fliegende Käfer den reichsten Farbenschmuck entwickeln kann. Er erreicht eine Länge von 11 bis 13 Millimeter und findet sich nach meinen Erfahrungen nur an Linden, beispielsweise da, wo dieser beliebte Baum die städtischen Anlagen in zahlreicheren und älteren Beständen schmückt. Nachdem mir während meiner Schulzeit auf einer Ferienreife diese Kunde in Altenburg geworden war und einige schöne Stücke, welche ich daselbst in der Sammlung des gleichgesinnten Freundes erblickte, von dem Vorhandensein des Käfers in den dortigen Linden den Beweis geliefert hatten, stellte ich [97] auch Nachforschungen nach ihm in meiner Vaterstadt an, welche eine ziemlich lange Lindenstraße mit dem ihr eingepfarrten Dörfchen verbindet. Die lanzettförmigen, querstehenden Fluglöcher waren bald aufgefunden, an manchem der ältesten und nicht mehr heilen Stämme ziemlich zahlreich; daß sie gerade dem gesuchten Käfer angehörten, war allerdings dem damaligen Untersekundaner einer Fürstenschule, auf welcher das Insektensammeln geheim betrieben werden mußte, um bei den Herren Philologen und Pädagogen keinen Anstoß zu geben, nicht bekannt und wäre ihm, der nur in den Hundstagsferien (Juli) die Anfänge seiner verpönten Studien betreiben konnte, wahrscheinlich auch ferner unbekannt geblieben, wenn nicht einige derselben mit der goldigen Stirne des Käfers geschlossen gewesen wären. Das Hervorkommen ließ sich nicht abwarten; denn der angestellte Versuch bewies alsbald, daß die Käfer sämmtlich todt waren. Wie es schien, hatten sie nicht Kraft genug gehabt, um das Loch zu ihrer vollständigen Befreiung zu erweitern, ein jedes wurde zu eng befunden, um den hinter der Mitte breiter werdenden Käfer durchschlüpfen zu lassen. Das Nachschneiden mit dem Messer setzte mich in den Besitz einer Anzahl vollkommen entwickelter und noch wohl erhaltener Prachtkäfer, und bei wiederholtem Nachsuchen fanden sich auch noch mehrere lebende, theils an den Stämmen sitzend, theils unten am Boden im trockenen und kurzen Rasen kriechend. Fliegen sah ich sie nicht, das war mir damals auch gleichgültig, ja sogar erwünscht; denn es kam nur auf den Besitz des schönen Käfers an. Wie ich mich noch entsinnen kann, war es in den Vormittagsstunden, wo die Sonnenstrahlen noch nicht hinreichend belebend auf den ehernen Panzer gebrannt hatten. Ist indessen die Zeit ihrer größten Lebendigkeit gekommen, die Zeit, in welcher manche andere Kerfe Mittagsruhe halten, dann ist es ohne Fangwerkzeuge und große Geschicklichkeit kaum möglich, auch nur ein einziges Stück dieser flüchtigen Käfer zu erhaschen, wie mich die Scheuheit und Wildheit einiger kleineren Prachtkäferarten später oftmals gelehrt hat.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 97-98.
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