Pillenkäfer (Byrrhus)

[72] Von der längeren Reihe der Familien, welche die Systematiker folgen lassen, ehe wieder bekanntere Größen an die Reihe kommen, sei nur mit wenigen Worten der Fugen- oder Pillenkäfer und zwar der namengebenden Gattung Byrrhus gedacht, weil sie die mehr aufgetriebenen, zu »Pillen« gewordenen Stutzkäfer in etwas veränderter Form, veränderter Ernährungsart, sonst aber mit denselben Gewohnheiten, namentlich mit meisterhafter Verstellungskunst, wiederholen. Wenn die eiförmigen, hoch gewölbten Käfer, nur den kleineren Formen sich anreihend, ihre Gliedmaßen eingezogen haben, so wird es sehr schwer, die Anwesenheit solcher überhaupt zu erkennen. Die platten Beine, von welchen die vorderen aus eingesenkten walzigen oder eiförmigen, und die hintersten aus queren und einander stark genäherten Hüften entspringen, schließen so dicht an den Körper an, die Schienen passen so gut mit ihrem Innenrande in eine Furche der Schenkel, die fünfgliederigen Füße so schön zwischen die Schienen und den Leib, daß man einige Nähte, aber keine Beine zu bemerken glaubt. Dazu kommt, daß der Kopf seiner ganzen Ausdehnung nach in das Halsschild eingelassen ist, so daß nur Stirn und Gesicht nach vorn die senkrechte Körperbegrenzung ausmachen und deshalb von oben her nichts von ihnen sichtbar wird. Die schwach keulenförmigen Fühler können sich unter den Seitenrand des Halsschildes verstecken. Die beiden Laden der Unterkiefer sind unbewehrt. Am Bauche unterscheidet man fünf Ringe, deren drei erste indeß verwachsen. Die durch Sammethaar meist braun gefärbten Pillenkäfer ernähren sich nur von Pflanzenstoffen, von Moos und dürrem Gekrümel; denn man findet sie oft in größeren Gesellschaften an sonnenverbrannten Berghängen, unter Steinen, aber auch in den Gebirgen hoch oben, wo die Temperatur eine stets niedere zu sein pflegt; in unsicherem Gange kriechen sie im Sommer langsam auf Triften umher, scheinen indeß lieber die Nacht abzuwarten, um zu fliegen. Weil sie sonst die Erdoberfläche [72] nie verlassen, so fehlen gewisse Arten niemals unter den angeschwemmten Käfern, welche die ausgetretenen Gewässer im Frühjahre mit sich führen.

Die Larven der Pillenkäfer, so weit man sie kennt, sind walzig, etwas eingekrümmt und auf dem Rücken mit harten Schildern bedeckt, am vollkommensten auf den drei vordersten Ringen, von denen der erste so lang wie die beiden folgenden zusammen ist, auf den übrigen sind die Schilder etwas weicher und halbkreisförmig. Nächst dem ersten ist das vorletzte und letzte Glied am längsten, dieses außerdem mit zwei Anhängseln versehen, welche neben den sechs einklauigen kurzen Beinen der Fortbewegung dienen. Der senkrecht gestellte Kopf trägt jederseits in einer runden Grube zwei Punktaugen, zweigliederige Fühler, fast dreieckige Kinnbacken; diese treffen mit ihrer Schneide auf einander, sind hinten ausgehöhlt, um der mit ungegliederten Lappen und mit viergliederigen Tastern versehenen Kinnlade Raum zu geben; die Taster der zungenlosen Unterlippe bestehen aus nur zwei Gliedern. Die Larven finden sich in der Erde unter Rasen, verpuppen sich hier und werden vor Winters zum Käfer.

Die einhundertdreiunddreißig Arten, aus welchen die ganze Familie besteht, verbreiten sich nur über Europa und Nordamerika, und kommen im Gebirge zahlreicher vor als in der Ebene.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 72-73.
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