[615] Bei den bisher besprochenen Schildwanzen und ihren zahlreichen Verwandten nimmt das Schildchen den kleineren Theil des Hinterleibes ein und verbirgt das Hornstück der Flügeldecken nicht; nun gibt es aber eine Reihe von besonders den heißen Ländern angehörenden Arten, bei denen es bis zur Hinterleibsspitze reicht und nach den Seiten nur einen schmalen Theil der Halbdecken frei läßt, den einzigen, welcher verhornt. Die umstehend abgebildete Hottentotten-Wanze (Eurygaster maurus oder Tetyra maura) gibt dazu einen Beleg. Sie ist gelblich, schwarz-braun oder schwarz, mit oder ohne zwei lichte Seitenfleckchen an der Wurzel des durch die Mitte längsgekielten Schildchens und hält sich weniger auf Buschwerk als an Gräsern, Dolden und [615] zwischen anderen niederen Pflanzen auf, versteckt sich auch gern unter Stauden, Steinen usw. – Einige prachtvoll stahlblaue und gelbgefleckte ostindische Arten, höher gewölbt auf dem Rücken und am Bauche der Länge nach gefurcht, gehören einer anderen Gattung (Scutellera) an und bilden sofern es sich um den äußeren Glanz handelt, einen würdigen Schluß, die Krone der ganzen Ordnung.
Von dem noch ungezählten Heere der im allgemeinen verachteten Insekten ging ein verschwindend kleiner Theil an uns vorüber und bewies zur Genüge, daß viele derselben, sei es ihrer äußeren Erscheinung nach, sei es in Rücksicht auf ihren staunenerregenden Kunsttrieb oder auf ihr gewaltiges Eingreifen in das große Triebrad der Natur, die aufmerksamste Berücksichtigung verdienen. Seidenspinner und Honigbienen, deren Erzeugnisse dem Menschen von hohem Werthe sind, Heuschrecken, Termiten, Wasserwanzen und andere, welche in manchen Gegenden gewissen Volksklassen als Nahrungsmittel, andere, wie beispielsweise die spanische Fliege, als wirksames Heilmittel dient, stehen in erster Reihe, wenn es sich um ihre Nützlichkeit für uns handelt. Bei weitem länger dehnt sich die hinterste Reihe aus, in welcher die unnützen, lästigen und schädlichen vorgeführt sind: das peinliche Ungeziefer an Menschen und Hausthieren, die Zerstörer des menschlichen Eigenthums jeder Art, besonders auch die kleinen Feinde der Forst- und Landwirtschaft. Denn wie Unglaubliches die an sich winzigen und unbedeutenden Thierchen durch Vereinigung ihrer Kräfte und durch Ausdauer leisten können, beweisen nicht nur die Verheerungen auf Feld und Wiese, in Garten und Wald, der Käfer-, Raupen- und Engerlingfraß, beweisen nicht nur die fabelhaft beschleunigten Auflösungen pflanzlicher und thierischer Leichen durch Ameisen, Termiten, Aaskäfer, Mistkäfer, Fliegenmaden und andere, sondern auch die wunderbaren Bauten gesellig lebender Insekten, wie der beiden ersteren der eben genannten, der Wespen und honigaufspeichernden Bienen. Zwischen beiden Reihen steht das bisher weder für nützlich noch für schädlich gehaltene Insektenvolk, darum als ein neutrales, weil es uns ebensowenig Leid, wie unmittelbar in die Augen fallendes Gutes zufügt.
Daß aber auch von diesem nicht eine einzige, auch die unscheinbarste Art überflüssig ist, weil es überhaupt in der Schöpfung nichts Ueberflüssiges gibt, darin stimmen alle Verständigen überein. Wenn somit die Insekten nicht bloß als nützliche oder schädliche, sondern auch als uns Freude bereitende, das Naturganze belebende und als seinem Haushalte unentbehrliche Wesen der Beachtung wohl werth erscheinen, so möge sie ihnen in Zukunft mehr und mehr zu theil werden als bisher, damit die noch großen Lücken in ihrer Erkenntnis ausgefüllt werden. Am vollständigsten kennt man in ihren Lebensverhältnissen die Großschmetterlinge und trachtet in Europa von den verschiedensten Seiten mit Eifer dahin, auch die Entwickelungsgeschichte der Kleinschmetterlinge zu vervollständigen. Demnächst wußten sich die Käfer die meisten Freunde zu erwerben, mehr schon die fertigen, als die erst noch werdenden, also ihre Zucht. Alle übrigen Ordnungen erfreuen sich eines nur sehr vereinzelten Interesses und bedürfen eines noch viel allgemeineren, bis ihre Erkenntnis auf der Höhe der beiden anderen Ordnungen angelangt sein wird. Wenn es auch immer schwieriger fällt, für Europa noch einen neuen Kerf zu entdecken, so kennt man aus anderen Erdtheilen bei weitem noch nicht alle, und auch für die europäischen Arten fehlt uns die Kenntnis von der Entwickelung und Lebensweise gar vieler. Es wird mithin von den verschiedensten Seiten für lange Zeiten der größte Fleiß und ausdauernde Beobachtung nöthig sein, um die Naturgeschichte der Insekten so weit zu fördern, wie sie jedermann von den Rückgratthieren zu Gebote steht.