Sippe: Dasselfliegen, Bremen (Oestridae)

[470] In wesentlich verschiedener Form tritt das Schmarotzerthum bei einer kleinen Familie auf, welche man Dassel-, Biesfliegen oder Bremen (Oestridae) genannt hat. Die Arten suchen in verschiedener Weise und vorherrschend die behuften Hausthiere und das Hochwild heim, einzelne haben sich auch als Parasiten von Beutel- und Nagethieren erwiesen, und es dürften gewiß noch andere Säuger von ihnen geplagt werden, nur entzogen sich bisher die Fliegen der sehr schwierigen näheren Beobachtung. In den heißen Ländern wird bisweilen auch der Mensch von Bremen heimgesucht, deren Larven in der Kopfhaut, der Nasenhöhle, dem äußeren Gehörgange, ja auch im Magen gefunden worden sind, in Brasilien Ura, in Cayenne Ver macaque, in Costarica Torcel, bei den Maynasindianern Suglacuru, in Neugranada Gusano peludo oder nuche heißen und einem Menschenöstriden (Oestrus hominis) angehören sollen. Dem ist jedoch nicht so, sondern eine und die andere Art, welche bei Rindern, Hunden, Pferden, Maulthieren usw. schmarotzt, hat sich in den vorliegenden Fällen einmal zu einem Menschen verirrt.

Die Larven der in Rede stehenden Fliegenleben entweder unter der Haut und ernähren sich von dem Eiter der Beulen (Dasselbeule), welche sie erzeugen – dies die Hautöstriden –, oder setzen sich an die Innenwände des Magens, auch der Gedärme, Magenöstriden, noch andere endlich, die Nasenbremen, kommen in der Nasen- oder Rachenhöhle vor. An vielen dieser Larven hat man mehrmalige Häutungen und damit verbundene unbedeutende Formveränderungen beobachtet; sind sie reif, so verlassen sie das Wohnthier, um sich auf oder flach unter der Erde in ein Tonnenpüppchen zu verwandeln. Die Fliegen selbst haben eine kurze Lebensdauer, während welcher viele von ihnen im Sonnenscheine auf kahlen Höhen unter starkem Gesumme umherfliegen. Die hölzernen Gerüste in Gebirgsgegenden, welche z.B. im Harze an verschiedenen Punkten eine Weitsicht ermöglichen sollen, gehören zu den besten Fangplätzen. Körperlich zeichnen sich die Dasselfliegen aus durch warzenförmige, in einer Stirngrube eingesenkte Fühler, welche mit einer Borste enden, und durch den ungemein verkümmerten, zur Aufnahme von Nahrung kaum geeigneten Rüssel. Nebenaugen sind vorhanden. Der sechsgliederige Hinterleib endet beim Männchen stumpf, beim Weibchen in eine lang ausstreckbare Legröhre. Das Flügelgeäder stimmt am meisten mit dem der Familie der Musciden, welche wir folgen lassen, überein. Der Linné'sche Gattungsname Oestrus blieb heutzutage nur noch wenigen Arten; denn je nach dem Aderverlaufe der Flügel, der Beschaffenheit der Fühler, des Mundes und Gesichtes hat man noch dreizehn andere daneben [470] aufgestellt. Da wir diesem so hochwichtigen Gegenstande hier unmöglich den Raum widmen können, welcher ihm gebührt, so verweisen wir auf die Forschungen Fr. Brauers, denen wir viele Aufklärungen auf diesem geheimnisvollen Gebiete zu verdanken haben, und die er in seiner »Monographie der Oestriden« (Wien 1863) niedergelegt und durch spätere Nachträge in den »Verhandlungen der k.k. zoologisch-botanischen Gesellschaft« ergänzt hat.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 470-471.
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