1. Sippe: Apinen

[203] Die Blumenwespen, Bienen (Anthophila), welche wir als erste Familie an die Spitze stellen, wurden zwar mehrfach schon erwähnt, nicht aber in einer Weise, um auch nur eine derselben als solche zu erkennen. Der einfache Schenkelring kommt ihnen wie den Raubwespen zu, von welchen sie in den meisten Fällen die starke Behaarung des gedrungenen Körpers und der eigenthümliche Bau der Hinterfüße unterscheidet. Keine Blumenwespe hat einen gestielten Hinterleib, wie so viele Raubwespen; bei den größeren Arten ist er vielmehr an der Unterseite des breiten Vorderrandes in einem fast punktförmigen Kreisringe dem unteren Ende des Hinterrückens angeheftet, bei den kleineren verschmälert er sich beiderseits gleichmäßig, wird elliptisch im Umrisse und gehört zu den »anhangenden«, nach der früher erörterten Ausdrucksweise. Das starke Haarkleid, welches die meisten Bienen bedeckt und ihnen in der Regel die bunten Färbungen zuführt, wird gleichfalls zu einem Erkennungszeichen und Unterscheidungsmerkmale von den Raubwespen. Zwar kommen fast nackte Arten vor, trotzdem wird sie ein einigermaßen darauf geübtes Auge als Blumenwespen erkennen. Die Bienen tragen, wie wir wissen, für ihre Brut Honig und Blumenstaub ein, jenen wohlverwahrt im Innern ihres Körpers, diesen äußerlich, meist in Form der sogenannten Höschen. Diese aber ziehen sie ihren höchst eigenthümlich gebauten Hinterbeinen an. Sie sind es auch, welche jede Blumenwespe weiblichen Geschlechts, mit wenigen Ausnahmen, verrathen. Die Schienen nebst dem beinahe ebenso langen ersten Fußgliede, welches hier Ferse (metatarsus) heißt, sind auffallend breit gedrückt, letztere außerdem manchmal noch an der Außenseite ihrer Wurzel mit einem schaufelartigen Anhange, dem sogenannten Fersenhenkel, versehen. Die Schiene kann nun auf ihrer glänzenden Außenfläche etwas vertieft und an den Rändern mit langen Haaren bewachsen sein, eine treffliche Vorkehrung, um hier wie in einem Körbchen den Blumenstaub anzusammeln und fortzuschaffen. Man hat eine solche Bildung darum schlechthin auch ein Körbchen genannt. Der große Glanz aber rührt, wie O.J. Wolff gefunden, von den Schweißdrüsen her, welche unter der Chitinhaut liegen, sich nach außen öffnen und den Blütenstaub mit ihrer Ausscheidung, dem auch an anderen Körpertheilen so verbreiteten »Haaröle«, wie einen Schwamm durchdringen und zusammenballen. Nicht selten kommt noch zur Vervollkommnung des zierlichen Apparates eine Bürste zum Zusammenfegen des Blütenstaubes hinzu, steife, kurze Borsten, welche am Ende der Ferse in einer Weise sitzen, wie eine gewisse Art von Handfegern an ihrem Stiele. Auch die Ferse betheiligt sich in gleicher, wenn auch nicht so vollkommener Weise an der Aufnahme des Blütenstaubes, welcher durch die langen Haare derselben festgehalten wird. Die Bienen, deren Hinterbeine in der eben angegebenen Weise gebaut sind, werden sehr bezeichnend Schienensammler genannt. Bei anderen entwickelten sich die genannten Theile nicht in solcher Vollkommenheit zu Sammelwerkzeugen, die Außenseite der Schiene bildet kein Körbchen, sondern ist nicht ausgehöhlt und mit einzelnen Haaren bekleidet, dafür wurde die Spitze der zugehörigen Schenkel, die Hüfte, ja sogar die Seite des Hinterleibes mit längerem, zum Theil lockigem Haare ausgestattet. Es sind die Schenkelsammler auf diese Weise nicht minder befähigt, das unentbehrliche »Bienenbrod« einzuheimsen. Wie überall in ihrem Wirken und Schaffen, so ist auch [203] hier die Natur unerschöpflich. Anderen Bienen beließ sie in der Breite der Hinterschiene und Ferse ihren Bienencharakter, verlegte ihr Sammelwerkzeug aber an den Bauch. Kurze, nach hinten gerichtete Borstenhaare, welche diesen dicht bedecken, sind bei den Bauchsammlern dazu bestimmt, den Blütenstaub abzubürsten und festzuhalten. Womit sammeln nun aber diejenigen Bienen, denen an den Schienen und Schenkeln, am Bauche, wie am übrigen Körper fast gänzlich die Behaarung fehlt? Sie überlassen das Sammeln denen, welche dazu befähigt sind und ziehen es vor, ihre Eier in den Nestern derselben verstohlenerweise unterzubringen. Das in der großen, weiten Welt so allgemein verbreitete Schmarotzerleben greift hier in dieser besonderen Form um sich und erhält durch die natürliche Einrichtung vollkommene Berechtigung, die betreffende Art daher auch den Namen Schmarotzbiene. Die eben besprochenen, so interessanten Vorkehrungen, welche der Brutpflege dienen, bleiben Eigenthum der Weibchen und derjenigen Jungfrauen, welche, ohne je Mutter zu werden, doch die mütterlichen Sorgen um die Nachkommen zu übernehmen haben, der sogenannten Arbeiter, welche bei einigen gesellig lebenden Bienen einen dritten, so einflußreichen, gleichfalls mit einem Wehrstachel versehenen Stand bilden. Die Männchen, welche nicht einsammeln, des Werkzeuges dazu also auch nicht bedürfen, werden dadurch gleichzeitig ärmer an guten Unterscheidungsmerkmalen. Sie immer richtig zu deuten, sie als zugehörig zu einem bestimmten Weibchen zu erkennen, bietet dem Systematiker nicht nur bei den Bienen, sondern auch bei manchen anderen Immen noch besondere Schwierigkeiten. Daher darf es uns auch nicht wundern, wenn nicht selten beide Geschlechter ein und derselben Art mit verschiedenen Namen belegt worden sind, wenn bei Hummeln, Andrenen und anderen Gattungen, welche reich an sehr ähnlichen Arten sind, eine babylonische Verwirrung in den Namen die verschiedenen Ansichten der Forscher bekundet.

Der meist sehr entwickelten Zunge der Blumenwespen, welche theilweise von dem Unterkiefer am Grunde scheidenartig umschlossen und in der Ruhe nach hinten an die Kehle angelegt getragen wird, gedachten wir schon früher (S. 5, Fig. 1 und 2). In dieser Einrichtung kommt sie den eigentlichen Bienen (Apidae) zu; bei den Afterbienen (Andrenidae) ist die Zunge kürzer als das Kinn und in der Ruhe nicht zurückschlagbar (Fig. 3). Diese beiden Gegensätze haben in einer vielleicht strenger wissenschaftlichen Eintheilung den anderen Forschern die Spaltung der Blumenwespen in zwei Familien an die Hand gegeben. Die Fühler aller sind gebrochen, bei manchen Männchen allerdings infolge des kurzen Schaftes kaum merklich, hier aus zwölf, bei den Weibchen aus dreizehn Gliedern zusammengesetzt. Die Geisel verläuft fadenförmig, bisweilen nach der Spitze hin mäßig verdickt, oder breit gedrückt, dann aber immer stumpf. Ihre Glieder lassen sich zwar unterscheiden, schnüren sich aber an den Enden weder auffällig ein, noch schwellen sie an der Spitze an; bisweilen erscheinen sie an der Vorderseite etwas knotig. Wir finden mithin für eine so artenreiche Familie eine seltene Einförmigkeit im Baue eines sonst vielgestaltigen Körpertheiles. Nebenaugen sind immer vorhanden, aber wegen der dichten Behaarung des Scheitels bisweilen schwer aufzufinden. Die Vorderflügel haben stets eine Randzelle ohne oder mit Anhang und zwei oder drei Unterrandzellen, der hintere Theil der Flügelfläche bleibt verhältnismäßig breit ohne alle Adern, weil, mit wenigen Ausnahmen, hinter den letzten Quernerven die beiden Längsadern (der Cubitus und die parallele) aufhören. Bei manchen, besonders den größeren Arten, ist dieser Raum durch dichte Punktirung oder zarte Längsstreifung, der ganze Flügel überdies häufig noch durch dunklere Färbung ausgezeichnet. Wo nur zwei Unterrandzellen vorkommen, münden die beiden rücklaufenden Adern in die letzte, zuweilen die erste genau auf der vorderen Grenze; wo ihrer drei vorhanden, nimmt die zweite und dritte je eine auf, mit wenigen Ausnahmen, zu denen z.B. die Honigbienen gehören. Der Hinterleib besteht beim Weibchen, fruchtbaren und verkümmerten, aus sechs, beim Männchen aus sieben Gliedern. Ueberall, wo es honigspendende Blumen gibt, finden sich auch Bienen ein, diese zu benaschen und für ihre Nachkommen zu verwerthen, doch scheinen die Gleicherländer mit ihrem vorwiegenden Blumenreichthume nicht auch in diesem Verhältnisse so reich an Bienen zu sein, wie unsere gemäßigten Himmelsstriche.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 203-204.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Fantasiestücke in Callots Manier

Fantasiestücke in Callots Manier

Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht

282 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon