Gemeine Hornbiene (Eucera longicornis)

[224] Eine andere Reihe von Schienensammlern zeichnet sich im männlichen Geschlechte durch die überaus langen Fühler aus, welche man wegen der sanft knotigen Anschwellungen an der Vorderseite der Glieder mit den Hörnern eines Steinbockes vergleichen könnte. Sie wurden darum Hornbienen oder Langhörner (Macrocera) genannt; da indeß in Deutschland keine Art vorkommt, mehrere im südlichen Europa und wärmeren Ländern, so will ich eine deutsche Art besprechen, welche in der Körpertracht ihnen vollkommen gleicht, aber wegen der geringeren Anzahl der Unterrandzellen nicht mit dieser Gattung vereinigt werden konnte. Die gemeine Hornbiene (Eucera longicornis, Fig. 6, 7) fliegt von Ende Mai an, hat aber schon Mitte Juni viel von ihrem hübschen Ansehen verloren, weil die Haare theils erblassen, theils durch Abreiben verloren gehen. Das Männchen, im jugendlichen Alter an Kopf, Mittelleib und den beiden ersten Ringen des stark gewölbten Hinterleibes von schön fuchsrothen Haaren dicht bedeckt, von einzelneren schwarzen weiter nach hinten, erscheint jetzt kahler und ausgeblichen; die stattlichen Hörner und das Gelb vom Kopfschild und der Oberlippe bleiben ihm als unveränderlicher Schmuck.


1, 2 Rauhhaarige Pelzbiene (Anthophora hirsuta), Weibchen und Männchen. 3, 4 Abgestutzte Pelzbiene (A. retusa), Weibchen und Männchen. 5 Wand-Pelzbiene (A. parietina), Weibchen. 6, 7 Gemeine Hornbiene (Eucera longicornis), Weibchen und Männchen. Alle in natürlicher Größe.
1, 2 Rauhhaarige Pelzbiene (Anthophora hirsuta), Weibchen und Männchen. 3, 4 Abgestutzte Pelzbiene (A. retusa), Weibchen und Männchen. 5 Wand-Pelzbiene (A. parietina), Weibchen. 6, 7 Gemeine Hornbiene (Eucera longicornis), Weibchen und Männchen. Alle in natürlicher Größe.

Sein wenig größeres Weibchen weicht in der Körpertracht wesentlich ab, einmal verleihen ihm die gewöhnlichen, gebrochenen Fühler keine Auszeichnung, sodann wölbt sich der Hinterleib weniger, verengt sich nach vorn mehr und bekommt einen elliptischen Umriß; infolge dessen könnte man das Thier für eine Sandbiene halten, zumal die Hinterränder der Ringe mit weißen Binden verziert sind, welche auf den drei vordersten in der Mitte eine breite Unterbrechung erleiden, eine Zeichnung, welche man bei den Genannten häufig antrifft. Siehe da, die Bürste an den Hinterschienen rettet aus aller Verlegenheit; keine Sandbiene erfreut sich dieser Auszeichnung. Jene Binden werden von kurzen, anliegenden Seidenhärchen hervorgebracht, und diese sind vergänglich, wie alles Schöne. Darum kann es geschehen, daß wir im Sommer einem abgeschabten Weibchen begegnen, welches, beiläufig gesagt, dieselben Theile in ausbleichende, fuchsrothe Haare kleidet, wie das Männchen. Es wird um so schäbiger aussehen, [224] je gewissenhafter es seine Mutterpflichten erfüllte. Eine glatte Röhre in der Erde dient als Brutstätte. Sie wird durch Querwände in Zellen getheilt, welche von hinten nach vorn sich mehren, sobald die hinterste zuerst voll Honigseim getragen und mit einem Eie beschenkt worden war. Das charakteristische Kennzeichen dieser Gattung besteht in dem Vorhandensein von nur zwei Unterrandzellen, von welchen die zweite in der Nähe ihrer Grenzen die beiden rücklaufenden Adern aufnimmt. Sonst stimmt sie mit Macrocera überein. Die Nebenaugen stehen geradlinig, und die großen Klauen spalten sich. – Amerika ist sehr reich an Arten, welche mit der unserigen in den Geschlechtsunterschieden und der Körperfärbung große Uebereinstimmung zeigen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 224-225.
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