Gehörnte Mauerbiene (Osmia bicornis)

[232] Von Bauchsammlern kennt man noch zahlreiche Arten, wie die Kugel- oder Wollbienen (Anthidium), darum mit letzterem Namen belegt, weil sie ihr Nest mit wolligen Pflanzenstoffen [232] ausfüttern. Ihr Hinterleib ist fast kugelig, kahl und gelbfleckig, oder gelb gerändert, was bei Bienen sonst selten vorkommt. Die Mauerbienen (Osmia) haben einen gleich breiten, oben stark gewölbten Hinterleib, viergliederige Lippen- und Kiefertaster. Die Randzelle der Vorderflügel liegt mit ihrer Spitze der Randader nicht an, und der zweite rücklaufende Nerv mündet merklich entfernt vom Ende der zweiten und zugleich letzten Unterrandzelle in diese (Fig. 2, S. 201). Sie legen ihre Nester in Mauerlöchern an, benutzen dazu auch den verlassenen Bau anderer Bienen in Holzpfosten, Baumstämmen usw. und fertigen mehrere fingerhutförmige Zellen aus Sand oder Erde; andere fand man in leeren Schneckenhäusern bauend, wie Osmia bicolor. Ein hübsches, hierher gehöriges Thierchen ist die rothe oder gehörnte Mauerbiene (O. rufa oder bicornis), welche wegen ihrer Größe und Bekleidung auf den ersten Blick an die gelbe Sandbiene erinnert. Ihr Hinterleib ist goldig fuchsroth, auf dem Rücken schwächer behaart, so daß die ehern glänzende Körperhaut durchscheint. Mittelleib und Kopf sammt den Beinen sind schwarz behaart, und beim Weibchen ragen über dem Munde an den Kopfseiten zwei unregelmäßige, dicke Hörner gerade heraus. Sie fliegt sehr zeitig im Frühjahre, nistet gern in röhrenförmigen Höhlungen, welche sie mit Lehm in Zellen theilt. Schenk fand zwischen Fensterrahmen und der Bekleidung am Weilburger Gymnasialgebäude eine Menge dieser Zellen, zwölf bis zwanzig nebeneinander, und alle aus Lehm gebaut. Nach Oeffnen des Fensters konnte man in sie hineinsehen, da sie dadurch ihrer Bedeckung beraubt worden waren. In den ältesten befanden sich erwachsene Larven und wenig oder gar kein Futter mehr, in den folgenden wurden die Larven immer kleiner, die trockenen, pollenreichen Futtervorräthe immer größer, dann folgten einige Zellen mit Eiern, und an der letzten baute die Biene noch, flog nicht weg, sondern legte sich wie die Hummeln mit emporgestreckten Beinen auf die Seite. Die zum Abfluß des Regens gebohrten Löcher erlaubten der Biene an bezeichneter Baustelle den Zutritt.

Sehr nahe verwandt mit der eben besprochenen Gattung sind die Blattschneider oder Tapezierbienen (Megachile). Der Hinterleib des Weibchens flacht sich auf dem Rücken bedeutend ab und sticht mit dem Stachel meist nach oben; der zweite rücklaufende Nerv mündet näher dem Ende in die zweite Unterrandzelle, und der Kiefertaster setzt sich aus nur zwei Gliedern zusammen. Beim Männchen sind die Endglieder der Fühler breitgedrückt und die beiden letzten Hinterleibsringe nach unten eingekrümmt; ihrer verschiedenartigen Zähnelung wird eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, wenn es sich darum handelt, die sehr ähnlichen Arten zu unterscheiden. Bei einer Abtheilung haben die Männchen erweiterte Vorderfüße und weichen von einander durch charakteristische Zeichnungen an der Innenseite der zugehörigen Schenkel ab, bei der anderen bieten die Zähne am Ausschnitte der Leibesspitze, die Endglieder der Fühler und die Vertheilung der Behaarung gute Anhaltspunkte.

Diese Bienen bauen ihre Nester in Baumlöcher, Mauerspalten, Erdhöhlen und fertigen hier fingerhutförmige, aneinander gereihte Zellen, welche sie in ganz bestimmter Weise aus Blättern gewisser Pflanzen kunstvoll zusammensetzen. Man hat Blattstücke der Zitterpappel, Weißbuche, Rainweide, der wilden Mohnblüte und besonders des Rosenstockes als Baustoff im Neste gefunden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 232-233.
Lizenz:
Kategorien: