Weißdurchschnittener Raupentödter (Sphex albisecta)

[279] Die Raupentödter (Sphex) umfassen diejenigen Arten mit einfachem glatten Hinterleibsstiele, deren zweite und dritte Unterrandzelle des Vorderflügels je eine rücklaufende Ader aufnimmt, deren Hinterschienen bestachelt und deren Klauen an der Wurzel zweizähnig sind. Die eine Art (Sphex maxillosa) scheint in Europa am weitesten nach Norden vorzukommen. Von zwei anderen, südlicheren Arten, dem gelbflügeligen Raupentödter (Sphex flavipennis) und dem weißdurchschnittenen (Sphex albisecta), verdanken wir Fabre interessante Beobachtungen.

[279] Jene trägt gewöhnlich vier Grillen in ihr Nest, diese macht Jagd auf Feldheuschrecken aus der Gattung Oedipoda. Eine jede stürzt auf ihr Opfer und sucht dessen Brustseite zu erlangen. Da setzt es heftige Balgereien; denn so ein kräftiger Dickschenkel, wie jene sind, ergibt sich nicht ohne Gegenwehr und strampelt, so lange es gehen will. Nicht immer läßt er sich werfen, hat ihn aber erst die Sphex unter sich, so tritt sie mit den Vorderbeinen auf die ermüdeten Hinterschenkel des Gegners, stemmt ihre Hinterfüße gegen dessen Kopf und führt nun zwei sichere, Gift entsendende Stiche. Der erste trifft den Hals, der zweite die Verbindungsstelle zwischen Vorder- und Mittelbrust. Jetzt ist es um den Grashüpfer geschehen, er kann nicht leben und nicht sterben, aber er ist willenlos. Mühsam schleift ihn die Sphex nach ihrer Erdhöhle, legt ihn davor nieder, um sich erst zu überzeugen, ob auch alles darin in Ordnung sei.


Gemeine Wegwespe (Pompilus viaticus), 1 zwei Männchen, 2 zwei Weibchen. 3 Maurer-Spinnentödter (Pelopoeus destillatorius), zwei Männchen. 4 Bunter Bienenwolf (Philanthus triangulum) mit einer Hausbiene. Alles natürliche Größe.
Gemeine Wegwespe (Pompilus viaticus), 1 zwei Männchen, 2 zwei Weibchen. 3 Maurer-Spinnentödter (Pelopoeus destillatorius), zwei Männchen. 4 Bunter Bienenwolf (Philanthus triangulum) mit einer Hausbiene. Alles natürliche Größe.

Fabre nahm ein und derselben Wespe während ihrer Abwesenheit den Raub vierzigmal weg, um ihn in weiterer Entfernung wieder hinzulegen, und vierzigmal holte sie sich ihn wieder, untersuchte aber jedesmal von neuem den Bau, bevor sie sich anschickte, die Beute hineinzuschaffen. Das Ei wird von der Sphex flavipennis zwischen das erste und zweite Fußpaar an die Brust der Grille gelegt. Hier frißt sich die Larve ein und zehrt in sechs bis sieben Tagen das Innere vollständig auf; die Chitinbedeckung bleibt fast unversehrt zurück. Durch die nämliche Oeffnung geht jetzt die 13 Millimeter lange Larve heraus und greift in der Regel am weichen Hinterleibe die zweite Grille an, bald die dritte und endlich die vierte, welche in ungefähr zehn Stunden verzehrt ist. Nun mißt die erwachsene Larve 26 bis 30,5 Millimeter, spinnt sich in zweimal vierundzwanzig Stunden ein, das Gehäuse im Inneren mit den Auswürfen ausstreichend und dadurch beinahe wasserdicht machend. Hier liegt sie regungslos vom September bis zum Juli des folgenden Jahres, dann erst wird sie zur Puppe, aus welcher in der kürzesten Zeit der Raupentödter ausschlüpft.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 279-280.
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