Monedula signata

[284] Die Wirbelwespen (Bembex) lassen sich unter allen anderen Mordwespen leicht an ihrer Mundbildung erkennen. Die Oberlippe hängt nämlich wie ein langer Schnabel herab und wird in der Ruhe, die lange Zunge deckend, an die Kehle angelegt, indem die schlanken, vorn zweizähnigen Kinnbacken sie an der Wurzel jederseits umfassen. In der Körpertracht gleichen diese Immen ungemein einer Hornisse oder einer anderen großen Wespe, tragen überdies vorherrschend gelbes [284] Gewand. Die mittelste der drei geschlossenen Unterrandzellen nimmt beide, ungemein lange, rücklaufenden Adern auf, die Fühler sind gebrochen, ihre Geisel fast fadenförmig, an der Spitze fanft nach außen gebogen. Beim Männchen erscheinen die letzten Glieder derselben etwas stumpf gesägt, und überdies unterscheiden es einige Höcker mitten auf dem Bauche vom anderen Geschlechte. Wir lernen in der gemeinen Wirbelwespe (Bembex rostrata, Fig. 4, S. 288) die der Körpermasse nach für Deutschland größte Mordwespe kennen; sie mißt zwar nur 15 bis 17,5 Millimeter in der Länge, aber deren 6,5 in der Breite. Ihre schwarze Grundfarbe wird durch reichliche blaßgelbe Zeichnungen verdrängt, welche am Mittelleibe sehr veränderlich sind, am Hinterleibe, wie gewöhnlich, als Binden auftreten, aber nicht an den Hinterrändern, sondern in der Mitte der Glieder. Die erste derselben ist in der Mitte breit unterbrochen, jede folgende verläuft wellenförmig durch zwei Bogenausschnitte nach vorn und einen mittleren nach hinten. Das Gesicht und die Beine sind gleichfalls vorherrschend gelb gefärbt. Die hübsche Wespe kommt in ganz Europa vor, aber in den mittleren und mehr nördlichen Gegenden vereinzelt und an demselben Orte nicht alle Jahre. Ende Juni 1857 fand ich an einer freien, sehr dürren Stelle einer Kiefernschonung in hiesiger Gegend eine Menge von Nestern, welche das starke Summen der dieselben umkreisenden Wespen verrathen hatte; seitdem habe ich alljährlich dieselbe Stelle wieder aufgesucht und nie, auch nirgends anders auf meinen Ausflügen, eine Bembex zu sehen bekommen. Die Thiere tragen durch das sehr kräftige Summen und die kreisenden, auf-und abwogenden Flugbewegungen um die Erdlöcher, welche sie für ihre Brut anlegen, mehr als alle anderen ihresgleichen den Charakter der Wildheit an sich. Die Nester entstehen in der gewöhnlichen Weise durch Scharren und Herausschaffen des Sandes und gehen in schräger Richtung tief in das Erdreich hinab. Ueber die Einrichtung derselben und die Lebensweise ihrer Erbauer sprechen sich die Forscher verschieden aus. Nach Westwood legen mehrere Mütter ihre Eier gemeinsam an das eingetragene Futter; Dahlbom meint, die langen Röhren verzweigten sich und hätten mehrere Aus- und Eingänge. Lepeletier gibt an, daß jedem Eie zehn bis zwölf Fliegen zuertheilt, die schrägen Röhren mit Sand verschlossen und von jedem Weibchen etwa zehn Eier gelegt würden. Bates endlich fand bei der südamerikanischen Bembex ciliata in jedem Neste nur ein Ei, wonach also ebensoviel Nester zu beschaffen wären, als Eier vom Weibchen gelegt werden. Darin stimmen alle überein, daß sie nur größere Fliegen für die Larven fangen und eintragen. Die erste jener Ansichten würde den Erfahrungen an allen anderen Mordwespen widersprechen, die übrigen erscheinen mir glaubwürdiger, ich wage aber nicht zu entscheiden, welche die allein richtige sei, weil mir die eigenen Beobachtungen fehlen. – Die Wirbelwespen leben vorzugsweise in heißen Erdstrichen und ändern hier zum Theile den Körperbau, so daß sich Latreille veranlaßt fand, eine besondere Gattung unter dem Namen Monedula davon abzutrennen. Während bei Bembex die Kiefertaster aus vier, die Lippentaster aus zwei Gliedern bestehen, erhöhen sich hier die Zahlen entsprechend auf sechs und vier, ferner verengen sich die beiden letzten Unterrandzellen merklich nach vorn. Außer einigen unbedeutenderen Verschiedenheiten bilden die beiden hervorgehobenen die Hauptgründe zur Abtrennung. Von der Monedula signata sagt Bates: »Sie ist für Reisende in den Gegenden Amazoniens, die von den blutdürstigen ›Mutúca‹ der Eingeborenen, Hadans lepidotus der Fliegenkenner (Dipterologen), geplagt sind, eine wahre Wohlthat. Daß sie auf diese Fliege Jagd macht, bemerkte ich zuerst, als ich einmal an einer Sandbank am Rande des Waldes landete, um mir dort ein Mittagsbrod zu kochen. Das Insekt ist so groß wie eine Hornisse, sieht aber einer Wespe sehr ähnlich. Ich stutzte nicht wenig, als aus der Schar, welche über uns schwebte, eine gerade aus mein Gesicht flog; sie hatte ein Mutúca auf meinem Halse erspäht und schoß nun auf diese herab. Sie ergreift die Fliege mit den vier vorderen Beinen und trägt sie fort, dieselbe zärtlich an ihre Brust drückend«.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 284-285.
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