Gemeine Spießwespe (Oxybelus uniglumis)

[288] Am Schlusse sei noch der gemeinen Spießwespe (Oxybelus uniglumis, Fig. 13) gedacht, einer Gattung angehörig, welche man leicht an dem meist rinnenartigen Dorn erkennt, in welchen das Hinterschildchen ausläuft, und an den Hautschüppchen beiderseits des Schildchens. Den Vorderflügel kennzeichnen ein Anhang an der Randzelle und nur eine Unterrandzelle, welche durch eine sehr unscheinbare, blasse Ader von der oberen Mittelzelle getrennt wird. Der spindelförmige Hinterleib [288] hängt dem Hinterrücken an und läuft beim Männchen in eine viereckige, ebene Afterklappe, beim Weibchen in eine allmählich verschmälerte aus; gelbe, auch weiße Seitenflecke oder Binden verzieren ihn. Die kurzen Fühler sind gebrochen, und in der Gesichtsbildung spricht sich noch ein zweiter Unterschied der Geschlechter aus: eine nasenartige Leiste läuft beim Männchen der Länge nach über das vorn ausgeschnittene, silberhaarige Kopfschild, während das weibliche vorn stumpf ist und sich nur in der Mitte buckelartig erhebt. Das Gesagte gilt von der Gattung; die genannte, 4 bis 7,5 Millimeter messende Art ist schwarz, auch an den Kinnbacken und der oberen Afterklappe, hat auf dem stark punktirten Hinterleibe veränderliche, elfenbeinweiße Seitenflecke, das Männchen auf Glied eins bis vier, das Weibchen auf zwei bis fünf, welche bisweilen auf dem fünften Gliede zu einer Binde verschmelzen, rothe Schienen und Füße, von denen jene an der Wurzel oft braun geringelt sind. Die beim Weibchen meist weißen Schildschüppchen vereinigen sich nicht an ihrer Wurzel, und der mäßig lange Dorn zwischen ihnen endet stumpf. Im allgemeinen hat das Männchen eine etwas düstere und glanzlosere Färbung als das andere Geschlecht.

Das befruchtete Weibchen gräbt an sonnigen Stellen einen fünf bis neun Millimeter langen Gang in den Sandboden, für jede Larve einen, beginnt damit im Mai und fährt fort bis gegen Ende des Sommers. Ist ein Nest fertig, so wird sein Ausgang sorgfältig verschlossen und auf Raub ausgezogen, um die künftige Larve zu versorgen. Nach von Siebolds interessanten Mittheilungen über diesen Gegenstand finden sich in dem Neste Fliegenarten, in jedem meist nur einerlei, vorzugsweise den Anthomyien angehörig. Das um seine Nachkommen besorgte Weibchen stürzt sich von oben auf das Schlachtopfer, wirft es zu Boden und auf den Rücken, sticht es in den Hals und trägt es, angespießt mit dem Stachel, zu Neste. Dies alles geht aber nicht immer so glatt hintereinander fort, wie es sich erzählen läßt. Kaum ist die Fliege vor dem Eingange zum Neste niedergelegt, um dieses erst zu durchmustern, so ist auch schon eine andere Spießwespe bei der Hand, um jene zu stehlen. Ehe der rechtmäßige Eigenthümer seine mißliche Lage erkannt hat, ist der Dieb längst damit verschwunden. Das ist ärgerlich, läßt sich aber nicht ändern; es muß von neuem auf die Jagd gegangen werden. Dann gibt es eine kleine Fliege, Miltogramma conica nennen sie die Kundigen, die hat die böse Gewohnheit, bei Oxybelus zu schmarotzen, ihr Ei in dessen Nest zu legen, damit sich die aus demselben schlüpfende Larve die des Oxybelus schmecken lasse. Deshalb lungert die genannte Fliege an solchen Stellen umher, wo unsere Spießwespe baut. Sobald letztere nun mit Beute anlangt, erhebt sich die Miltogramma und schwebt unbeweglich über derselben, wie der Raubvogel, welcher sich sein Schlachtopfer tief unten ersah. Jene kennt ihren Feind sehr wohl und fliegt, um sich seiner zu entledigen und ihn von der Spur abzubringen, hin und her. Die Fliege läßt sich nicht so leicht täuschen, sie begleitet die Wespe, setzt sich auf einen höheren Punkt, wenn diese ausruht, stets dieselbe im Auge behaltend. Die beladene Wespe ermüdet meist früher als die ledige Fliege, welche mit gleicher Hartnäckigkeit und Entschlossenheit ein und dasselbe Ziel im Auge hat: die Sorge für ihre Nachkommen. Jetzt öffnet die Spießwespe ihr Nest, um die Beute hineinzuschaffen. Sobald sie in demselben ist, stürzt die Miltogramma nach, erscheint aber gleich wieder, denn sie wurde hinausgejagt. Beiläufig bemerkt, scheinen andere Miltogramma-Arten ein ähnliches Spiel mit anderen Mordwespen zu treiben. Nach von Siebolds Beobachtung wird die rauhe Sandwespe durch Miltogramma punctata verfolgt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 288-289.
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