Siebente Familie: Goldwespen (Chrysidae)

[289] In den Goldwespen (Chrysidae) tritt uns eine weitere scharf abgegrenzte, nicht leicht zu verkennende Familie mittelgroßer bis kleiner Hautflügler entgegen, welche in unseren gemäßigten Gegenden mit derselben, ja fast mit noch bunterer Farbenpracht erglänzen, als in den wärmeren Ländern, wo nicht mehr, aber etwas größere Arten vorzukommen scheinen. Der auf seiner Oberfläche am Kopfe und dem gleich breiten Mittelleibe mehr oder weniger grob, an dem [289] ebenso breiten oder breiteren, anhangenden Hinterleibe meist sehr fein oder gar nicht punktirte Körper glänzt metallisch in goldgelb, feuerroth, violett, gesättigtem blau, welches durch grün ersetzt sein kann, und zwar selten in einer, meist in der Verbindung mehrerer der genannten Farben; schwarz kommt vereinzelt, weiß oder eine lichte, nicht metallische Farbe niemals vor. Der kurze und dann halbkreisförmige, oder gestreckte, durchaus gleich breite, hinten stumpf gerundete, oben gewölbte Hinterleib besteht aus drei oder vier, in der Regel am Bauche ausgehöhlten Gliedern. Diese Hohlbäuchigkeit benutzen die Wespen zu ihrem Vortheile; so wie sie sich bei feindlichen Angriffen nicht anders zu helfen wissen, kugeln sie wie der Igel, manche Gürtelthiere, gewisse Asseln, ihren Körper zusammen, und paßt jene Höhlung trefflich für Kopf und Vorderrücken. Vor dem Leibesende sehr vieler Goldwespen läuft eine tiefe, oft punktgrubige Furche dem Rande entlang, so daß man das eine Glied für deren zwei halten könnte. Die Beschaffenheit der Oberfläche des letzteren, besonders aber seines Hinterrandes, ob er ganz, verschiedenartig gekerbt oder gezähnt ist, gibt wichtige Artunterschiede ab. Unter diesem Hinterrande kann das Weibchen eine fernrohrartige Legröhre weit herausstrecken, mit deren Hornspitze unter günstigen Verhältnissen Stiche ausführbar sind; in der Ruhe zieht sie sich zurück, pflegt aber im Tode wieder etwas herauszutreten. Der in den Umrissen so ziemlich viereckige Mittelleib tritt an den scharfen Hinterecken mehr oder weniger zahnartig hervor. Eirunde, nicht ausgerandete Augen, drei Punktaugen auf dem Scheitel und dreizehngliederige, gebrochene Fühler, welche nahe beieinander und dem Munde stehen, kommen am queren Kopfe in Betracht. Die Fühler stehen selten still, sondern tasten hin und her und krümmen die Geisel spiralförmig. Hinsichtlich ihres Geäders bleiben die Vorderflügel der Goldwespen hinter denen der Mordwespen zurück. Eine nach hinten offene Randzelle, eine gleichfalls nur in der Anlage vorhandene Unterrandzelle, zwei Mittelzellen und die so leicht nirgends fehlenden beiden Schulterzellen ist alles, was hier vorkommt. Die kleinen Krallen der weder langen noch kurzen Beine bieten je nach dem Mangel oder dem Vorhandensein von Zähnchen wichtige Unterscheidungsmerkmale.

Während des Sommers, am zahlreichsten im Juli und August, erscheinen die Goldwespen auf Blumen, an altem Holz- und Mauerwerke, und die listigen Weibchen legen ihre Eier in die Nester anderer, besonders grabender Immen. Osmia unter den Bienen, Odynerus und Eumenes unter den Faltenwespen, Philanthus, Cerceris, Trypoxylon, Crabro, Bembex unter den Grabwespen und so manche andere, welche wir nicht kennen gelernt haben, sind keinen Augenblick vor deren Angriffen gesichert. Ob die Maden der Goldwespen das von jenen eingetragene Futter wegfressen oder sich mitunter auch an den Larven der Wirte vergreifen, ist noch nicht bei allen ermittelt, ersteres scheint aber gewöhnlich der Fall zu sein. Die Verwandlung erfolgt in Jahresfrist nur einmal.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 289-290.
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