Birken-Knopfhornwespe (Cimbex betulae)

[339] Die Birken-Knopfhornwespe (Cimbex betulae) mag in beiden Geschlechtern die letzte Gruppe zur Anschauung bringen, welche durch die Keulenform der Fühler und durch Plumpheit des Körpers leicht kenntlich wird. Diese hinsichtlich der Breite und Schwerfälligkeit des letzteren die Hummeln unter den Blattwespen darstellenden Kerfe haben zwei Rand- und drei Unterrandzellen nebst einer durch eine gerade Querader getheilten lanzettförmigen Zelle als Gattungsmerkmale. Die Arten, bei welchen sich letztere in der Mitte zusammenzieht, sind unter dem gemeinsamen Namen Abia abgeschieden worden. Kopf, Brustkasten und Beine sind bei der vorstehenden schwarz oder gelb behaart, jedoch nicht so dicht, daß dadurch die schwarze Farbe und der Glanz der Oberfläche bedeckt würden. Der Hinterleib ist mehr oder weniger rothbraun, beim Weibchen auch lichter, Fühler wie Körper braungelb oder rein gelb gefärbt, die Flügel sind wasserhell oder gelblich, neben dem Male braun gefleckt und am Hinterrande getrübt; das dunklere Männchen hat verlängerte Hinterhüften und sehr dicke Schenkel an denselben.


Birken-Knopfhornwespe (Cimbex betulae). a Larven, b Männchen, c Weibchen, d geöffnetes Puppengehäuse; natürl. Größe.
Birken-Knopfhornwespe (Cimbex betulae). a Larven, b Männchen, c Weibchen, d geöffnetes Puppengehäuse; natürl. Größe.

Die erwachsene Larve ist lebhaft grün, reichlich, aber fein querfaltig, mit weißen Wärzchen unregelmäßig bestreut, besonders an den Seiten, hat eine nach vorn abgekürzte, schwarze Längslinie mit gelblicher Einfassung über den Rücken, einen gelben Kopf und zweiundzwanzig Füße. In der Jugend wird sie durch einen weißen Staubüberzug einfarbig. Sie frißt vereinzelt auf Birken und hat die ihresgleichen eigene Gewohnheit, aus den Körperseiten einen grünlichen Saft ausfließen zu lassen, wenn sie angefaßt wird, doch fließt der Saft nicht so reichlich, wie bei anderen. Beim Ruhen am Tage pflegt sie zusammengerollt an der Unterseite der Blätter zu sitzen, beim Fressen die reitende Stellung einzunehmen, wie beides unsere Abbildung vergegenwärtigt. Wenn sie erwachsen ist, so fertigt sie an einem Zweige ein pergamentartiges, braunes Tönnchen, in welchem sie vom September oder Oktober an das ganze nächste Jahr hindurch bis zum Mai des folgenden zu ruhen pflegt und wenige Wochen vor dem Schwärmen der Fliege zur Puppe wird. Die dieser entschlüpfte Wespe nagt ein Deckelchen vom Gehäuse und erscheint, und wäre es in der Westentasche, wie es einst einem meiner Freunde erging, der für mich ein Gespinst mitgenommen, dort aufbewahrt und abzuliefern vergessen hatte. Viel Mühe mag ihr dies nicht verursachen, denn ihre Kinnbacken wirken so kräftig, daß sie den Finger eines Kindes [339] blutig kneipen können. Andere ähnliche Arten leben auf Weide, Eller, Buche. Was die Namen anlangt, so sei noch bemerkt, daß der wissenschaftliche neu ist. Klug hatte nämlich in seiner monographischen Bearbeitung (1829) eine große Anzahl verschiedener, ineinander übergehender Formen, welche die früheren Schriftsteller als Cimbex femorata, C. sylvarum und andere aufgestellt hatten, unter dem Namen Cimbex variabilis vereinigt. Da seitdem die Zucht aus der Raupe gelehrt, daß dies nicht gut zulässig, hat neuerdings Zaddach den obigen Namen in Anwendung gebracht.

Hiermit verabschieden wir uns von den Hautflüglern, nicht ohne die Gefühle der Bewunderung und Dankbarkeit gegen sie; denn wir haben gar viele unter ihnen kennen gelernt, welche es nicht minder als die Honigbiene verdienen, als das Sinnbild und Muster eines unermüdlichen Fleißes und einer strengen Ordnungsliebe aufgestellt zu werden. Indem wir sie verlassen, gehen wir zu denen über, welche im schroffsten Gegensatze zu ihnen den Leichtsinn und die Flatterhaftigkeit zur Schau tragen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 339-341.
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