Warzenschlange (Acrochordus javanicus)

[393] Die urbildliche Art der Familie, nach welcher dieselbe benannt wurde, die Warzenschlange (Acrochordus javanicus), ebenso Vertreter einer gleichnamigen Sippe, unterscheidet sich von einer verwandten Art dadurch, daß ihr leicht zusammengepreßter Hinterleib keinen häutigen Saum auf der Oberseite des Schwanzes besitzt, wie es bei jener der Fall ist. Jede Schuppe der Bekleidung erhebt sich in der Mitte zu einem starken, dreiseitigen, dornig sich zuspitzenden Kiele, zu welchem auf vielen Schuppen ein anderes Paar kleinerer Dornen hinzutritt. Der Kopf ist kurz und breit, hauptsächlich infolge der ungemein verkürzten Schnauze, das Auge nach vorn gerichtet, ein Nasenloch dicht neben dem anderen und in der Mitte eines kleinen, rundlichen Schildes auf der Oberseite der Schnauze gelegen, die Mundspalte mäßig weit, der Oberkiefer rund, vorn in der Mitte und auf der Seite an zwei Stellen mit Kerben versehen, welche entsprechende Hervorragungen des Unterkiefers in sich aufnehmen.


Warzenschlange (Achrochordus javanicus). 1/8 natürl. Größe.
Warzenschlange (Achrochordus javanicus). 1/8 natürl. Größe.

Ein gleichmäßiges Braun, welches an den Seiten ins Gelbliche zieht, bildet die Grundfärbung der Alten; die Jungen dagegen zeigen auf braunem Grunde große, unregelmäßige, dunklere Flecke, welche auf dem Rücken zu wellenförmigen, unterbrochenen Bändern [394] zusammenfließen, mit zunehmendem Alter aber mehr und mehr undeutlich werden und zuletzt gänzlich verschwinden. Vollkommen ausgewachsene Stücke erreichen eine Länge von 2,5 Meter.

Die Warzenschlange entzieht sich entweder der Beobachtung oder tritt auch da, wo sie regelmäßig vorkommt, nur selten auf. Letzteres versicherten die Malaien Pinangs dem erfahrenen Cantor, und dasselbe erfuhr auch Montgomery, welcher während eines zwanzigjährigen Aufenthaltes in Singapore nur ein einziges Mal eine dieser Schlangen beobachten konnte. Cantor vergleicht den Gesichtsausdruck der Warzenschlange mit dem eines Vollblutbulldogs und überzeugte sich, daß auch ihr Wesen diesem Ausdrucke entspricht. Sobald man sie berührt, versucht sie zu beißen; da aber ihr Augenstern im hellen Lichte des Tages sich sehr zusammenzieht, fehlt sie in der Regel den ins Auge gefaßten Gegenstand. Freiwillig verläßt sie wahrscheinlich niemals das Wasser; gleichwohl ist sie im Stande, ohne sonderliche Schwierigkeit, obschon nur langsam, auf festem Lande sich zu bewegen. Ihre Nahrung besteht in Fischen und anderen Wasser-, vielleicht auch Seethieren; Hornstedt aber fand in dem Magen einer von ihm untersuchten auch einige unverdaute Früchte vor. Ein Weibchen, welches Cantor lebend erhielt, bewegte, bald nachdem er es auf den Boden gelegt hatte, in eigenthümlicher Weise die hinteren Rippen und brachte im Laufe von fünfundzwanzig Minuten siebenundzwanzig Junge zur Welt, welche, mit Ausnahme von zweien, mit dem Kopfe voraus an das Licht traten und durchschnittlich fünfundvierzig Centimeter lang waren. Sie zeigten sich außerordentlich lebhaft und benutzten auch sofort ihre vollkommen entwickelten Zähne, indem sie wüthend um sich bissen. Bald nach der Geburt fielen die Eihüllen ab und zwar in großen Stücken, wie es bei anderen junggeborenen Wasserschlangen auch der Fall ist. Im Wasser schienen sich die Jungen nicht behaglich zu fühlen, strebten wenigstens eifrig, trockenes Land zu gewinnen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 393-395.
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