Brillenkaiman (Alligator sclerops)

Brillenkaiman (Alligator sclerops).
Brillenkaiman (Alligator sclerops).

[128] Der weit über Südamerika verbreitete und von scharfen Beobachtern geschilderte Schakare (Alligator latirostris, Crocodilus latirostris, Yacare und sclerops, Alligator sclerops und cynocephalus, Caiman, Champsa und Yacare fissipes, Cynosuchus latirostris) ist vielfach mit dem Brillenkaiman (Alligator sclerops, Crocodilus, Champsa und Yacare sclerops, Cynosuchus longiscuttatus, ocellatus und punctulatus) verwechselt worden, die Entscheidung über die Art, von welcher die verschiedenen Reisenden sprechen daher schwierig, theilweise unmöglich. Bei beiden sind die oberen Augenlider zum Theile knöchern, zum Theile häutig, auf der Oberfläche gerunzelt und gestreift, die Augendecken vorn durch eine Querleiste verbunden, welche zu dem Namen Brillenkaiman Veranlassung gegeben hat, bei beiden die Nackenschilder groß und in zwei, höchstens drei Querreihen angeordnet: bei dem Schakare aber bilden die Halsschilder drei oder vier, bei dem Brillenkaiman stets fünf Querreihen. Auch erreicht der Schakare bis vier, der Brillenkaiman höchstens drei Meter an Länge. Die Färbung der Oberseite ist bei beiden dunkel olivenbraun, mit graulicher Marmelzeichnung, die der Unterseite grüngelblichweiß.

[128] Der Schakare bewohnt vorzugsweise den südlichen Theil Ostbrasiliens, Buenos-Ayres und das nordöstliche Peru, kommt aber auch in Surinam vor; der Brillenkaiman lebt im nördlichen Theile Brasiliens, im nordöstlichen Peru, in Guayana und auf der Insel Guadeloupe.

Azara und der Prinz von Wied haben die Lebensweise des Schakare mit genügender Ausführlichkeit beschrieben. Auch er liebt ruhige Flußarme oder stehende Gewässer mehr als schnellfließende Ströme und ist deshalb in den großen Waldsümpfen des Inneren besonders häufig. In mehreren großen, schnellfließenden Strömen hat der Prinz keine Schakares beobachtet, viele dagegen in todten Seitenarmen oder in langsam fließenden Bächen, die meisten in Sümpfen und Lachen. So lange dieser gierige Räuber, im Wasser ruhend, auf Beute lauert, gewahrt man nur den Vordertheil des Kopfes, welcher sich soweit erhebt, daß das hochliegende Auge eben den Wasserspiegel beobachten kann und die Nasenlöcher frei sind. So verweilt er übertages an einer und derselben Stelle oder schwimmt um Mittag dem Ufer oder einem Felsblocke zu, um hier sich zu sonnen oder um zu schlafen; geht jedoch, sobald ein Mensch oder ein Hund sich ihm nähert, sofort ins Wasser zurück. »Oft schifft man«, bemerkt der Prinz, »an solchen Thieren vorüber, deren dunkelbraune Farbe sich nicht leicht von den Granitblöcken unterscheiden läßt, auf denen sie ruhen; gewöhnlich aber tauchen sie alsdann mit Geräusch in die Flut hinab. In einem sanft fließenden Bache, welcher in den Parahyba mündet, wohnte dieses Thier in großer Anzahl. Stand man an den etwas steilen Ufern desselben, welche von drei bis vier Meter hohen Pflanzen dicht beschattet waren, so sah man mit einem Blicke immer mehrere, welche nur ihre Schnauze und die Augen an der Oberfläche des Wassers zeigten. Da, wo die großen Blätter mancher Wasserpflanzen, insbesondere der Wasserrosen, über der Oberfläche hervorwuchsen, konnte man auch jedesmal ein solches Thier suchen; denn hier waren sie verborgen. Beunruhigte man sie, so tauchten sie und kamen bald an einer anderen Stelle wieder zum Vorscheine.

Die Nahrung besteht in allen lebenden Wesen, welche sie erhaschen können. Einer meiner Jäger schoß einst einen jungen Kaiman, welcher eine von ihm erlegte Ente schon gefaßt hatte. Ich fand in dem Magen besonders Ueberreste von Fischen, viele Schuppen und Gräten, Ueberbleibsel von Wasservögeln, aber auch kleine Kieselsteine und Sand, und erfuhr, daß sie manchmal große Steine im Magen haben. Daß der Schakare zuweilen selbst einen schwimmenden oder badenden Menschen angreife, behaupten die brasilianischen Fischer; einer von ihnen zeigte mir sogar die Spuren des Gebisses an seinem Beine und Arme. Wenn man übrigens diese Nachricht auch für begründet hält, so kann man im allgemeinen doch nicht sagen, daß diese Krokodile dem Menschen gefährlich sind. Alle, welche ich beobachtete, waren höchst schüchtern und verschwanden sogleich, sobald man sich ihnen auf mehr als dreißig bis vierzig Schritte näherte. Hunde, welche durch die Flüsse schwimmen, und andere kleinere Thiere hingegen sollen sie öfters verschlingen. In der Lagune von Arara am Mucuri hatte nahe an unserer Hütte ein Schakare seinen Au fenthalt gewählt und fraß jedesmal den Abfall der Lebensmittel, Gedärme und dergleichen, welche unsere Leute ins Wasser warfen.« Azara berichtet, daß man sie wenig fürchtet und unbesorgt in ihrer Nähe badet oder durch die Flüsse schwimmt, weil sie den Menschen nur dann anfallen, wenn er sich ihren Eiern nähert, aber selbst hier ihn weder zerreißen, noch fressen. Hensel spricht sich in gleichem Sinne aus. »Daß der Schakare«, sagt er, »dem Menschen gefährlich sei, wird zwar hier und dort behauptet; allein die angeblichen dieser Ansicht zu Grunde liegenden Thatsachen sind sehr unsicher und bedürfen erst noch einer Bestätigung. Die Hauptnahrung dieses Alligators sind Fische, welche er trotz seiner Plumpheit in den seichten Buchten der größeren Gewässer leicht zu fangen weiß. Allein er verzehrt auch wirbellose Thiere, wie die zahlreichen Gehäuse und Deckel der großen Wasserschnecken (Ampullaria) beweisen, welche man stets in seinem Magen findet.«

»In der Paarzeit«, fährt der Prinz fort, »besonders zu Anfange derselben, geben die Schakares einen unangenehmen, heftigen Moschusgeruch von sich. Oft haben wir in den Monaten August und September am Belmonte im Schatten der überhängenden Waldgebüsche des Ufers [129] diesen Geruch sehr heftig empfunden, ohne das Thier selbst sehen zu können, weil es längst untergetaucht hatte. Die uns begleitenden Botokuden riefen alsdann sogleich ›Aehä‹, den Namen, welchen sie dem Schakare beilegen. Am Flusse Ilheos bemerkte ich denselben Geruch im Anfange des December oder Januar.« Die denen der Gänse an Größe gleichkommenden weißen Eier werden, laut Azara, zu sechzig Stück etwa in den Sand gelegt, mit dürrem Grase bedeckt und der Sonnenwärme überlassen; die neu ausgekommenen Jungen suchen, wie der Prinz erfuhr, sogleich das Wasser und sollen an Geiern, anderen Raubvögeln und Raubthieren Feinde finden.

»Nutzen gewährt der Schakare wenig; deshalb stellt man ihm auch nicht nach. Einige Neger und die Wilden essen das weiße, fischartige Fleisch, besonders das der Schwanzwurzel; allein sie erhalten nicht oft einen solchen Braten. Es hält schwer, diese Thiere zu tödten, weil sie, wie alle Verwandten, ein zähes Leben haben und beim Schusse sofort untertauchen. Wir schossen sehr häufig nach ihnen mit Schrot; auch waren sie gewöhnlich tödtlich getroffen: allein es fehlte uns dann meist an Anstalten, um das verwundete Thier vom Grunde des Wassers heraufzuheben. Als mein Jäger einem Schakare einen Schuß leichter Schrote ins Genick gab, verwundete er ihn tödtlich, und es fand sich, daß das Blei nicht völlig durch den Panzer des Thieres, wohl aber durch die weiche Haut des Nackens gedrungen war. Schwere Schrote gehen weit besser ein, besonders wenn man nach dem Kopfe, nach dem Genicke oder nach den Seiten zielt. Ueberrascht man einen Schakare auf dem Lande, wenn er von einem Bache zum anderen wandern will, so gehört er dem Jäger; denn wie gewandt er im Wasser sich bewegt, so groß ist seine Ungeschicklichkeit und Langsamkeit auf dem Lande. Sobald er bei einer solchen Gelegenheit seinen Feind bemerkt, bleibt er unbeweglich sitzen und läßt sich, ohne Widerstand zu leisten, tödten. Er beißt nur, wenn man ihn wiederholt mit einem Stocke neckt. Junge Thiere sind auf dem Lande weit gewandter als alte.«

Die Bewohner von Paraguay jagen den Schakare eifriger als die Brasilianer, die Indianer mit Hülfe eines besonderen Pfeiles, die Europäer mit Feuergewehren. Der Pfeil wird dem Alligator in die Seite geschossen und ist so eingerichtet, daß der Schaft abfällt, wenn die eiserne Spitze eindringt; ersterer, welcher mit der Spitze durch eine Schnur verbunden wurde, schwimmt dann oben auf und zeigt den Indianern die Stelle an, wo das verwundete Thier sich verborgen hat. Zum Fangen richten die Spanier ein an beiden Seiten zugespitztes Holzstück zu, binden an ihm eine Leine fest, umgeben es mit Rindslunge und werfen den Köder ins Wasser; der Kaiman verschluckt denselben und wird sodann mit leichter Mühe ans Land gezogen.

Eine eigenthümliche Jagd auf Schakares und Alligatoren überhaupt schildert Keller-Leuzinger. Ein Indianerstamm, die Canitchanas, zieht Alligatorenbraten jedem anderen Fleische vor und versäumt selten eine Gelegenheit, sich dieses Lieblingswildes zu bemächtigen. Einer von ihnen befestigt eine starke Schlinge aus Ochsenhaut sorgfältig an dem Ende einer langen Stange, steigt entkleidet in das seichte Wasser und geht in möglichst gebückter Haltung, die Spitze der Stange vor sich herschiebend, langsam auf das Kriechthier zu. »Der Alligator, welcher in gleichmüthiger Ruhe all dem zugesehen und nur dann und wann durch eine träge Bewegung seines mächtigen Ruderschweifes ein Lebenszeichen gegeben, stiert jetzt, da der Indianer ihm näher und näher rückt, unverwandt nach demselben; – schon schwebt die verhängnisvolle Schlinge in Armslänge vor seiner Schnauze, aber er bemerkt es nicht: wie bezaubert verwendet er kein Auge von dem kühnen Jäger, welcher ihm im nächsten Augenblicke dieselbe über den Kopf geschoben und mit einem kräftigen Rucke zugezogen hat. Die Gefährten desselben, welche bis jetzt geduckt und lautlos am Strande gewartet, stürzen herbei und vier oder fünf dieser kräftigen, wie dunkle Bronze glänzenden Gestalten schleppen den mit Macht nach rückwärts strebenden Schakare ans Ufer, wo einige wuchtige Axthiebe auf den Schweif und den Schädel ihn alsbald unschädlich machen. Würde er, statt rückwärts zu ziehen, den Indianern zu Leibe gehen, so müßten dieselben ohne Zweifel Stange und Schlinge im Stiche lassen und fliehen; dieser Gedanke scheint jedoch dem hartnäckig widerstrebenden Ungethüme zu ferne zu liegen, und der Kampf endet daher immer mit dessen Tode. Nur ein einzigesmal, [130] unter mehr als einem Dutzend, hielt ich es für angemessen, dem wüthend um sich schlagenden, außergewöhnlich starken, fünf Meter langen Thiere eine Büchsenkugel aus nächster Nähe durch den Schädel zu jagen, da ich befürchtete, einer der Canitchanas möchte doch mit dem zackigen, harten Schweife desselben allzu nahe Bekanntschaft machen. Ehe noch die Jagdbeute vollständig zerlegt wird, schneidet man die vier Moschusdrüsen sorgfältig heraus, um weitere Verbreitung des durchdringenden Geruches im Muskelfleische zu verhindern. Es sind drei bis vier Centimeter lange, fingerdicke, mit einer braunen, schmierigen Flüssigkeit gefüllte Säckchen, welche nun fest zugebunden und zum Trocknen in die Sonne gehangen werden. Wie man uns sagte, lieben es die bolivianischen Damen, mit diesem nichts weniger als angenehm riechenden, Kopfweh verursachenden Stoffe, mit etwas Rosenwasser vermischt, ihr rabenschwarzes Haar zu parfümiren.«

»Ich besaß«, schließt der Prinz, »mehrere junge Schakare lebend. Sie zeigten sich wild und stürmisch, bliesen den Bauch und die Kehle auf, wenn man sie berührte oder neckte, zischten dabei wie eine Gans auf dem Neste und öffneten den Rachen; rührte man sie von hinten an, so fuhren sie äußerst schnell herum und bissen scharf zu, schlugen auch heftig mit dem Schwanze. Selbst bei ihnen bemerkte man auch schon den unangenehmen Moschusgeruch.«

»Die Kaimans«, sagt Schomburgk, »welche wir am oberen Essequibo, überhaupt in den Savannenflüssen antrafen, weichen nicht nur in Bezug auf Größe, sondern auch auf Zeichnung vielfach von denen der Küste ab. Sie erreichen eine Länge von vier bis sechs Meter, sind viel schwärzer, hin und wieder gelb gefleckt; ihre Schnauze ist kürzer und gedrungener, die Füße sind kürzer und kräftiger als bei jenen. Sie stimmen ganz mit dem von Martius am Amazonenstrome gefundenen Mohrenkaimane überein.« Auch Bates bemerkt, daß die Eingeborenen am oberen Amazonenstrome diese beiden und außerdem die kleineren Arten unterscheiden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 128-131.
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