[131] Der Mohrenkaiman (Alligator niger, Crocodilus ceilonicus, Champsa und Jacare nigra, Caiman und Melanosuchus niger) gehört ebenfalls zu den Brillenkaimanen, unterscheidet sich aber, abgesehen von seiner bedeutenden Größe, durch die zahlreichen Nackenschilder, welche gewöhnlich vier, ziemlich unregelmäßige Querreihen bilden, von den übrigen Arten mit Querleiste zwischen den Augen; auch springt die erwähnte Querleiste in der Regel in der Mitte winkelig vor, und die oberen halbverknöcherten Augenlider sind fein gestreift, nicht gerunzelt. Die Halsschilder liegen in fünf Querreihen hintereinander. Die Oberseite ist auf dunkelschwarzem Grunde mit gelben, zu Querbinden sich vereinigenden, oft sehr hervortretenden und dann einzelne Theile vergilbenden Flecken gezeichnet, die Unterseite gelblich weiß gefärbt.
Guayana, Nordbrasilien, Bolivia, Ecuador und Nordperu bilden das Vaterland des Mohrenkaiman, welcher hier in allen größeren Süßgewässern vorzukommen und stets sehr zahlreich aufzutreten scheint. »Es ist schwerlich übertrieben«, meint Bates, »wenn man sagt, daß die Gewässer um den oberen Amazonenstrom in der trockenen Jahreszeit ebenso von Kaimans wimmeln wie die Teiche Englands von Kaulquappen. Während einer Reise von fünf Tagen, welche ich im November mit dem Dampfschiffe machte, sahen wir fast überall zu beiden Seiten des Weges diese Raubthiere, und die Reisenden vergnügten sich vom Morgen bis zum Abende damit, ihnen Kugeln durch den Panzer zu jagen. Ganz besonders häufig waren sie in den stilleren Buchten; hier bildeten sie verworrene Haufen, welche sich unter lautem Gerassel lösten, wenn das Dampfschiff vorüberfuhr.« Wie die Schildkröten treten sie alljährlich regelmäßig Wanderungen an, da sie sich mit dem Steigen des Wassers nach den landeinwärts überschwemmten Sümpfen und Lachen, mit Beginn der trockenen Jahreszeit in die wasserreicheren Flüsse begeben. In denjenigen Seen und Lagunen, deren Verbindungsarme in der heißen Zeit austrocknen, sind sie genöthigt, in den Schlamm sich einzugraben und bis zu Beginn der nächsten Jahreszeit ein Traumleben zu führen, während sie am oberen Amazonenstrome, wo die trockene Jahreszeit rascher vorübergeht, sich jahraus, jahrein in Bewegung und Thätigkeit zeigen. Die Eingeborenen fürchten nur sie, nicht aber die kleineren Verwandten. [131] Letztere fangen sie, wie Bates ausführlich mittheilt, unter Umständen sogar mit den Händen; die Mohrenkaimans hingegen haben sich überall Achtung zu verschaffen gewußt, weil sie nicht bloß im Wasser angreifen, sondern nachts sogar auf dem Lande lästig werden, beispielsweise Hunde, welche in der Nähe der Lagerfeuer umherlaufen, wegzukapern suchen. Bates wurde von einem verwegenen alten Männchen mehrere Nächte nach einander im Schlafe gestört, da dasselbe die Dreistigkeit besaß, die Hütte zu besuchen, in der unser Forscher und seine Begleiter schliefen; in einer Nacht wurde das Unthier erst dann vertrieben, nachdem die Indianer ihm mehrere Feuerbrände auf den Panzer geschleudert hatten. Auch Schomburgk versichert, daß die Mohrenkaimans die raubgierigsten und gefräßigsten Thiere seien, welche man sich denken könne. Einige, welche er längere Zeit beobachtete, lungerten fortwährend in den stilleren Buchten des Stromes umher, lauerten auf Hunde und ergriffen eines Abends einen zahmen Riesenstorch, welcher in der Nähe des Ufers schlief. Die Hunde, welche ebenfalls oft in das Wasser gezogen werden, kennen die ihnen drohende Gefahr sehr gut und bellen heftig, wenn sie den lauernden Feind bemerken.
»Um zu sehen«, sagt Schomburgk, »wie sie ihre Beute ergreifen, band ich oft Vögel oder größere Fische auf ein Stück Holz und ließ dieses dann schwimmen. Kaum war der Köder von einem der Kaimans bemerkt worden, als dieser auch langsam, ohne daß sich die Oberfläche des Wassers bewegte, auf die Beute zuschwamm. Hatte er sich derselben ziemlich genähert, so beugte er seinen Körper zu einer halbzirkelförmigen Krümmung und schleuderte nun mit seinem Schwanze, dessen Spitze er bis zum Rachen biegen kann, alle innerhalb des Halbkreises sich befindenden Gegenstände dem geöffneten Rachen zu, worauf er diesen schloß und mit der Beute unter der Oberfläche des Wassers verschwand, um damit nach einigen Minuten in der Nähe des Ufers oder einer Sandbank wieder zum Vorscheine zu kommen und den Raub hier zu verzehren. War dieser nicht allzu groß, so erhob er sich nur bis an die Schultern über das Wasser und würgte ihn in dieser Stellung hinab. Fische sind die gewöhnliche Nahrung der Kaimans; sie tödten dieselben mit dem Schlage des Schwanzes und schleudern sie meist über das Wasser, um sie mit dem Rachen aufzufangen. Das Zusammenklappen der Kinnladen und der Schlag des Schwanzes rufen ein lautes Geräusch hervor, welches man namentlich in der stillen Nacht weithin hören kann.
An einem Nachmittage sollten wir Zeugen eines äußerst fesselnden Kampfes werden. Der Fluß lag in tiefer und ebener Fläche vor uns, da sahen wir in geringer Entfernung eine ungewöhnliche Bewegung im Wasser: ein ungeheuerer Kaiman hatte einen Kaikutschi oder kleinen Alligator in der Mitte des Leibes gepackt, so daß Kopf und Schwanz an beiden Seiten seines fürchterlichen Rachens hervorragten. Der Kampf war hart; aber alle Anstrengungen des Schwächeren blieben gegen die Wuth und Gier des Mächtigeren fruchtlos. Jetzt verschwanden beide unter der Oberfläche, und nur die aufgeregten Wellen des sonst glatten und ruhigen Flußspiegels verkündeten, daß in der Tiefe ein Kampf auf Leben und Tod gekämpft wurde; nach einigen Minuten tauchten sie wieder auf und peitschten mit den Schwänzen die Wasserfläche, die sich in Wellen nach allen Seiten hin zertheilte. Bald aber war der Erfolg nicht mehr zweifelhaft; die Kräfte und Anstrengungen des Kaikutschi ließen nach. Wir ruderten näher. Sowie uns der Kaiman bemerkte, tauchte er unter, kehrte aber, da er die Beute unter dem Wasser nicht verschlingen konnte, wieder zurück und schwamm nach einer kleinen Sandbank, wo er sein Mahl augenblicklich begann.
Auffallend war es mir, daß die Weibchen noch lange Zeit die regste Liebe gegen ihre Jungen hegen, sie fortwährend bewachen und mit der größten Wuth vertheidigen, was ich aus eigener Erfahrung kennen lernte. In Begleitung eines Indianers ging ich eines Tages der seeähnlichen Ausbuchtung des Arkarikuri entlang, um Fische mit Pfeil und Bogen zu schießen. Aufmerksam gemacht durch ein eigenthümliches Geschrei, welches viele Aehnlichkeit mit dem junger Katzen hatte, glaubte ich mich schon in der Nähe eines Lagers einer Tigerkatze zu befinden, als mein Begleiter nach dem Wasser wies und ›Junge Kaimans!‹ ausrief. Die Töne kamen unter den Zweigen eines Baumes hervor, welcher sich infolge des Unterwaschens seines Standortes in wagerechter Richtung[132] über das Wasser geneigt hatte und mit den Zweigen dasselbe berührte. Vorsichtig rutschten wir auf dem Stamme bis zur Krone entlang, wo ich unter mir die junge, einen halben Meter lange Brut im Schatten versammelt sah. Da wir uns nur etwa einen Meter über dem Wasserspiegel befanden, war es dem Indianer ein leichtes, eines der jungen Thiere mit dem Pfeile zu erlegen und das zappelnde und kreischende Geschöpf aus dem Wasser zu ziehen. In demselben Augenblicke tauchte ein großer Kaiman, die Mutter, welche, ohne daß wir sie bemerkt, uns schon lange beobachtet haben mochte, unter unseren Füßen zwischen den Zweigen empor, um ihre Jungen zu vertheidigen, wobei sie zugleich ein schauerliches Gebrüll ausstieß. Ich weiß eigentlich nicht, womit ich diese furchtbare Stimme vergleichen soll: es war nicht das Brüllen des Ochsen oder des Jaguars wie überhaupt eines anderen mir bekannten Geschöpfes, sondern mehr ein Gemisch von diesem und jenem, was einem Mark und Bein durchschütterte. Bald hatte das Gebrüll noch andere Kaimans unter uns versammelt, welche der wüthenden Mutter getreulich beistanden, während diese oft bis weit über die Schultern aus dem Wasser sich erhob, um uns von unserem Standorte herabzureißen. Durch das Vorhalten des am Pfeile zappelnden Jungen steigerte mein Begleiter die Wuth der rasenden Mutter nur noch höher. Wurde sie von einem unserer Pfeile verwundet, dann zog sie sich einen Augenblick unter das Wasser zurück, tauchte aber schnell wieder auf und erneuerte ihren Angriff mit verdoppeltem Ingrimme. Der bisher ruhige Wasserspiegel war zur aufgeregten Wogenmasse geworden, da er ununterbrochen von dem gekrümmten Schwanze gepeitscht wurde, und ich muß gestehen, daß die unglaubliche Kühnheit des Thieres das Herz mir in doppelter Schnelle schlagen machte. Ein einziger Fehltritt oder Fehlgriff würde uns unmittelbar dem geöffneten Rachen des Thieres zugeführt haben. Nachdem wir den Vorrath unserer Pfeile erschöpft, hielt ich es doch für das gerathenste, uns so vorsichtig als möglich zurückzuziehen. Halsstarrig folgte die Mutter uns bis ans Ufer, auf welchem sie jedoch zurückblieb; denn am Lande ist der Kaiman zu furchtsam, als daß er gefährlich sein könnte, scheint auch selbst die Wehrlosigkeit, in der er sich auf festem Boden befindet, zu kennen, da er auf dem Lande jedesmal schleunigst die Flucht ergreift, um in das Element zu gelangen, in welchem er der gefährlichste Bewohner ist.
Die Schuppen des Jungen waren noch weich und biegsam; es konnte also erst vor wenigen Tagen ausgeschlüpft sein; schon aber verbreitete es einen starken Moschusgeruch. Nicht weit von der Stelle erblickten wir einen breiten Pfad am Ufer, der uns zu dem etwa zehn Meter von jenem entfernten Lager der Eier führte. Letzteres bestand aus einer mit Gestrüpp, Laub und Gras ausgefüllten Vertiefung im Boden und mußte, nach den leeren Schalen zu schließen, dreißig bis vierzig Eier enthalten haben, welche schichtenweise über einander gelegen hatten. Jede Schicht war von der nächstfolgenden durch Blätter und Schlamm getrennt, auch über der oberen Schicht schien eine solche Schlammdecke gelegen zu haben.
Die Kaimans haben ihre Legezeit mit den Schildkröten zugleich, und die Jungen kriechen noch vor dem Eintreten der Regenzeit aus. Auf ihrer Reise nach dem Wasser stellen ihnen nicht nur die größeren Raubvögel und die Riesenstörche, sondern auch die Männchen des Kaimans nach. Würde dadurch nicht der größte Theil der Brut vernichtet, so müßten sie sich auf eine furchtbare Weise vermehren. Auf Sandbänken sollen die Weibchen ihre Eier nie verscharren.
Am folgenden Morgen begab ich mich in Begleitung mehrerer Indianer mit Büchse und Kugel wieder zur Stelle unseres gestrigen Abenteuers. Die Mutter war mit ihren Jungen verschwunden. Ungeachtet der zahllosen Köpfe, welche über das Wasser emporragten, und aller Versuche mit großen Angelhaken, gelang es uns doch nicht, eines der Ungethüme in unsere Gewalt zu bekommen. Bei unserer Rückkehr nach dem Lager aber bat mich der Kaimantödter, welcher sich an der Bucht angesiedelt hatte, ihm die Büchse zurückzulassen, da er gewiß noch im Laufe des Tages ein Thier schießen würde. Gegen Abend kam er auch bei uns mit der Nachricht an, daß er sein Wort gehalten. Der Alligator lag noch im Wasser und war mit einer starken Schlingpflanze um den Hals an einen der Bäume gebunden. Seine Länge betrug vier und einen halben Meter. Eine [133] große Wunde, welche aber schon vernarbt war, mochte er wohl in den wüthenden Kämpfen, welche während der Paarungszeit zwischen den Männchen ausbrechen, erhalten haben. Von den achtzehn Zehen seiner Füße fehlten ihm drei, wie auch der eine Vorderfuß arg verstümmelt war. Nach der Behauptung der Indianer rühren diese Verstümmelungen von den gefräßigen Pirais (Pygocentrus niger) her, dem einzigen Thiere, wie es scheint, welches den ausgewachsenen Kaiman belästigt. Der Kaimantödter hatte das Ungethüm erst mit der siebenten Kugel erlegt, welche durch das Auge in das Gehirn gedrungen war.«
Ein anderer Mohrenkaiman, welchen Schomburgks Begleiter früher erlegt hatte, zeigte noch längere Zeit, nachdem er die Kugel erhalten, durch die heftigen Bewegungen, daß ihm der Lebensodem keineswegs ausgeblasen worden war. Die Strahlen der Sonne schienen ihm, nachdem man ihn bereits auf den Strand gezogen hatte, neues Leben zu geben: der todtgeglaubte Feind begann sich zu regen, schickte sich sogar zum Angriffe an. Mehrere Indianer eilten davon und brachten Pfähle herbei; der kühnste von ihnen stürmte auf das Thier zu, welches ihn mit aufgesperrtem Rachen erwartete, und stieß die Spitze des Pfahles tief in dessen Schlund hinab. »Obschon der Kaiman seinen Rachen kräftig schloß und tief in den Pfahl einbiß, schien ihm, nach seinem tiefen Stöhnen zu urtheilen, diese Art des Angriffes doch nicht zu gefallen. Zwei andere herzhafte Indianer hatten sich ihm unterdessen von hinten genähert und ließen nun ihre Keulenschläge auf die Schwanzspitze hernieder regnen. Bei jedem Schlage bäumte sich das Thier schäumend empor und riß den Rachen auf, in welchen dann jedesmal schnell ein neuer Pfahl eingestoßen wurde. Daß die Schwanzspitze, welche nach der Behauptung der Indianer der Sitz des Lebens sein soll, einer der empfindlichsten Theile dieses Thieres ist, zeigte die Thatsache, daß es sich bei jedem Schlage auf denselben wüthend aufbäumte, während die zahllosen Schläge auf seinen Kopf und Rücken ganz unbeachtet blieben. Nach langen und wüthenden Kämpfen wurde der Räuber endlich getödtet.«
Nordamerika scheint für das Unkraut der Lüge ein äußerst fruchtbarer Boden zu sein. Dies beweisen die unglaublichen Erzählungen, welche der gläubigen Lesewelt aufgetischt werden, beispielsweise die eines gewissen Bartram, welcher vorgibt, mit den dortigen Krokodilen oder Kaimans den innigsten Umgang gepflogen zu haben. Wollte man dem Manne glauben, so müßte man sich wundern, daß die Stromthäler Floridas heutigentages noch bewohnt sein können.
Bartram erzählt von einer Schiffahrt auf dem Johannisflusse und seinem Zusammentreffen mit den Kaimans ungefähr folgendes: Er fährt in einem kleinen Boote den Fluß hinunter. Die Sonne will untergehen. Krokodile wimmeln von allen Seiten herbei. Er beeilt sich, seine Fischerei zu beenden und bewaffnet sich, weil er fürchtet, daß sein Gewehr ins Wasser fallen könnte, nur mit einem Knüppel. Die erste Schlachtlinie der Krokodile, welcher er sich nähert, zertheilt sich; die stärksten Recken verfolgen ihn; er rudert mit allen Kräften, hofft der Gefahr zu entrinnen, erreicht jedoch kaum die Hälfte des Weges, als er von allen Seiten angefallen wird. Seine Feinde bestreben sich, das Boot umzuwerfen; zwei der größten heben den Kopf und einen Theil des Leibes aus dem Wasser, brüllen fürchterlich und speien, wenn auch nicht Feuer, nach Art der Drachen, so doch Wasser in Strömen auf den bedauernswürdigen Abenteurer, dessen Lage nunmehr äußerst gefährlich wird. Er fürchtet, jeden Augenblick aus dem Schiffe gerissen und verschlungen zu werden, schlägt aufs gerathewohl mit seinem Knüppel um sich, und ist so glücklich, die fürchterlichen Thiere zu verscheuchen. Die Feinde bilden eine neue Angriffslinie: er rettet sich ans Ufer; die Kaimans entfernen sich: es wird ruhiger. Er eilt dem Ende des Gewässers zu, beweist seinen Muth dadurch, daß er unterwegs Forellen fängt, landet an einer anderen Stelle, wird dabei von einem uralten Kaiman grimmig angeblickt, will ihn dafür mit einem Schusse strafen und geht, um seine Flinte zu holen, sieht aber zu nicht geringem Entsetzen den Kaiman mit Verzehren seiner Fische beschäftigt und sich nochmals furchtlos und wüthend angeblickt, schießt ihn in den Kopf und tödtet ihn wahrscheinlich. Nun will er seine Fische bereiten und begibt sich ans Ufer, um sie abzuschuppen, schaut aber glücklicherweise[134] noch einmal auf und erblickt im hellen Wasser den Kopf und die Schultern eines anderen großen Kaimans, welcher seitwärts auf ihn zukommt, so daß er kaum Zeit hat zurückzutreten, mit äußerst geschickter Schwanzbewegung seine Fische ins Wasser schleudert und ihm dadurch den Beweis liefert, daß das Scheusal auch ihn selbst hätte verschlingen können. Er entrinnt glücklich, denkt an Feuermachen, Baumbesteigen und andere Sicherungsmittel, da ihn nunmehr vom Wasser aus die Kaimans, vom Lande her Wölfe und Bären bedrohen, wird aber, ehe er seine Anstalten beendet, durch ein neues Geräusch erschreckt, welches in der Nähe seines Landungsplatzes zu entstehen scheint. Nun nähert er sich vorsichtig und sieht, daß besagtes Geräusch von einer ganz unglaublichen Menge von Kaimans herrührt. Letztere bedecken die ganze Breite des Flusses, »so daß man auf ihren Köpfen denselben hätte überschreiten können«, und treiben die Fische derartig zusammen, daß diese einen festen Damm zu bilden scheinen. Den tausenden von Kaimans gesellen sich andere tausende. Millionen von Fischen werden verschlungen. Der scharfäugige Reisende sieht trotz der Dunkelheit mehrere Krokodile große Fische in die Luft werfen, mit dem Maule auffangen und mit den Zähnen zerquetschen. Das Zusammenklappen der Kinnladen verursacht ein schauerliches Getöse; Ströme von Blut quellen aus dem Rachen der Raubthiere; die Nasenlöcher derselben dampfen wie Kamine, und der Kampf währt die ganze Nacht.
Mit aller Absicht habe ich vorstehendes hier mitgetheilt; denn nicht die Lügen Bartrams wollte ich verspotten, sondern die Gläubigkeit der Leser und bezüglich der Verfasser von Naturgeschichten, welche besagte Lügen, ohne kräftigen Einspruch zu thun, weiter verbreiten helfen. Noch heutigentages krankt unsere naturwissenschaftliche Schriftstellerei an einer Urtheilslosigkeit der betreffenden Schriftsteller, welcher man gar nicht scharf genug entgegentreten kann, weil sie der Verallgemeinerung der Wissenschaft auf das empfindlichste schadet. Derartige Fabeln pflanzen sich fort von Buch zu Buch, von Geschlecht zu Geschlecht, als ob sie unausrottbar wären, und werden immer und immer wiedergekäut, anscheinend mit einer gewissen Befriedigung darüber, daß man in der Lebensweise eines Thieres, welches sich von den an deren Verwandten kaum wesentlich unterscheidet, etwas absonderliches entdeckt habe. Wir werden sehen, daß der Kaiman Nordamerikas ein zwar nicht ungefährliches, aber ebenso feiges Krokodil ist wie alle übrigen.
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