Ochsenfrosch (Rana mugiens)

[580] Unsere europäischen Frösche sind Zwerge im Vergleiche zu gewissen amerikanischen und indischen Verwandten, Zwerge hinsichtlich ihrer Größe, Schwächlinge rücksichtlich ihrer Stimme. Zu den ausgezeichnetsten Tongebern der Familie nun gehört ein nordamerikanischer Frosch, welcher sich freilich nicht den Namen eines Künstlers, sondern nur den eines geachteten Säugethieres erworben hat: der Ochsenfrosch (Rana mugiens, pipiens und scapularis) nämlich. Leider bin ich nicht im Stande, auf eigene Erfahrung gestützt, zu entscheiden, inwiefern der Name gerechtfertigt ist oder nicht; amerikanische Forscher und Reisende aber stimmen in dem einen überein, daß sich ein von fünfhundert Ochsenfröschen ausgeführtes Tonstück mit einer abendlichen Teichmusik, wie wir sie bei uns zu Lande vernehmen, gar nicht vergleichen läßt. Man liest da so manches von »schlaflosen Nächten, verwünschten Lärmmachern« und dergleichen, daß man wohl annehmen darf, die Stimme des Ochsenfrosches möge mit der des unserigen ungefähr in demselben Verhältnisse stehen wie die bezügliche Leibesgröße beider.

Der Ochsenfrosch erreicht eine Leibeslänge von zwanzig bis zweiundzwanzig Centimeter Breite, und besitzt Hinterbeine, welche fünfundzwanzig Centimeter an Länge messen. Die Oberseite ist auf olivengrünem Grunde mit großen, dunkelbraunen oder schwarz gewölkten Flecken und einer längs des Rückgrates verlaufenden, gelben Linie gezeichnet, die Unterseite gelblichweiß, das Auge röthlich mit gelber Einfassung. Spielarten werden auch von ihm beobachtet, sind aber im allgemeinen nicht häufig.

Das Vaterland des Ochsenfrosches erstreckt sich über den ganzen Osten Nordamerikas von New York an bis New Orleans; doch scheint es, als ob er nirgends in so zahlreicher Menge vorkomme wie unser Teichfrosch, vielleicht aus dem einleuchtenden Grunde, daß es schwierig sein [580] möchte, eine ähnliche Anzahl so gewaltiger Fresser zu ernähren. Nach Audubon bewohnt er alle Länder der Vereinigten Staaten, ist in den südlichen Theilen jedoch ungleich häufiger als in den nördlichen. Gewöhnlich findet man ihn an reinen, dicht mit Buschwerk überschatteten Strömen. Hier sitzt er in den Mittagsstunden behaglich im Sonnenscheine, nach Art seines Verwandten angesichts des Gewässers, in welches er, wenn Gefahr auch nur von ferne ihm sich zeigt, mit gewaltigem Sprunge stürzt, in der Regel bis auf den Grund hinabtauchend und zur entgegengesetzten Seite schwimmend. Seine Stimme schallt lauter als die irgend eines anderen Frosches und wird bestimmt in bedeutender Entfernung vernommen, in den südlichen Staaten während des ganzen Jahres, obschon hauptsächlich in den Frühlings- und Sommermonaten, in den nördlichen nur während der letzteren und, wie zu erwarten, besonders während der Paarungszeit, in welcher sich, glaubwürdigen Angaben zufolge, doch wenigstens einige hunderte der Brüller vereinigen. Um diese Zeit treibt es der Riese ganz wie sein europäischer Verwandter, läßt an Eifer im Hervorbringen von Tönen nicht das geringste zu wünschen übrig, brüllt ohne Unterbrechung ganze Nächte hindurch und bringt schwachnervige Anwohner seines Wohngewässers, falls gedachten Berichten auch in dieser Beziehung zu glauben, nahezu in Verzweiflung. Nachdem die Eier abgelegt, vertheilt er sich einigermaßen wieder und begibt sich an die genannten Stellen.

Die Gefräßigkeit des Ochsenfrosches wird jedem nah wohnenden Bauer kund und offenbar. Kerbthiere, Land- und Süßwasserschnecken bilden auch seine Hauptnahrung; er begnügt sich jedoch, falls etwas anderes zu haben, keineswegs mit solcher Beute, sondern überfällt räuberisch alle lebenden Wesen, welche er bewältigen zu können glaubt. Was unsere Teichfrösche nur versuchen, wird von ihm ausgeführt: das auf seinem Wohngewässer schwimmende Entchen von unten erfaßt, in die Tiefe hinabgezogen, ertränkt und verschlungen, das auf dem Uferrande unvorsichtig sich nähernde Küchlein, noch ehe die mit gesträubten Federn herbeistürzende Alte zur Stelle, mit jähem Sprunge erhascht und ebenfalls in der sicheren Tiefe geborgen. Dumeril fand in dem Magen der fünf oder sechs von ihm untersuchten Ochsenfrösche Reste von allerlei Kerbthieren, Schnecken, Muscheln, Ueberbleibsel und Geripptheile von Fischen, auch Vogelknochen; Harlan erzählt, daß er einen Ochsenfrosch in dem Augenblicke erlegte, als er eine gefangene Schlange verzehren wollte; die Bauern schwören darauf, daß er unter dem jungen Wassergeflügel ärger haust als der Mink und seine Verwandten. Solche Gefräßigkeit wird ihm oft genug zum Verderben: er schnappt nach der betrüglich geköderten Angel mit gleicher Gier wie nach dem Küchlein und wird leicht zur Beute des Gegners, welchen er bis dahin schädigte, und dem er nunmehr zu einem willkommenen, weil überaus schmackhaftem Gerichte dienen muß. Und nicht bloß der Angel bedient man sich, um ihn zu fangen, sondern auch der Netze und Fallen, ja selbst des Schrotgewehres; denn der oft gegen dreihundert Gramm wiegende Frosch ist schon eines Schusses werth, obschon man nur seine dicken Hinterschenkel genießt. Außer dem Menschen stellen ihm mit Erfolg größere Raubthiere, insbesondere aber Fische nach, welche nach seinem leckeren Fleische ebenso begierig zu sein scheinen wie menschliche Gutschmecker. Nach Audubon soll es zum Fange des Haifisches keinen besseren Köder geben als einen Ochsenfrosch.

In der Neuzeit gelangen lebende Frösche dieser Art nicht gerade selten nach Europa und werden von diesem oder jenem Liebhaber gepflegt. Ich habe wiederholt einige gefangen gehalten und längere Zeit beobachten können, immer aber gefunden, daß sie sich im wesentlichen durchaus nicht von den Teichfröschen unterscheiden. Entsprechend ihrer Größe bedürfen sie mehr Nahrung, erscheinen deshalb noch gefräßiger, verschlingen größere Bissen als jene, gleichen ihnen aber im übrigen, in ihrer Haltung wie in ihrem Gebaren, ihren Sitten und Gewohnheiten, vollständig. Besondere Pflege beanspruchen sie nicht, verlangen nur hinlängliches Futter und Wasser, um sich jederzeit ihre Haut frischen zu können. Mit Teich- und Grasfröschen, lebenden Fischen und kleinen Vögeln, welche sie mit gleicher Gier verschlingen, erhält man sie leicht in gutem Stande und kann sie förmlich mästen, da sie, so lange warme Witterung herrscht, selten eine ihnen sich bietende [581] Beute verschmähen. Sie würden ohne Schwierigkeit bei uns sich einbürgern lassen, verspräche dies irgend welchen Nutzen.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 580-582.
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