Armmolch (Siren lacertina)

[654] Die letzte Art dieser Familie ist der sogenannte Armmolch (Siren lacertina, operculata, intermedia und striata), Vertreter der gleichnamigen Sippe (Siren), ein Thier, dessen Leibesbau an den des Aalmolches erinnert, sich jedoch dadurch unterscheidet, daß nur die beiden Vorderfüße vorhanden sind. Der Leib ist eine lange Walze, an welcher vorn vier-oder dreizehige Füße sitzen, und welche sich nach hinten zuspitzt und abplattet; von den Hinterbeinen bemerkt man im Geripp keine Spur. Die Nasenlöcher stehen nahe am Rande der Oberlippe und öffnen sich am Munde; die kleinen, runden Augen schimmern unter der Haut, welche sie bedecken, hervor. Die Kiemenlöcher sind drei hinter einander liegende Quereinschnitte, an deren oberen Winkeln sich die vielfach gefransten Kiemen ansetzen. In der unteren Kinnlade und am Gaumen stehen Zähne. Die Wirbel ähneln in ihrem Baue denen des Olmes; etwa acht von ihnen, vom zweiten angefangen, tragen kleine Rippenanhänge.

Garden machte uns im Jahre 1765 mit dem von ihm in Südcarolina entdeckten Armmolche bekannt, indem er zwei Stücke an Ellis in London sandte. Letzterem theilte er mit, daß sich das Thier an sumpfigen und morastigen Plätzen, hauptsächlich unter alten Baumstämmen am Wasser finde, bisweilen auf diese Stämme und Baumäste klettere und, wenn das Gewässer während der Sommermonate austrockene, mit klagender Stimme, fast wie junge Enten, aber heller und schärfer piepe. Er hielt das Thier für einen Fisch: ein Irrthum, welchen schon Linné widerlegte. Pallas glaubte später in ihm eine Larve irgend eines großen Salamanders zu erkennen; Cuvier aber sprach die Meinung aus, daß man es als ausgebildetes Thier anzusehen habe.

Im Juni 1825 kam ein lebender Armmolch von einem halben Meter Länge nach England, wurde hier von Neill gepflegt, sechs Jahre lang am Leben erhalten und währenddem beobachtet. Anfänglich hielt ihn dieser Naturforscher in einem mit Wasser und Sand angefüllten Kübel, welcher schief gestellt wurde, um ihm einen Ausgang auf das Trockene zu gestatten; bald aber zeigte sich, daß ihm Moos lieber war, und da man dieses, weil es bald faul wurde, beständig ersetzen mußte, [654] gab man ihm Froschbiß, unter dessen schwimmenden Blättern er sich gern verbarg. Er fraß Regenwürmer, kleine Stichlinge, Kaulquappen vom Wassermolche, später auch Ellritzen, fastete aber in einem Kalthause, seinem Wohnraume, von Mitte Oktober bis Ende April. Bei Berührung des Schwanzes stieß er Luftblasen aus und ging langsam weiter.

Am dreizehnten Mai 1826 kroch er, nachdem er gefressen hatte, von selbst aus dem Kübel und fiel über einen Meter tief herunter. Des anderen Morgens fand man ihn auf einem Fußpfade außerhalb des Hauses; er hatte sich durch ein kleines Gewölbe in der Mauer einen meterlangen Gang in die Erde gegraben. Infolge der Kälte des Morgens war er erstarrt und gab kaum ein Lebenszeichen von sich, athmete im Wasser schwer und hob sich deshalb an die Oberfläche, um Luft zu schnappen; nachdem er jedoch einige Stunden in der Tiefe verweilt hatte, war er wieder so lebhaft als je.


Armmolch (Siren lacertina). 1/2 natürl. Größe.
Armmolch (Siren lacertina). 1/2 natürl. Größe.

Als man ihn im Jahre 1827 in ein Treibhaus brachte, zeigte er sich lebhafter und begann zu quaken, wie ein Frosch, d.h. einzelne gleichförmige Töne auszustoßen. Während dieses Sommers fraß er zwei bis vier kleine Regenwürmer auf einmal, war überhaupt hurtiger als früher. Sobald er den Wurm erblickte, näherte er sich vorsichtig, hielt einen Augenblick still, als wenn er lauere, und schoß dann plötzlich darauf los; übrigens fraß er nur in acht oder zehn Tagen einmal. Gewöhnlich lag er stundenlang, ohne Luftblasen von sich zu geben; man bemerkte dann zweimal in der Minute einen schwachen Strom hinter den Kiemen. Bei Berührung schnellte er sich so rasch fort, daß das Wasser spritzte. Er lebte bis zum zweiundzwanzigsten Oktober 1831 und starb eines gewaltsamen Todes: man fand ihn außerhalb seines Kübels mit eingetrockneten Kiemen. Während der sechs Jahre war er um zehn Centimeter länger geworden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 654-655.
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