Zweite Ordnung

Die Schwanzlurche [606] (Urodela)

In der oberflächlichen Aehnlichkeit, welche zwischen den Echsen und Molchen besteht, begründet sich wahrscheinlich die Anschauung derjenigen Forscher, welche Kriechthiere und Lurche als Mitglieder einer und derselben Klasse betrachten. Man vergißt, daß die Molche oder Schwanzlurche überhaupt die Eidechsen eben nur in derselben Weise wiederholen, wie der Papagei den Affen, die Eule die Katze, die Ente das Schnabelthier, der Pinguin den Seehund oder, um innerhalb einer und derselben Klasse Vergleiche zu ziehen, die Schnappschildkröte das Krokodil, die Schlange die Schleiche usw. Die zwischen Molchen und Echsen bestehenden Unterschiede sind jedoch viel bedeutsamer als jene, welche bei Vergleichen der letztgenannten Thiere sich ergeben, und werden bemerklich, auch wenn man von ihrer Entwickelungsgeschichte gänzlich absieht. Allerdings haben die Molche ebenfalls einen gestreckten, walzigen Leib mit deutlich abgesetztem Kopfe und langem, mehr oder weniger rundem Schwanze, welcher von vier, ausnahmsweise zwei Beinen getragen wird wie bei den Echsen; schon die schuppenlose, schleimige Haut aber und noch schärfer das Fehlen einer Paukenhöhle unterscheidet sie von den letztgenannten so bestimmt und sicher, daß man sich schwerlich berechtigt fühlen kann, beide als Verwandte zu bezeichnen.

Ausführlicher angegeben, sind die Merkmale der Schwanzlurche folgende: der Leib ist mehr oder weniger lang gestreckt, abgerundet, ziemlich gleichdick, zuweilen etwas plump, der Kopf verhältnismäßig groß, in der Regel sehr abgeflacht, an der Schnauze abgerundet, der Hals vom Kopfe abgesetzt, also dünner als dieser und der Leib, der Schwanz mehr oder weniger lang, rund oder seitlich zusammengedrückt, bisweilen flossenartig abgeplattet; die Beine haben die plumpe Gestalt der Gliedmaßen aller Lurche, sind jedoch mehr oder minder gleich lang; die Vorderfüße besitzen in der Regel drei bis vier, die hinteren, welche übrigens ausnahmsweise gänzlich fehlen können, zwei bis fünf Zehen.

Die äußere Haut ist kaum minder verschieden als bei den Froschlurchen, im allgemeinen zart und dünn, zuweilen aber auch uneben und warzig. Die Warzen vereinigen sich ebenfalls hier und da zu Gruppen und sind nichts anderes als stark entwickelte, einen eigenthümlichen, kleberigen, eiweißartigen Schleim absondernde Drüsen. Wie bei den Froschlurchen wird die Haut sehr häufig abgestoßen, und zwar in der Regel theilweise, weshalb die Häutung wenig bemerklich ist. In der Färbung der Haut herrschen dunkle Töne vor; der Grund wird jedoch gewöhnlich durch hellfarbige Flecke und Streifen gezeichnet; Einfarbigkeit ist selten.

Im Schädel lassen sich die paarigen Scheitel- und Stirnbeine, meist auch die Nasenbeine, unterscheiden, während dagegen die Oberkiefer oft auffallend verkümmern. Die Wirbelsäule besteht [607] aus mindestens funfzig, zuweilen fast hundert Wirbeln, welche bei den Gliedern der höher stehenden Familien sämmtlich, bei den niederen wenigstens theilweise kurze, stumpfe Rippen tragen.


Geripp des Erdsalamanders.
Geripp des Erdsalamanders.

Ein eigentliches Brustbein ist nicht vorhanden; seine Stelle wird aber vertreten durch die Schulterblätter, welche sich an ihrem unteren Ende in eine wagerecht liegende Knorpelscheibe verbreitern. Das Becken weicht von dem der Froschlurche hinsichtlich seiner Lage und Gestalt ab, heftet sich auch keineswegs immer an einen und denselben Wirbel an. An den Vorderfüßen sind Elnbogen und Speiche, an den Hinterfüßen Schien- und Wadenbein vollständig von einander geschieden, die Knochen der Handtheile jedoch oft unvollkommen entwickelt.

Die Augen zeigen verschiedene Stufen der Entwickelung. Sie sind bei einzelnen klein, verkümmert und mit Oberhaut überkleidet, bei anderen größer, deutlich in die durchsichtige Haut eingesenkt, bei anderen endlich wohlgestaltet, halbkugelförmig vortretend, mit vollständigen Lidern versehen und wie bei den Fröschen zurückziehbar. Ihre Hornhaut ist im Verhältnis zum Augapfel selbst bedeutend groß, ihre Regenbogenhaut bei den höchst entwickelten lebhaft goldig oder kupferfarben, röthlich oder gelb, der Stern regelmäßig rund. Die Nasenlöcher stehen meist vorn und seitlich an der Schnauze und öffnen sich entweder nach oben oder nach der Seite hin. Die Ohren werden von der äußeren Haut stets bedeckt; es fehlt ihnen die Paukenhöhle, und nur das Labyrinth ist vorhanden. Der untere Theil der Höhlung des tief gespaltenen Rachens wird von der Zunge fast vollständig ausgefüllt; dieselbe ist jedoch verschiedenartig gestaltet, entweder breit und rund oder länglich und schmal, herzförmig, länglich eirund, entweder bloß in der Mitte durch ein kleines Bändchen angeheftet und deshalb am vorderen und seitlichen Rande leicht beweglich oder umgekehrt zum größten Theile angeheftet und nur wenig beweglich.

Alle Schwanzlurche tragen im Oberkiefer wie auf den Gaumenbeinen Zähne, kleine, etwas nach rückwärts stehende, oft eher durch das Gefühl als durch das Gesicht wahrnehmbare Gebilde, welche nur zum Ergreifen und Festhalten des Raubes dienen können. Die Zähne auf den Gaumenbeinen bilden gleichlaufende oder doch gleichmäßige, quer oder längs gestellte Bogen. Die Speiseröhre ist ziemlich lang, der Magen ein großer Längsschlauch ohne Blindsack, welcher nach dem Zwölffingerdarm hin sich verlängert und allmählich in den kurzen Darmschlauch übergeht, die Leber verhältnismäßig groß, so daß sie den größten Theil des Magens bedeckt, die Gallenblase stets vorhanden und wie die unregelmäßig gelappte Bauchspeicheldrüse sehr entwickelt; von den schmalen, außergewöhnlich langen Nieren führen kurze Harnleiter nach der Kloake und münden hier dicht vor dem Ausführungsgange der großen, gefäßreichen, dünnwandigen Wasser- oder Harnblase, welche, wenn sie gefüllt, fast den halben Theil des Unterleibes einnimmt, niemals aber Harn, sondern immer nur eine hell [608] gefärbte, geruch- und geschmacklose Flüssigkeit enthält und als Speicher für die so nöthige Feuchtigkeit dienen mag. Die Athmungswerkzeuge verhalten sich im wesentlichen wie die der Froschlurche, nur kommt bei den Molchen im weitesten Sinne der Umstand zur Geltung, daß einzelne, wie es scheint, zeitlebens im Jugendzustande verharren, d.h. neben den Lungen auch Kiemen beibehalten, die einen solche, welche außerhalb, die anderen solche, welche innerhalb der Kiemenhöhle sich verzweigen. Bis in die neueste Zeit wagte man nicht zu zweifeln, daß diese Kiemenbildung eine bleibende sei; die von einem Fischlinge, dem Axolotl oder Kolbenmolche, inzwischen beobachtete Umwandlung aber hat bewiesen, daß unsere Untersuchungen noch keineswegs als abgeschlossen angesehen werden dürfen. Zwar hat man bis jetzt noch nicht beobachtet, daß außer dem in der Neuzeit sehr bekannt gewordenen Axolotl auch andere Fischmolche mit Außenkiemen diese verlieren, wohl aber das umgekehrte erfahren, daß nämlich auch solche Arten, über deren regelmäßige Verwandlung kein Zweifel obwalten kann, zuweilen im Jugendzustande verharren. So fand Filippi an einem Sumpfe des Lago Maggiore funfzig Tritonen, von denen nur zwei den Bau des ausgewachsenen Wassersalamanders aufwiesen, alle übrigen aber ihre Kiemen noch besaßen, obwohl sie in Körper, Größe und Entwickelung der Geschlechtswerkzeuge mit reifen Thieren übereinstimmten. Diese geschlechtsreifen Larven, von denen Männchen und Weibchen unterschieden wurden, hatten auch sonst alle Zukommnisse junger, noch nicht verwandelter Thiere beibehalten. Jullien fischte im Jahre 1869 aus einem Sumpfe vier weibliche Larven des Streifenmolches, welche sich als geschlechtsreif erwiesen und in ihren Eierstöcken reife Eier hatten. Zwei von ihnen setzten auch wirklich Eier ab. Vier männliche Larven aus demselben Sumpfe zeigten sich zwar in Bezug auf Körpergröße ebenso entwickelt, doch fand man bei ihnen keine Samenfäden, sondern nur Samenmutterzellen. Wenn nun derartige Vorkommnisse bei Larven derjenigen Lurche beobachtet werden können, welche wir tagtäglich vor Augen haben, erscheint der Schluß wohl gerechtfertigt, daß dasselbe, was bei einer Art geschieht, auch bei einer anderen mit mehr oder weniger Veränderung stattfinden, also mit anderen Worten auch ein solcher Schwanzlurch, welchen wir bis jetzt nur mit Kiemen gefunden haben, nur als eine Jugendform sich erweisen und noch verwandeln kann.

Das Verbreitungsgebiet der Schwanzlurche beschränkt sich, wie bereits oben mitgetheilt wurde, ausschließlich auf die nördliche Halbkugel der Erde. Hier bewohnen sie, laut Strauch, alle warmen, gemäßigten und selbst die kalten Landstriche der Alten wie der Neuen Welt. Die Polargrenze ihres Verbreitungsgebietes, welche sicherlich unter hohen Breiten gesucht werden muß, läßt sich aber nach den bisherigen Forschungen nicht einmal annäherungsweise bestimmen; die Südgrenze dagegen ist wenigstens stellenweise bekannt, und zwar liegt der südlichste Punkt, an welchem auf der westlichen Halbkugel noch Molche beobachtet worden sind, in Neugranada, also etwa unter dem fünften Grade nördlicher Breite, während auf der östlichen Halbkugel der Erde der Norden Algeriens, etwa der sechsunddreißigste Grad nördlicher Breite, und das Königreich Siam, oder ungefähr der funfzehnte Grad nördlicher Breite, solche Grenzpunkte bilden. Es entspricht somit das allerdings noch sehr mangelhaft umgrenzte Verbreitungsgebiet zweien von den sechs gegenwärtig allgemein angenommenen, nämlich dem nördlich altweltlichen und dem nördlich neuweltlichen Verbreitungsgebiete der Thiere überhaupt. Bei alleiniger Berücksichtigung der Salamander und der Schwanzlurche insgemein läßt es sich in vier scharf geschiedene, durch das Vorkommen von eigenthümlichen Arten bezeichnete Bezirke eintheilen, von denen je zwei auf jedes der beiden genannten Gebiete fallen. Die beiden Bezirke des nördlich altweltlichen Gebietes werden durch die Uralokaspischen Steppen von einander geschieden, und zwar ist die Scheidung eine so vollkommene, daß beide Theile des getrennten Bezirkes nicht bloß keine einzige gemeinschaftliche Art besitzen, sondern auch durch das Auftreten von verschiedenen Sippen sich auszeichnen. Die Grenzscheide zwischen den beiden Bezirken des nördlich neuweltlichen Gebietes wird vom Felsengebirge gebildet, ist aber bei weitem nicht so vollständig, indem einzelne Arten in beiden Bezirken vorkommen und gewisse Sippen hier wie dort vertreten werden. Derjenige Theil des Gesammtverbreitungsgebietes, welcher [609] uns am nächsten angeht, also Europa mit Ausschluß des hohen Nordens, das nordwestliche Küstengebiet Afrikas, Armenien, Transkaukasien und das nördliche Persien, läßt sich wiederum, entsprechend den drei das Mittelmeer begrenzenden Welttheilen, in Provinzen zerlegen, welche zwar manche Arten miteinander gemein haben, von denen jede aber auch eigenthümliche, ausschließlich ihr angehörende Arten besitzt. Unter diesen drei Provinzen ist die afrikanische die ärmste, die asiatische nicht viel reicher, die europäische dagegen die bei weitem reichste. Wie bei allen Klassenverwandten überhaupt, nimmt die Anzahl der Schwanzlurche von Norden nach Süden in sehr auffallender Weise zu. Während nämlich Nordeuropa nur von fünf Tritonarten bewohnt wird, steigt die Anzahl der Arten in Mitteleuropa auf acht und beträgt in Südeuropa funfzehn, da auf den drei südeuropäischen Halbinseln sämmtliche Molcharten der europäischen Provinz vorkommen. Eine ganz ähnliche Zunahme der Arten findet auch von Osten nach Westen statt. Im nördlichen und im östlichen Rußland leben nur zwei Molcharten, in Skandinavien deren drei, in England vier, in Mitteleuropa sechs, in Frankreich neun, auf der Pyrenäischen Halbinsel endlich, wie bemerkt, funfzehn, unter ihnen drei oder vier dem letzten Gebiete ausschließlich eigenthümliche Arten. Hiernach ergibt sich, daß einige Molche allerdings sehr weit verbreitet sind, bei weitem die Mehrzahl aber auf engere Grenzen angewiesen ist. Der zweite Bezirk des nördlich altweltlichen Gebietes, der asiatische, welcher das südliche Sibirien, den Süden Kamtschatkas, Japan sowie einzelne Theile von China und Siam umfaßt und hinsichtlich der in ihm vorkommenden Schwanzlurche noch sehr ungenügend bekannt ist, läßt sich ebenfalls in drei Provinzen, und zwar die Gegenden zwischen den genannten Steppen und dem Baikalsee, die Strecke zwischen dem Baikalsee und Kamtschatka, südlich bis an die chinesische Grenze und das japanische Inselreich sowie die betreffenden Theile von China und Siam eintheilen. Auch hier nehmen die Arten von Norden nach Süden an Anzahl zu, und so wenig sich auch über die Verbreitung der einzelnen Arten zur Zeit noch sagen läßt, so darf man jetzt doch schon bereits annehmen, daß sie durchweg auf ziemlich enge Grenzen beschränkt sind. In dem an Schwanzlurchen sehr reichen Westen, also in Amerika, liegen die Verhältnisse nach unseren bisherigen Erfahrungen anders als im Osten, indem hier im Norden mehr Arten gefunden worden sind als im Süden; es muß jedoch hierbei bemerkt werden, daß der Norden auch bei weitem besser durchforscht werden konnte als der Süden. Dasselbe gilt auch für den Osten Amerikas im Vergleiche zum Westen. Inwiefern sich bei genauerer Durchforschung Nord- und Mittelamerikas die Verhältnisse, welche gegenwärtig festgestellt werden konnten, ändern werden, läßt sich einstweilen noch nicht bestimmen. Zur Zeit kennen wir ungefähr doppelt so viele nördlich neuweltliche als nördlich altweltliche Schwanzlurche.

Wenn auch nicht alle, so doch die meisten bekannten Lurche halten sich zeitlebens im Wasser auf, viele in seichten, schlammigen Sümpfen, andere in tieferen Seen, einzelne in solchen, welche mehrere hundert Meter über dem Meere liegen; alle ohne Ausnahme sind Nachtthiere, welche übertages still und verborgen in Schlupfwinkeln oder auf dem Grunde ihres Gewässers ruhen oder ihre eigene Thätigkeit erst nach Beginn der Dunkelheit oder nach einem eben gefallenen Regen beginnen: sie alle lassen sich nicht leicht beobachten und können, wie unsere einheimischen Arten beweisen, massenhaft an Oertlichkeiten leben, auf denen man sie nicht vermuthet. Diejenigen Arten, welche wir Landbewohner nennen dürfen, lieben düstere, feuchte Gegenden, welche den Strahlen der Sonne wenig ausgesetzt sind, also vorzugsweise enge Thäler oder Waldungen, und verkriechen sich hier unter Steinen, faulenden Baumstämmen oder in Erdhöhlen. Ein im Norden Amerikas lebender Salamander soll von allen übrigen Froschlurchen dadurch abweichen, daß er wie ein Maulwurf unter der Erde lebt, nicht aber vorgefundene Höhlen aufsucht, sondern eigene, wenn auch nur flach unter dem Boden verlaufende Gänge und zwar mit bemerkenswerther Schnelligkeit gräbt. Die Wassermolche verlassen ihr Wohngewässer bloß dann und wann, verbergen sich unter Umständen aber baldmöglichst in der Nähe des Ufers oder eilen wieder nach ihrer eigentlichen Wohnstätte zurück. Trotz dieses Aufenthaltes entdeckt man sie leichter als jene, weil ja alle Wasserthiere [610] zwischen Tag und Nacht oder Hell und Dunkel einen geringeren Unterschied machen als die Landthiere, unsere Wassermolche auch dann und wann zur Oberfläche emporsteigen müssen, um Luft zu schnappen, oder in die oberen Schichten des Wassers sich begeben, um sich zu sonnen, somit also leichter bemerkt werden. Im Norden ihres Verbreitungskreises fallen sie, wie andere Lurche und Kriechthiere, mit Beginn des Winters in Erstarrung; in niederen Breiten findet dasselbe statt, wenn die Hitze ihr Wohngewässer austrocknet. Die wunderbare Lebenszähigkeit, welche gerade sie zeigen, hilft ihnen derartigen Wechsel überstehen: sie können im Schlamme eindorren und im Eise einfrieren, und der Regen oder der erste warme Sonnenstrahl befreit sie doch wieder aus ihrem Grabe. Für sie insbesondere gilt, was ich oben im allgemeinen von der Zählebigkeit mittheilte; sie sind es, welche ihnen entrissene Glieder wieder ersetzen, ein und dasselbe sogar zu wiederholten Malen.

In der Regel bezeichnet man die Bewegungen der Molche als träge und schwerfällig; dies gilt jedoch nur für einzelne Arten: selbst manche Salamander laufen so schnell dahin, daß man durch sie an Eidechsen erinnert werden kann. Im Wasser bewegen sich alle, also auch die, welche dem Lande angehören, mit vielem Geschicke, die Wassermolche selbstverständlich am gewandtesten und behendesten; aber auch die Salamander wissen sich hier vortrefflich zu benehmen und sich keineswegs nur dadurch, daß sie auf dem Grunde fortlaufen, zu fördern, sondern auch durch schlängelnde Bewegungen ihres Schwanzes vorwärts zu treiben. Eine Art der Bewegung geht ihnen freilich gänzlich ab: kein einziger Schwanzlurch ist fähig zu klettern, kein einziger im Stande, im luftigen Gelaube zeitweilig seinen Wohnsitz aufzuschlagen.

Die Nahrung besteht aus Weichthieren, Würmern, Spinnen, Kerfen und mancherlei Wirbelthieren. Einzelne von ihnen sind ausgezeichnete Räuber, die meisten so rücksichtslos, daß sie schwächere ihrer eigenen Art ohne weiteres auffressen. Ihre lebhafte Verdauung bedingt Gefräßigkeit; so viel aber die Schwanzlurche zu gewissen Zeiten zu sich nehmen, so lange können sie auch Hunger ertragen.

Eigenthümlich und keineswegs übereinstimmend ist die Fortpflanzung dieser Thiere. Eine wirkliche Begattung findet, so viel bis jetzt bekannt, nicht statt; beide Geschlechter suchen sich vielmehr während der Paarungszeit im Wasser auf: die Männchen verfolgen die Weibchen, geben dann ihren Samen von sich, und die Weibchen legen in das von diesem sozusagen befruchtete Wasser ihre Eier; ja, noch mehr: sie nehmen das samengeschwängerte Wasser durch den After in sich auf und befruchten die Eier, welche sie noch im Mutterleibe tragen. Die Salamander verlassen nach der Paarungszeit das Wasser wieder; aber die Weibchen kehren geraume Zeit später zu ihm zurück, um ihre Jungen, welche inzwischen in ihrem Leibe sich entwickelt haben, abzusetzen; die Wassermolche hingegen legen Eier, und zwar nur wenige auf einmal, und befestigen sie mittels eines kleberigen Schleimes an Pflanzenblättern. Land- wie Wassermolche verleben ihre erste Jugendzeit im Wasser und verlassen dieses erst, wenn ihre Lungen sich ausgebildet haben und die Athmung durch diese stattfindet. Während des Larvenzustandes unterscheiden sich die verschiedenen Schwanzlurche wenig von einander, und des halb gerade erscheint es nicht gerechtfertigt, zwischen Molchen und Fischlurchen die Grenzen einer Unterordnung aufzurichten; denn die Fischlinge, welche noch in späteren Jahren Kiemen tragen, sind gewissermaßen anzusehen als im Jugendzustande verharrende Molche.

Es dürfte schwer sein, ein Mitglied dieser Ordnung zu nennen, welches dem Menschen merklichen Schaden zufügt. Einige der größeren Arten nähren sich von Fischen; sie aber wohnen in Gegenden, wo ihr Nahrungsverbrauch gewiß nicht angerechnet werden darf. Eher noch als schädliche darf man sie als nützliche Thiere bezeichnen, da sie eine Menge von lästigen oder den Pflanzen Schaden bringenden Thieren verzehren. Daß die Absonderung ihrer Drüsen niemandem Unheil zufügen kann, obgleich von Alters her hierüber das tollste gefabelt worden ist, werden wir später sehen.

Unter den Feinden, welche den Molchen nachstellen, werden ihnen wohl nur einzelne Schlangen und Fische gefährlich; Säugethiere und Vögel nehmen bloß Wassermolche auf und verschmähen [611] dagegen die Erdmolche ihres Drüsensaftes halber, während die Schlangen sich durch denselben nicht behindern lassen. Der ungebildete Mensch hegt noch heutigen Tages entsetzlichen Abscheu vor den Salamandern und deren Verwandten, hat aber glücklicherweise keine Gelegenheit, seinen Gefühlen durch die That, welche fast ebensoviel als Vernichtung der Thiere sein würde, Nachdruck zu geben; der Aufgeklärte und Gebildete verlacht jenen und stellt den Molchen nur deshalb eifrig nach, weil sie sich vortrefflich zur Besetzung der solchen Thieren dienenden Käfige eignen, nämlich jahrelang in der Gefangenschaft aushalten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 606-612.
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